DAZ Fresh-up Hämophilie

Wenn das Blut nicht gerinnt

Köln - 27.02.2023, 07:00 Uhr

Bei der Hämophilie ist die Blutgerinnung aufgrund genetischer Defekte gestört. (Foto: creativesunday / AdobeStock)

Bei der Hämophilie ist die Blutgerinnung aufgrund genetischer Defekte gestört. (Foto: creativesunday / AdobeStock)


Die Hämophilie – auch Bluterkrankheit genannt – kann mittlerweile so gut behandelt werden, dass es für Betroffene kaum mehr Einschränkungen im Lebensalltag gibt. Größere Probleme können jedoch Apotheken mit den entsprechenden Rezepten zur Hämophilieversorgung bekommen. Diese FAQ verschafft einen Überblick über die Erkrankung, die Behandlung und die Abrechnung der Hämophilie-Arzneimittel.

Was genau passiert bei einer Hämophilie?

Hämophilie beschreibt an sich nur eine Gruppe von Erkrankungen, die sich unter einem Kriterium zusammenfassen lassen: Die Blutgerinnung ist (aufgrund diverser Faktoren) gestört. Die häufigste Form der Hämophilie ist die sogenannte Hämophilie A, eine weitere, aber etwas seltenere Form ist die Hämophilie B. Je nach Form fehlen im Blut Gerinnungsfaktoren, wodurch die Blutgerinnung stark gehemmt oder gar nicht vorhanden ist.

Wie entsteht eine Hämophilie?

Bei der Hämophilie handelt es sich vorrangig um eine Erbkrankheit. Ursache für eine Hämophilie ist dementsprechend fast immer ein Defekt am Gen des entsprechenden Gerinnungsfaktors. Da Hämophilie X-chromosomal-rezessiv vererbt wird, betrifft die Erkrankung vor allem Jungen und Männer. Grundsätzlich ist es zwar möglich, dass auch Frauen eine Hämophilie vererbt bekommen, die Wahrscheinlichkeit dafür ist aber sehr gering.

Ist jede Hämophilie gleich stark ausgeprägt?

Nein, eine Hämophilie wird in drei Schweregrade unterteilt:

  1. leichte Hämophilie
  2. mittlere Hämophilie
  3. schwere Hämophilie

Patienten, die von einer leichten Hämophilie betroffen sind, weisen meist keine oder kaum Einschränkungen im Alltag auf. Oft bleibt die Hämophilie hier unerkannt, bis eine Operation nötig ist, bei der eine verringerte Blutgerinnung festgestellt wird.

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Bei einer mittelschweren Hämophilie treten ab und zu Blutungen auf, die länger anhalten. Diese geben aber meist keinen direkten Anlass für eine Diagnose und werden wie die leichte Form eher durch Zufall erkannt.

Bei einer schweren Hämophilie treten häufig auch innere Blutungen auf, die teilweise mit Schmerzen verbunden sind. Typisch sind Blutungen ohne erkennbaren Grund, vor allem in Gelenken. Die Erkrankung wird oftmals schon im Säuglingsalter festgestellt, da das Kind bereits dann sehr leicht blaue Flecken bekommt, obwohl keine Außeneinwirkung stattfindet.

Wie wird eine Hämophilie behandelt?

Die Behandlung einer Hämophilie wird auf zwei Wegen vorgenommen. Einerseits gibt es mittlerweile einige präventiv wirksame Arzneimittel, andererseits werden Arzneimittel im Falle einer akuten Blutung eingesetzt. Präventiv werden die fehlenden Gerinnungsfaktoren ersetzt, akut wird die Blutgerinnung beschleunigt bzw. ausgelöst.

Wie werden Arzneimittel für eine Hämophilie bezogen?

Seit Inkrafttreten des Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) im Jahr 2020 werden Hämophiliearzneimittel über öffentliche Apotheken vertrieben.

Dürfen Hämophiliezentren dann überhaupt noch Arzneimittel bevorraten?

Ja, Hämophiliezentren dürfen entsprechende Notfallarzneimittel bevorraten. Die Apotheke darf dazu Arzneimittel direkt an die Hämophiliezentren abgeben. Dies ist aber der Ausnahmefall, die Regelversorgung hat über die Apotheken zu erfolgen.

Dürfen Hausärzte Hämophiliearzneimittel verordnen?

Ja. Im Rahmen der sogenannten wohnortnahen Versorgung von Hämophiliepatienten darf auch ein Hausarzt bzw. fachfremder Arzt (kein Zahn- oder Tierarzt) ohne Sonderkenntnisse Hämophiliearzneimittel verordnen. Dieser Arzt hat gemäß § 14 Abs. 3a Transfusionsgesetz (TFG) Meldung über die verordneten Arzneimittel an den dauerbehandelnden Arzt zu machen sowie die Verordnung gemäß TFG-Vorgaben zu dokumentieren.

Müssen Apotheken dem Arzt melden, dass ein Hämophilierezept eingelöst wurde?

Ja. Apotheken müssen dem verordnenden Arzt Meldung über bestellte und abgegebene Hämophilie-Arzneimittel machen. Dabei sind Bezeichnung des Arzneimittels, Chargenbezeichnung und Menge des Arzneimittels, Datum der Abgabe sowie Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort des Patienten an den Arzt zu übermitteln. Darüber hinaus muss auch in der Apotheke eine Dokumentation gemäß Vorgaben des TFG durchgeführt werden.

Dürfen Hämophiliezentren noch Hämophilie-Arzneimittel verordnen?

Ja. Hämophiliezentren dürfen nach wie vor entsprechende Arzneimittel für Ihre Patienten verordnen. Zudem muss mindestens einmal jährlich ein Abgleich zwischen der vom Patienten dokumentierten Anwendung und den ärztlich verordneten Dosen stattfinden. Dieser Abgleich muss in die Dokumentation der Hämophiliezentren aufgenommen werden.

Gibt es Auflagen für Patienten, die sich die verordneten Arzneimittel im Rahmen der Heimselbstbehandlung in Eigenregie applizieren?

Ja, Patienten müssen ihre selbstständig durchgeführte Arzneimittelanwendung dokumentieren. Zur Zuordnung werden hierbei Patientenidentifikationsnummern oder entsprechende eindeutige Angaben zu der zu behandelnden Person, wie Name, Vorname, Geburtsdatum und Adresse, Chargenbezeichnung, PZN oder Bezeichnung des Präparates, Name oder Firma des pharmazeutischen Unternehmers, Menge und Stärke, Datum und Uhrzeit der Anwendung verwendet.
Die Dokumentation kann z. B. mit einer App oder in einem Substitutionstagebuch erfolgen.

Findet die Hämophilie-Therapie mit normierten Standard-Packungen statt oder wird der Bedarf für jeden Patienten individuell ermittelt?

Jeder Patient bekommt von seinem Arzt eine individuelle Menge und Dosierung seines benötigten Arzneimittels verordnet. Das bedeutet, dass in den meisten Fällen Mengen verordnet werden, zu denen es keine passenden Packungsgrößen im Handel gibt. Apotheken dürfen hier aber – als Ausnahme zu den sonst geltenden Vorgaben – bis hin zur benötigten Menge stückeln.

Wie muss bei einer Stückelung von Hämophilie-Arzneimitteln gestückelt werden?

Die Stückelung erfolgt gemäß der in der Packungsgrößenverordnung vorgegebenen Normgrößen. Diese sind:

  • N1 = 1 Stück
  • N2 = 6 Stück
  • N3 = 30 Stück

Sind also 30 Einheiten verordnet, wird abgerechnet, als wäre eine N3-Packung abgegeben worden – nicht 30 N1. Dementsprechend ist nur 1-Mal die Zuzahlung zu leisten. Sind jedoch 36 Einheiten verordnet, so ist einmal eine N3-Größe und einmal eine N2-Größe abzurechnen und die jeweils erforderliche Zuzahlung zu leisten. Sollte zu der verordneten Menge eine Packung im Handel befindlich sein, ist diese auch abzugeben und abzurechnen.

Was ist gemäß TFG in Apotheken zu dokumentieren, wenn ein Hämophilie-Arzneimittel abgegeben wird?

Zu dokumentieren sind die Arzneimittelbezeichnung, die abgegebene Menge, die Chargenbezeichnung, das Bestell- und Abgabedatum des Arzneimittels, Name und Anschrift des verordnenden Arztes, Name und Anschrift des Händlers (z. B. des Großhandels) sowie Name, Vorname, Geburtsdatum und Adresse des Patienten bzw. bei direkter Abgabe an die Arztpraxis der Name und die Anschrift des Arztes. 

Müssen die von der Apotheke an den Verordner gemeldeten Daten auch an das Hämophilie-Zentrum weitergeleitet werden?

Ja, diese Daten müssen auch an das Hämophiliezentrum weitergeleitet werden. Allerdings geschieht dies durch den Verordner, nicht durch die Apotheke, die im Zweifel nicht zurückverfolgen kann, an welches Hämophiliezentrum die Daten übermittelt werden müssen.

Gibt es eigene Rezeptformulare für Hämophiliearzneimittel?

Nein, Hämophiliepräparate werden auf normalen Muster-16- bzw. Privatrezeptformularen verordnet.

Was sind typische Arzneimittel, die bei Hämophilie eingesetzt werden?

Da am Rezept selbst nicht erkennbar ist, ob es sich um eine Hämophilieverordnung handelt, kann es hilfreich sein, einige Hämophiliearzneimittel namentlich zu kennen. Einige Beispiele sind: Elocta, Hemlibra, Adynovi, Jivi, Esperoct, Alprolix, Idelvion, Refixia und Afstyla.

Hämophiliearzneimittel können sehr teuer sein. Ist hier eine Genehmigung durch die Krankenkasse erforderlich?

Normalerweise ist hier keine Genehmigung durch die Krankenkasse erforderlich, da es sich um „gewöhnliche“ Arzneimittel handelt. Sonderregelungen aus regionalen Verträgen können jedoch teilweise Genehmigungspflichten bei besonders hochpreisigen Arzneimitteln vorschreiben, weshalb es nicht schaden kann, im Zweifel die betreffenden Verträge zu prüfen.


Thomas Noll, PTA, DAZ-Autor
redaktion@daz.online


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