15. Zukunftskongress öffentliche Apotheke

„Mit Honorierung von gestern sind Anforderungen von heute kaum zu bewältigen“

Bonn - 27.02.2023, 16:45 Uhr

Thomas Preis bei der Eröffnung des Zukunftskongress öffentliche Apotheke. (Foto: AVNR/Müller)

Thomas Preis bei der Eröffnung des Zukunftskongress öffentliche Apotheke. (Foto: AVNR/Müller)


Lieferengpässe, Fachkräftemangel und notwendige Apothekenstärkung waren die drei Themen, die der Vorsitzende des Apothekerverbands Nordrhein, Thomas Preis, am vergangenen Samstag beim Zukunftskongress öffentliche Apotheke ansprach. Aufgrund der immer schlechter werdenden finanziellen Rahmenbedingungen und angesichts der steigenden Zahl an Lieferengpässen brauche es unbedingt eine angemessene Honorierung, sagte er.

Nach zweijähriger Coronapause fand am vergangenen Samstag der Zukunftskongress öffentliche Apotheke wieder in Präsenz statt. Mehr als 300 Teilnehmer:innen waren der Einladung des Apothekerverbands Nordrhein in den alten Plenarsaal des Bundestags nach Bonn gefolgt – laut dem Verbandsvorsitzenden Thomas Preis so viele wie vor der Pandemie. Im politischen Teil der Veranstaltung ging es vor allem um drei brennende Themen: Lieferengpässe, Fachkräftemangel und notwendige Apothekenstärkung.

Zu den Lieferengpässen zitierte Preis aus seiner Rede, die er vor drei Jahren an selber Stelle gehalten hatte: Die Engpässe seien ein zunehmendes Problem, das die Apotheken so fest im Griff habe, dass es unerträglich sei. Es brauche politische Maßnahmen, die entschieden und wirksam etwas dagegen setzten. Eine Gegenfinanzierung für die Mehrarbeit fehle. 

„Die Menschen müssen sich Sorgen um ihre Medikation machen“

Getan habe sich bis auf unverbindliche Ankündigungen aber nichts, resümierte Preis – im Gegenteil. „Es ist schlimmer geworden“, sagte der Verbandsvorsitzende. „Die Menschen müssen sich Sorgen um ihre Medikation machen, wenn die Politik nicht sofort handelt.“ Letzteres würde er gegenüber der Laienpresse so nicht sagen, betonte Preis, aber in diesem Kreis könne er es ansprechen.  

Einer Umfrage des Verbands zufolge sei in NRW jedes zweite Rezept von Engpässen betroffen. „Das bedeutet, dass jeden Tag 250.000 Patienten nur unter extremen Anstrengungen versorgt werden können oder auf andere Arzneimittel ausweichen müssen.“ Dann richtete er sich direkt an den Minister: „Sehr geehrter Herr Lauterbach, uns nur 50 Cent geben zu wollen für die nervenaufreibende Arbeit, die uns die Freude an unserem Beruf raubt, macht uns fassungs- und sprachlos zugleich. Ein solches Almosen brauchen und wollen wir nicht.“ 

Preis appellierte an den Bundesgesundheitsminister, die extreme Mehrarbeit der Apotheken adäquat zu honorieren und den Apotheken unbürokratische Handlungsmöglichkeiten für eine schnelle Patientenversorgung zu ermöglichen. „Honorieren Sie unsere Mehrarbeit! Monat für Monat ist das ein insbesondere personeller Kostenaufwand von etwa 5.000 Euro pro Apotheke“, stellte Preis klar. 

Sonderregeln nicht auslaufen lassen

Darüber hinaus forderte er, den Apotheken mehr Handlungsmöglichkeiten zu geben, um die Patienten schnell und ohne unnötige bürokratische Hürden versorgen zu können. Dazu gehöre auch, aus der Coronapandemie zu lernen und die erleichterten, kompetenzerweiternden Corona-Sonderregeln bei Nichtverfügbarkeit von Arzneimitteln weiter gelten und nicht zum 7. April auslaufen zu lassen. „Wir brauchen jetzt dringend die Patientenversorgung beschleunigende Austauschregeln und kein Zurück in die Steinzeit der verknöcherter Abgabebeschränkungen, die vor der Pandemie gegolten haben“, fordert Preis. Anders sei die Versorgung der Patienten unter den aktuellen Bedingungen insbesondere der nicht enden wollenden Lieferengpässen nicht zu stemmen. 

Umfrage: 6 Prozent wollen wegen Personalmangel schließen

Zum Thema Personalmangel berichtet Preis über die Ergebnisse einer Umfrage des Verbands, der zufolge 6 Prozent der Teilnehmenden innerhalb des kommenden Jahrs ihre Apotheke oder ihre Filiale schließen wollen, weil Personal fehlt. Aktuell schrumpfe die Apothekenzahl jährlich um etwa 3 Prozent, das sei also eine dramatische Entwicklung. „Die Arbeitsplätze in der Apotheke müssen attraktiver werden“, folgerte Preis, „sonst sind wir irgendwann zu wenige.“ 

Damit leitete er zum nächsten Punkt über, der notwendigen Stärkung der Apotheken durch die Politik. Er forderte Bürokratieentlastung, die Abschaffung des Damokles-Schwerts Nullretax und eine Anpassung der Arzneimittelpreisverordnung. „Wir sollten uns auf die Arzneimittelversorgung konzentrieren, nicht auf das Ausfüllen von Zetteln“, unterstrich Preis.

Preis fordert Dynamisierung des Apothekenhonorars

Außerdem könne es nicht sein, dass Apotheken für Honorare arbeiten, die seit zwei Jahrzehnten nicht verändert wurden, aber gleichzeitig immer mehr Aufgaben übernähmen. Das sei mit einer Arzneimittelpreisverordnung, die man als Fossil bezeichnen könne, nicht zu stemmen. Das Honorar müsse jetzt angepasst und mit einer Dynamisierung versehen werden, sagte der Vorsitzende. 

Apothekenstärkung seitens der Bundesregierung sei jedoch bislang Fehlanzeige, stellte Preis fest. Das Gegenteil sei vielmehr der Fall. Man müsse Sparbeiträge für die Kassen leisten, die trotz Kassandra-Rufen zuletzt wieder Überschüsse erzielt haben. „Auf unsere Kosten!“, betonte Preis. In Zeiten, wo andere Energiezuschüsse erhalten, werde bei den Apotheken abkassiert. Da die Versorgung durch die Apotheken zu den Gemeinwohlpflichten des Staats gehöre und die Bürger:innen diese daher zu Recht als selbstverständlich erachteten, sei es nicht richtig, dass man die Apotheken derart schwäche. In Preis' Augen sind es die Apotheken den Patient:innen, die Rat und Hilfe suchen, schuldig, auf die Barrikaden zu gehen.

„Stärken Sie die Apotheken vor Ort, für die Menschen vor Ort“

Daher lautet Preis‘ Appell an die Bundesregierung, den Bundesgesundheitsminister, den Bundestag und den Bundesrat: „Stärken Sie die Apotheken vor Ort, für die Menschen vor Ort. Wir als Apothekerinnen und Apotheker wollen die bestmögliche Arzneimittel- und Gesundheitsversorgung für die Menschen in Deutschland überall vor Ort auf höchstem Niveau sicherstellen – persönlich, engagiert und leistungsstark. Das geht nicht mit immer schlechter werdenden finanziellen Rahmenbedingungen, sondern auch angesichts der außerordentlich schwierigen Arzneimittelversorgung mit immer mehr Lieferengpässen nur mit einer angemessenen Honorierung. Mit einer Honorierung von gestern lassen sich die extremen Anforderungen einer Arzneimittelversorgung von heute kaum noch bewältigen, erst recht nicht die Herausforderungen von morgen oder übermorgen!“


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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