Empagliflozin

Prävention statt Therapie – SGLT2-Hemmer könnten Diabetes sogar verhindern

Düsseldorf - 24.02.2023, 15:15 Uhr

Eine Packung Jardiance, Wirkstoff Empagliflozin. (Foto: Viewfinder / AdobeStock) 

Eine Packung Jardiance, Wirkstoff Empagliflozin. (Foto: Viewfinder / AdobeStock) 


Forschende der Medizinischen Universität Innsbruck konnten zeigen, dass das Antidiabetikum Empagliflozin nicht nur therapeutisch, sondern auch präventiv gegen Diabetes, Übergewicht und Fettleber einsetzbar ist. Die Ergebnisse veröffentlichten die Österreicher jetzt im Fachjournal „Diabetologia“.

Empagliflozin und seine Verwandten aus der Wirkstoffklasse der SGLT2-Hemmer sind ein gutes Beispiel für weiterentwickelte Wirkstoffe aus der Natur, die ungeahnt viele Anwendungsgebiete besitzen. Die SGLT2-Hemmer inhibieren allesamt den „Sodium glucose linked transporter 2“ in der Niere, der im proximalen Tubulus gemeinsam mit zwei Natrium-Ionen Glucose aus dem Primärharn zurück ins Blut transportiert. Genauso wie die ebenfalls zugelassenen Wirkstoffe Dapagliflozin und Ertuglifozin und die zumindest in Europa noch nicht zugelassenen Ipraglifozin und Tofoglifozin leiten sich Substanzen vom Naturstoff Phlorizin ab, der aus der Rinde von Birn-, Apfel-, Kirsch- und anderen Obstbäumen aus der Familie der Rosaceen stammt.

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Entwickelt wurden die Arzneimittel, um Menschen mit Diabetes mellitus vom Typ 2 zu behandeln: Die Hemmung des SGL-Transporters 2 bewirkt insulinunabhängig eine Senkung des Glucosespiegels im Blut, da Glucose vermehrt mit dem Harn ausgeschieden wird. Das bewirkt auch osmotisch eine vermehrte Harnausscheidung. Seit dem Jahr 2021 finden einige Vertreter der SGLT2-Hemmer aber auch Anwendung bei der Therapie von Patienten mit Herzinsuffizienz und Niereninsuffizienz. Die Wirkstoffe bewirken außerdem eine Senkung des Blutdrucks und führen zu einer Gewichtsabnahme.

Prävention im Mausmodell gezeigt

Forschende der Medizinischen Universität Innsbruck haben im Mausmodell Hinweise darauf generiert, dass sich das Anwendungsspektrum noch erweitern ließe. Sie konnten konkret für Empagliflozin zeigen, dass die Einnahme des Wirkstoffs auch präventiv die Folgen einer sogenannten „Diät westlichen Typs“ abmildern kann – wobei dieser Begriff den in der Regel zu kalorien-, fett- und zuckerreichen westlichen Lebensstil umschreibt. Dementsprechend lasse sich mit Empagliflozin und wohl generell SGLT2-Hemmern bei entsprechendem Risiko vorbeugen, dass es zu Diabetes mellitus kommt. Auch Fettleber und Übergewicht sollen sich mit dem Wirkstoff vermeiden lassen, schreiben die Forschenden. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die österreichischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Arbeitsgruppe der Endokrinologin und Diabetologin Professor Susanne Kaser, stellvertretende Direktorin der Universitäts-Klinik für Innere Medizin I der Medizinischen Universität Innsbruck, jetzt im Fachjournal „Diabetologia“.

Ausgehend von der beobachtbaren Gewichtsabnahme bei der oralen Einnahme der Wirkstoffe gingen die Forschenden der Frage nach, wie genau Empagliflozin vor Gewichtszunahme und anderen Folgen ungesunder Ernährung schützten kann. Dazu fütterten sie gesunde Mäuse mit der sogenannten „Western-type diet“, einer hochkalorischen, fett- und kohlenhydratreichen Ernährung. 

Unbehandelt führte diese Fütterung über einen Zeitraum von zehn Wochen zu Insulinresistenz, Übergewicht und Leberverfettung. „Zahlreiche Studien haben bereits die Effizienz von SGLT-2 Inhibitoren bei ernährungsbedingten Stoffwechselerkrankungen gezeigt. Das Besondere an unserer Studie ist, dass erstmalig der Frage nachgegangen wurde, ob die Gabe von Empagliflozin bei an sich gesunden Mäusen diätbedingte Stoffwechselstörungen verhindern kann“, sagt Erstautor und Assistenzarzt Dr. Bernhard Radlinger über die Studie.

Auch positiver Effekt auf Größe und Form der Mitochondrien

Die Medizinerinnen und Mediziner untersuchten die Mäuse der mit Empagliflozin behandelten Gruppe sowie die der unbehandelten Kontrollgruppe während der zehnwöchigen Fütterung und nach Abschluss des Zeitraums. Ganz allgemein beobachtbar war bei der unbehandelten Gruppe, dass die Tiere nach den zehn Wochen übergewichtig waren, einen zu hohen Blutzuckerspiegel aufwiesen, ihre Bauchspeicheldrüse zu viel Insulin produzierte und sie insulinresistent waren. Die behandelte Gruppe zeigte diese Veränderungen dagegen nicht. Während in beiden Gruppen die gleichen Mengen gefressen wurden, tranken die mit dem Medikament behandelten Tiere verhältnismäßig mehr Wasser – erklärbar durch die höhere Harnausscheidung infolge des Wirkstoffs.

(Quelle: Radlinger et al. link.springer.com)

Per Magnetresonanztomographie zeigten die Forschenden, dass die behandelten Tiere außerdem weniger Fettdepots angelegt hatten als ihre unbehandelten Artgenossen und ebenfalls anders als diese keine Fettleber entwickelt hatten. Weiterhin zeigten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit molekularbiologischen Methoden, dass die Insulinsignalisierung der Leber (hepatic insulin signalling) sich bei den behandelten Tieren nicht verschlechtert hatte, anders als bei den anderen Tieren ohne Empagliflozin.

Überraschenderweise konnten die österreichischen Forschenden noch finden, dass der Wirkstoff einen positiven Effekt auf die Größe und Form der Mitochondrien in den Skelettmuskeln hatte. „Neben dem Schutz vor Gewichtszunahme und Insulinresistenz ist der SGLT2-Hemmer Empagliflozin laut dieser Studie also auch in der Lage, die mitochondriale Funktion, die für die zelluläre Energieversorgung notwendig ist, aufrechtzuerhalten“, erklärt Kaser.

Ergebnisse sollen laut den Forschenden klinische Studien rechtfertigen

„Neben der stets notwendigen Lebensstilanpassung könnten die Ergebnisse in Zukunft genutzt werden, frühzeitig das Risiko für die Entwicklung folgenschwerer Erkrankungen wie Typ 2 Diabetes und Fettlebererkrankung bei Hochrisikopatientinnen und -patienten zu senken“, sagt die Wissenschaftlerin. Somit würden die Studienergebnisse weitere klinische Studien mit SGLT2-Hemmern in einem präventiven Set-Up mit durch einen gestörten Stoffwechsel für Diabetes Typ 2, Übergewicht oder Fettleber risikobehafteten Menschen rechtfertigen, schreiben die Forschenden.


Volker Budinger, Diplom-Biologe, freier Journalist
redaktion@daz.online


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