Aktuelle Vereinbarungen

Engpässe: Sachsen erlaubt Defektur, Import und Tauschbörsen

Stuttgart - 14.02.2023, 15:15 Uhr

Sachsens Apotheken bekommen beim Engpassmanagement Rechtssicherheit. (Foto: IMAGO / rheinmainfoto) 

Sachsens Apotheken bekommen beim Engpassmanagement Rechtssicherheit. (Foto: IMAGO / rheinmainfoto) 


Arzneimittelengpässe halten die Apotheken auf Trab. In vielen Fällen gäbe es zwar pragmatische Lösungen – wären da nicht geltenden Gesetze, die deren Umsetzung im Wege stehen. In Sachsen hat man nun auf Anregung der dortigen Kammer Vereinbarungen getroffen, um beispielsweise die Abgabe von Arzneimitteln zwischen zwei Apotheken rechtssicher zu ermöglichen oder Defekturen von nicht lieferbaren Arzneimitteln zu erleichtern.

Apotheker müssen sich in ihrem Alltag an viele Regeln und Gesetze halten, die mehr oder weniger ihre Berechtigung haben. In Notsituationen stehen sie beziehungsweise die Standesorganisationen, die auf eine akribische Einhaltung der jeweiligen Vorschriften pochen, aber oft einer pragmatischen Lösung im Wege. Man denke an die Herstellung der Desinfektionsmittel zu Beginn der Corona-Pandemie, wo die ABDA solange nicht müde wurde zu betonen, dass Apotheken diese nicht herstellen dürfen, bis eine Allgemeinverfügung das Problem löste. Und auch jetzt, in Zeiten massiver Engpässe, gibt es Kammern, die mit erhobenem Zeigefinger darauf hinweisen, dass die unbürokratische Weitergabe von Arzneimitteln von einer Apotheke an die andere nicht zulässig ist und bei der Defekturherstellung die zugrundeliegenden Verschreibungen dem Pharmazierat auf Verlangen vorzuzeigen sind. 

Viele Kolleg:innen setzen sich seit Langem darüber hinweg, um ihre Patient:innen zu versorgen. Dass dies in der aktuellen Situation tatsächlich verfolgt oder gar geahndet wird, ist mit gesundem Menschenverstand schwer vorstellbar, aber natürlich möglich. 

Apotheker:innen in Sachsen bekommen beim Lieferengpassmanagement nun mehr Rechtssicherheit. Das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt (SMS) hat gemeinsam mit der Landesdirektion Sachsen (LDS) sowie auf Anregung der Kammer in Sachsen, Vereinbarungen getroffen, „um durch eine unbürokratische Anwendung von geltendem Bundesrecht in Bezug auf die Arzneimittelversorgung eine ausreichende Versorgung der sächsischen Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen.“ Darüber informiert die Kammer jetzt in einem Rundschreiben. 

Apotheken dürfen sich ohne gesonderte Erlaubnis aushelfen

So dürfen Apotheken, die nicht zum selben Filialverbund gehören, einander kurzfristig und ohne gesonderte Erlaubnis mit Arzneimitteln aushelfen.  Ausgenommen sind lediglich Betäubungsmittel. Auch Tauschplattformen (wie bspw. „Just check it“) sollen demnach nicht beanstandet werden, wenn die Abgabe der gesuchten Arzneimittel ohne Gewinnerzielungsabsicht und im Rahmen des § 17 Absatz 6c der Apothekenbetriebsordnung erfolgt. Allerdings müssen beide Apotheken eine Chargendokumentation vorhalten.

Weiter dürfen Apotheken in Sachsen nicht verfügbare Arzneimittel defekturmäßig herstellen. Erlaubt sind bis zu einhundert abgabefertige Packungen pro Tag (100er-Regel). Dass die auf der Internetseite des BfArM eingestellte Information zur eingeschränkten Verfügbarkeit des betreffenden Arzneimittels mit der häufigen ärztlichen Verordnung gleichgesetzt werden kann, werde akzeptiert, heißt es. Zudem könne neben der häufigen ärztlichen Verordnung und der Information des BfArM zu Lieferengpässen in der derzeitigen Ausnahmesituation auch die häufige Nachfrage von Patienten einer Defekturherstellung zugrunde gelegt werden, heißt es. Allerdings sollten die Apotheken den jeweiligen Engpass nachweisen können.

Außerdem wird in der Sachsen § 73 Absatz 3 AMG, der den Einzelimport von Arzneimitteln regelt, nun großzügig ausgelegt – er lässt üblicherweise den Import auf eine vorliegende Bestellung einzelner Personen in geringer Menge zu. In der gegenwärtigen Ausnahmesituation werde toleriert, dass die Auslegung des Begriffes „geringe Menge“ entsprechend der Nachfrage angepasst werde, heißt es. Allerdings müsse die vorrätig gehaltene Menge des eingeführten Arzneimittels dem Betrieb der Apotheke angemessen sein. 

Die Kammer weist in diesem Zusammenhang noch darauf hin, dass der/die ein (auch auf Vorrat) eingeführtes Arzneimittel abgebende Apotheker/in für aufgrund der Anwendung dieses Arzneimittels entstandene Schäden haftbar gemacht werden kann, da die Gefährdungshaftung des Herstellers in diesem Fall nicht greift. Daher müsse der/die Apotheker/in Qualität und Identität des Arzneimittels garantieren sowie Arzt und Patient über ein bekanntes Risiko informieren.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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