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Bewegungsschmerzen wegschmieren, -kleben oder -sprühen

Stuttgart - 03.02.2023, 09:15 Uhr

Sowohl für Diclofenac als auch für Ibuprofen stehen mittlerweile auch Pflastervarianten für die Behandlung von Gelenkbeschwerden zur Verfügung. (Foto: vladimirfloyd / AdobeStock)
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Sowohl für Diclofenac als auch für Ibuprofen stehen mittlerweile auch Pflastervarianten für die Behandlung von Gelenkbeschwerden zur Verfügung. (Foto: vladimirfloyd / AdobeStock)


Arthrose-bedingte Knieschmerzen, ein verstauchter Knöchel nach einer missglückten Sporteinheit, Rückenbeschwerden aufgrund von Muskelverspannungen, einseitiger Belastung oder Bewegungsmangel: In all diesen und weiteren Fällen sind topische Analgetika ein fester Bestandteil im Beratungsalltag in der Apotheke. Für die Selbstmedikation der Beschwerden kann zwischen verschiedenen Wirkstoffen und verschiedenen topischen Applikationsarten gewählt werden. Patientenwünsche lassen sich somit gut erfüllen.

Die topische Therapie liegt bei Gelenk- und Rückenbeschwerden insofern nahe, als Wirkstoffe hier gezielt und lokal an der Stelle angewendet werden, die Beschwerden macht. Das ist weniger belastend für den Organismus. So heißt es in der Sk2-Leitlinie „Gonarthrose“: „Die topische Applikation von NSAR bei Kniearthrose sollte vor deren oralen Anwendung zur Analgesie und Funktionsverbesserung erwogen werden“.

NSAR in Schmerzgelen und -cremes

Aus dieser Formulierung geht auch gleich hervor, welche Wirkstoffe hauptsächlich zum Einsatz kommen: nichtsteroidale Analgetika. Für die Selbstmedikation sind aus dieser Substanzgruppe in topischer Darreichungsform derzeit Ibuprofen, Diclofenac und Piroxicam verfügbar. Angeboten werden Schmerzgele und -cremes mit 5% Ibuprofen (z.B. Doc Ibuprofen, Dolgit, Dolobene Ibu, Ibutop, Proff), 0,5% Piroxicam (Piroxicam AL) oder 1% Diclofenac (z.B. Arthrex, Diclac, Diclo-ratiopharm, Diclo-1A Pharma, Voltaren).

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Mit Voltaren forte und Diclox forte sind zudem zwei 2%ige, diclofenachaltige Schmerzgele erhältlich. Bei beiden wird damit geworben, dass eine nur zweimalige Anwendung pro Tag für eine kontinuierliche Schmerzlinderung ausreicht. Bei Ibuprofen-, Piroxicam- und 1%igen-Diclofenac-Gelen oder -Cremes wird in der Regel eine drei- bis viermal tägliche Anwendung empfohlen. Alle drei Wirkstoffe können in dieser Darreichungsform ab einem Alter von 14 Jahren für die Selbstmedikation abgegeben werden. Für alle gilt zudem, dass Schwangere sie nur nach Rücksprache mit dem Arzt anwenden sollten und eine Anwendung auf offenen Verletzungen, Entzündungen oder Infektionen der Haut, sowie auf Ekzemen oder auf Schleimhäuten nicht erfolgen darf.

Bei Schmerzgelen und -cremes nicht sparen!

Um eine spürbare Schmerzlinderung zu erzielen, sollte bei der Abgabe in der Apotheke darauf hingewiesen werden, dass bei den Präparaten nicht an der Menge, die aufgetragen wird, gespart werden sollte. Bei ibuprofenhaltigen Cremes wird – je nach zu behandelnder Körperstelle – das Auftragen eines 4-10 cm langen Strangs (das entspricht grob etwa der Länge des kleinen Fingers bis hin zur Länge der Handfläche) empfohlen. Bei Diclofenac-Gelen sollte eine Kirschkern- bis Walnuss-große Gel-Menge pro Anwendung aufgetragen werden. Lediglich bei Piroxicam AL-Gel, dem einzigen derzeit erhältlichen Piroxicam-Gel, reicht laut Beipackzettel eine maximal haselnussgroße Gel-Menge aus.

Wirken topische Schmerzmittel gut genug?

Unabhängig von der Auftragsmenge galten topische Schmerzmittel lange als „die schlechteren Schmerzmittel“, weil angezweifelt wurde, dass die Wirkstoffe aus Cremes oder Gelen in ausreichender Konzentration die Hautbarriere überwinden und somit wirken können. Mittlerweile ist jedoch durch zahlreiche Studien belegt, dass sowohl Ibuprofen als auch Diclofenac aus Schmerzgelen und -cremes ausreichend gut resorbiert werden, um eine spürbare Analgesie und Entzündungshemmung zu bewirken. Die Gesellschaft für Dermopharmazie e. V. bewertet die topische Anwendung von Diclofenac und Ibuprofen folgendermaßen:

  • Die therapeutische Wirksamkeit von topischem Diclofenac und Ibuprofen bei akuten muskuloskelettalen Schmerzen ist gesichert.
  • Voraussetzung für die Wirksamkeit ist, dass die Wirkstoffe in ausreichend hoher Konzentration in die Gewebeschichten übergehen können und dort entsprechend lange verweilen. Für die Wirkstoffe Diclofenac und Ibuprofen wurden nach topischer Applikation pharmakologisch relevante Wirkstoffkonzentrationen in Subkutis, Sehne, Muskulatur, Gelenkkapsel und Synovia gefunden.

Topische Schmerzmittel: Eine Frage der Galenik

Wie gut eine Ibuprofen- oder Diclofenac-haltige Schmerzcreme bzw. ein Schmerzgel wirkt, hängt dabei von der verwendeten Wirkstoff-Form und der Galenik ab. In Schmerzgelen wird Diclofenac hauptsächlich in Form von Diclo­fenac-Natrium  (z. B. Diclac, Diclo-ratiopharm) und Diclofenac-Diethylamin (Voltaren, Diclox forte) eingesetzt. Sie unterscheiden sich in ihrer Wasserlöslichkeit und in ihrem Vermögen, die Hautbarriere zu überwinden. Diclofenac-Diethylamin soll dabei Vorteile gegenüber den Natriumsalzen haben. Unterstützt werden kann die Penetration von Diclofenac in entsprechenden Präparaten durch die Verwendung von Penetrationsförderern, die in den meisten Gelen auch enthalten sind. Die schnellste Schmerzlinderung sollen Diclofenac-Emulsionsgele erzielen. Bei solchen Emulsionsgelen (z. B. Voltaren) ist Diclofenac in Öltropfen angereichert, die in einer Gelmatrix auf Polyacrylatbasis dispergiert sind. Das Öl verhindert ein Spannungsgefühl auf der Haut.

Im Fall von Ibuprofen haben Mikrogele (z. B. doc Ibuprofen) bezüglich der Wirkschnelligkeit die Nase vorn. In Mikrogelen ist der Wirkstoff in Mizellen eingeschlossen und soll dadurch die Haut rasch durchdringen können.

Pflaster gegen Bewegungsschmerzen

Schmerzsalben und -gele mit Diclofenac oder Ibuprofen sind bei Gelenkbeschwerden effektiv und verglichen mit oralen Darreichungsformen verträglicher, insbesondere hinsichtlich gastrointestinaler Nebenwirkungen. Ihre Wirkung hält jedoch nur begrenzt an. Wie bereits erwähnt, müssen entsprechende Präparate in der Regel mehrmals täglich angewendet werden, um eine kontinuierliche Schmerzlinderung zu erzielen. Länger anhalten soll die Wirkung, wenn man die beiden Wirkstoffe als Pflaster appliziert. 

Diclofenac – ein Umweltproblem?

Die topische Anwendung von Diclofenac gilt unter Umweltaspekten als kritisch, da es in größeren Mengen in das Abwasser und damit in den Wasserkreislauf gelangen kann. Der Eintrag in die Umwelt lässt sich aber reduzieren. Folgende Hinweise sollten bei der Abgabe von Diclofenac-haltigen Topika in der Apotheke gegeben werden: 

  • Nach dem Auftragen sollte man die Hände zuerst mit einem Tuch abwischen und 
  • erst danach die Hände mit Wasser abspülen. 
  • Gebrauchte Pflaster gehören in den Hausmüll – und niemals in die Toilette.

Sowohl für Diclofenac (z. B. Voltaren Schmerzpflaster, Diclofenac-ratiopharm Schmerzpflaster, Flector Schmerzpflaster) als auch für Ibuprofen (Nurofen 24-Stunden Schmerzpflaster) stehen mittlerweile Pflastervarianten für die Behandlung von Gelenkbeschwerden zur Verfügung. Im Fall von Diclofenac wird bei den Pflastern eine zweimal tägliche Anwendung empfohlen. Das entspricht der Empfehlung von Voltaren forte Schmerzgel oder Diclox forte Schmerzgel und bietet zeitlich gesehen somit keinen Vorteil. Bei Ibuprofen ist mit dem Nurofen 24-Stunden Schmerzpflaster dagegen ein Präparat auf dem Markt, das nur einmal täglich angewendet werden muss. Sowohl Diclofenac- als auch Ibuprofen-Schmerzpflaster können ab einem Alter von 16 Jahren abgegeben werden.

Diclofenac auch als Spray erhältlich

Für Diclofenac steht neben Gelen und Pflastern noch eine dritte topische Darreichungsform zur Verfügung: ein Spray. DicloSpray enthält 40 mg Diclofenac-Natrium/g und kann wie die Varianten zum Schmieren ab 14 Jahren abgegeben werden. Die Anwendung erfolgt dem Beipackzettel zufolge 3-mal täglich. Eine Empfehlung kann das Spray z. B. für die Anwendung an schwer zugänglichen Körperstellen sein (über die Schulter sprühen ist einfacher, als sie einzureiben).

Pflanzliche Präparate für schmerzende Gelenke

Nicht alle Kunden können sich mit chemisch-synthetischen Wirkstoffen zur topischen Behandlung ihrer Gelenkbeschwerden anfreunden. Auch in diesem Fall heißt es dann „gibt es da nicht auch etwas Pflanzliches?“. Und ja, das gibt es natürlich. Zum Einsatz kommen in pflanzlichen Schmerzsalben und -cremes Wirkstoffe wie 

  • Arnika (z. B. Doc Arnica Creme, Kneipp Arnika Salbe), 
  • Teufelskralle (z. B. Teufelskralle Creme Bergland Pharma), 
  • Beinwell (z. B. Kytta Schmerzsalbe, Traumaplant Schmerzcreme), 
  • Capsaicin aus Cayennepfeffer (z. B. Capsagamma Dolor Creme, Finalgon Wärmecreme, Hot Thermo dura C Creme) sowie 
  • Rosmarin-, Eukalyptus und Pfefferminzöl (z. B. Allgäuer Latschenkiefer Schmerzcreme, Sogoon Schmerzcreme). 

Für Teufelskrallen-Trockenextrakt sowie für den Inhaltsstoff Harpagosid konnten analgetische und antiphlogistische Wirkungen nachgewiesen werden. Extrakte aus Beinwellwurzel oder -kraut werden ebenfalls wegen ihrer antiphlogistischen und schmerzlindernden Wirkung eingesetzt, zudem sollen sie abschwellend wirken. Die wirksamen Inhaltsstoffe sind wahrscheinlich Allantoin, Gerbstoffe und Schleimstoffe. Auch Inhaltsstoffe aus Arnika wirken entzündungshemmend und abschwellend. Capsaicin aus Cayennepfeffer regt die Durchblutung an und wirkt neuromodulierend, indem es Schmerzrezeptoren zunächst übererregt und dann dauerhaft desensibilisiert. Rosmarinöl soll durchblutungsfördernd und Eukalyptusöl mit seinem Hauptbestandteil Cineol entzündungshemmend wirken.


Dr. Beatrice Rall, Redakteurin DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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