Korrelation ja, Kausalität unklar

Erst Grippe, dann Alzheimer – gibt es Zusammenhänge?

Stuttgart - 23.01.2023, 15:15 Uhr

Werden Neuronen durch Viruserkrankungen in Mitleidenschaft gezogen? Oder sind Menschen mit neurodegenerativen Erkrankungen besonders anfällig für Viruserkrankungen? (b/Foto: adimas / Adobe Stock)

Werden Neuronen durch Viruserkrankungen in Mitleidenschaft gezogen? Oder sind Menschen mit neurodegenerativen Erkrankungen besonders anfällig für Viruserkrankungen? (b/Foto: adimas / Adobe Stock)


Welche Zusammenhänge bestehen zwischen Virus- und neurodegenerativen Erkrankungen? Eine neue Studie hat diese Fragestellung untersucht und zeigt mehrere Korrelationen auf. Ob es einen kausalen Zusammenhang gibt, die Viren also Auslöser für die neurodegenerativen Erkrankungen sind, geht aus den Daten aber nicht hervor.

Nachdem eine Studie 2022 ein erhöhtes Risiko für eine Multiple Sklerose nach einer Eppstein-Bar-Virus-Infektion zeigen konnte, stand die Frage im Raum, ob auch zwischen anderen Virus- und neurodegenerativen Erkrankungen Zusammenhänge bestehen könnten. Um dieser Frage nachzugehen, werteten Forscher:innen aus den USA nicht weniger als 800.000 Datensätze von Patient:innen aus Finnland und dem Vereinigten Königreich aus. Hierbei überprüften sie zunächst die Daten von 300.000 Finn:innen auf Korrelationen zwischen in ihren Krankenakten vermerkten Virusexpositionen und den sechs neurodegenerativen Erkrankungen Alzheimer, Amyotrophe Lateralsklerose, Demenz, Multiple Sklerose, vaskuläre Demenz sowie Parkinson und prüften anschließend, ob sie diese Korrelationen auch bei den 500.000 Brit:innen replizieren konnten. 

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Dies war bei 22 Korrelationen der Fall. So konnte in beiden Gruppen ein starker Zusammenhang zwischen viralen Enzephalitiden und dem Auftreten von Alzheimer-Erkrankung beobachtet werden. Schwere Influenzaerkrankungen mit Pneumonien korrelierten sogar mit fünf der sechs untersuchten neurodegenerativen Erkrankungen (außer mit Multipler Sklerose). Spezifischen Erregern konnten die Korrelationen in den meisten Fällen jedoch nicht zugeordnet werden, da die Akten üblicherweise Auskunft über das resultierende Krankheitsbild (beispielsweise virale Pneumonie oder virale Hepatitis) und nicht über das dahintersteckende Virus gaben. 

In den 22 identifizierten Fällen, in denen eine Virus- mit einer neurodegenerativen Erkrankung korrelierte, blieb das Risiko, mit der neurodegenerativen Erkrankung diagnostiziert zu werden, über einen längeren Zeitraum nach der Virusexposition hin erhöht, in einigen Konstellation sogar bis zu 15 Jahre. 

Korrelation ist nicht Kausalität

Es gibt also eine Korrelation zwischen Virusinfektionen und neurodegenerativen Erkrankungen, aber besteht auch eine Kausalität? Diese Frage wirft eine Art Henne-Ei-Problem auf: Sind Menschen im Frühstadium einer neurodegenerativen Erkrankung, in welchem häufig noch keine Diagnosestellung erfolgt ist, einfach anfälliger für Viruserkrankungen? Oder aber verursachen einige Viruserkrankungen möglicherweise Schäden an den Nerven, die dann das Auftreten beispielsweise von Demenz fördern? Hypothesen für letztere Vermutung stehen bereits im Raum. „In Studien an Mausmodellen konnten wir bereits 2018 aufzeigen, dass insbesondere eine Grippeinfektion über eine starke Anregung des Immunsystems auch das Immunsystem im Gehirn aktiviert. Die sogenannten Mikrogliazellen stehen im Verdacht, Nervenzellen zu schädigen, wenn sie über Wochen und Monate aktiv sind. Unsere Hypothese ist, dass diese Neuroinflammation das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen erhöhen kann.“ sagt Prof. Dr. Martin Korte von der Technischen Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig. 

Sollten sich die Hypothesen aus der Grundlagenforschung in anschließenden Forschungsarbeiten bestätigen, könnten zukünftig Impfungen gegen Virusinfektionen für die Prävention von neurodegenerativen Erkrankungen interessant werden.


Gesa Gnegel, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (gg)
redaktion@daz.online


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