Pharmacon Schladming 2023

Wann ASS bei werdenden Müttern eingesetzt werden sollte

Schladming - 18.01.2023, 09:15 Uhr

Professor Holger Stepan von der Universitätsfrauenklinik Leipzig sprach auf dem Pharmacon in Schladming auch über ASS in der Schwangerschaft. (Foto: DAZ / ck)

Professor Holger Stepan von der Universitätsfrauenklinik Leipzig sprach auf dem Pharmacon in Schladming auch über ASS in der Schwangerschaft. (Foto: DAZ / ck)


Acetylsalicylsäure (ASS) sollte während der Schwangerschaft – wenn überhaupt – nur im ersten Trimenon in niedriger Dosierung eingenommen werden. Apothekerinnen und Apotheker wissen das. Es gibt aber ein Krankheitsbild in der Schwangerschaft, bei dem die ASS-Gabe sogar prophylaktisch angezeigt ist. Welche das ist, verriet Professor Holger Stepan von der Universitätsfrauenklinik Leipzig auf dem Pharmacon in Schladming.

Am Beispiel von Acetylsalicylsäure kann gut verdeutlicht werden, wie durch klinische Studien ein altbekannter Wirkstoff eine völlig neue Bedeutung erlangen und zur Änderung des Managements bei Schwangerschaftskomplikationen führen kann. Schwangere mit erhöhtem Präeklampsie-Risiko (auch Schwangerschaftsintoxikation) profitieren nämlich von einer prophylaktischen Gabe von ASS, so der Tenor des Vortrags von Professor Stepan aus Leipzig auf dem Pharmacon-Kongress 2023. 

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Die dysfunktionale Plazenta bei Präeklampsie setzt Signalmoleküle frei, die die Nieren schädigen. Bluthochdruck, Proteinurie und periphere Ödeme sind die Folge. Einzige kausale Therapie, um den Niedergang der Nierenfunktion aufzuhalten, ist das (vorzeitige) Beenden der Schwangerschaft.

Bei erhöhtem Risiko für eine Schwangerschaftsintoxikation kann die prophylaktische Gabe von ASS die Wahrscheinlichkeit einer späteren plazentaren Dysfunktion jedoch senken. Dies wurde im 2017 publiziertem ASPRE-Trial (Aspirin for Evidence-Based Pre-eclampsia Prevention) gezeigt: Bei Schwangeren, die z.B. aufgrund einer Präeklampsie in einer vorigen Schwangerschaft oder aufgrund von anderen Risikomarkern ein erhöhtes Risiko für eine Schwangerschaftsintoxikation aufweisen, kann die prophylaktische Gabe von 150 mg ASS in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten das Präeklampsie-Risiko um 80 Prozent senken. Betroffene können so ihre Schwangerschaft zu Ende führen und auch mehrere Schwangerschaften durchleben – wovon Frauen mit Präeklampsie früher abgeraten wurde. 

Diese Studie hat dazu geführt, dass die ASS-Prophylaxe bei Präeklampsie-Risiko weltweit in entsprechende Leitlinien aufgenommen wurde und heute als Standard angesehen werden kann. Auch auf „Embryotox“ kann man zu Präeklampsie und Acetylsalicylsäure nachlesen: 


„Eine indizierte Low-dose-Behandlung kann in der gesamten Schwangerschaft durchgeführt werden. Während in entsprechenden Situationen zur Prophylaxe einer Präeklampsie eine Behandlung empfohlen wird, sind die Studienergebnisse zur Spontanabortprophylaxe nicht eindeutig.“ 

www.embryotox.de, Abruf am 17. Januar 2023



Juliane Russ, Volontärin DAZ
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

ASS in der Schwangerschaft die II.

von Dorf-Apothekerin am 19.01.2023 um 16:54 Uhr

Bei den Abgaben, die ich im Kopf habe, gab es nie ein Rezept. "Sie könne es sich so holen." In unseren Kassen ist aber jeder Vorgang gespeichert. Im Ernstfall kann man es keinem Arzt nachweisen. Wie kommen wir als Arzneimittelfachleute dazu, uns von Bayer über die Ärzte zur Abgabe von einem Arzneimittel ohne Zulassung für diese Indikation überrumpeln zu lassen. Wenn sich hier die Rechtsabteilung des DAV nicht um Klärung kümmert, haben wir es nicht verdient als Fachleute respektiert zu werden.
Auch wenn es sich hier nur um ein apothekenpflichtiges Arzneimittel geht, dann ist hier der Ärzteschaft genau wie beim Arzneimittelflohmarkt wohl das Gespür dafür verloren gegangen, dass es sich hier um einen Eingriff in die Unversehrtheit des Körpers handelt.
Kommt Bayer damit durch, ziehen andere Firmen nach. Ich hoffe, dass unsere Standesvertretung hier nicht genauso die Augen verschließt, wie beim Apothekensterben.

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ASS in der Schwangerschaft

von Dorf-Apothekerin am 19.01.2023 um 13:16 Uhr

Wozu brauchen wir noch AM-Zulassungen, es gibt doch Leitlinien! Seit Anfang der 2000er Jahre wird ASS bei Präeklampsie eingesetzt, ohne eine Zulassung. "..als Standard angesehen werden kann..." heißt doch es liegt immer noch keine Zulassung vor. Und das nach 20 Jahren Menschenversuch! Bayer übernimmt also keine Verantwortung für mögliche Komplikationen oder Totgeburten.
Es gab Hinweise, dass auch eine einmalige Anwendung in der SS schon zu Geburtskomplikationen führen kann. Immerhin hat man scheinbar die unbedenkliche niedrige Dosierung in der ganzen SS auf das erste Trimenon reduziert. Bis heute hat man sich nicht um die Ursache der Entgleisung gekümmert:
Antibiotika z.B. das beliebte Erythromycin bei Kreuzallergie mit Penicillin. Die Anzahl der Totgeburten nach Einsatz von ASS im Vergleich zu keiner Gabe oder biologischer Nierenunterstützung, interessiert vorsichtshalber auch nicht.
Immerhin sollte ein Hinweis auf einen sicherheitshalber durchzuführenden Kaiserschnitt erfolgen, da die Koordination der Wehen gestört ist. Aber auch das findet man nirgends. Belladonna C30 wird dann wohl erst recht keine Chancen in die Leitlienien haben , auch wenn es bei den Koordinationsstörungen der Wehen erfolgreich war.
Im Ernstfall trägt ja der Apotheker die Schuld bzw. die Verantwortung, da er ja Prüfpflicht hat.

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