Nach Marktrückzug von Lenoxin

Digoxin für Kinder kommt in englischer Aufmachung nach Deutschland

Stuttgart - 04.01.2023, 17:50 Uhr

Lenoxin aus Großbritannien bzw. Lanoxin aus Irland soll in englischer Aufmachung und flüssiger Darreichungsform für Kinder in den deutschen Handel kommen. Wann ist Digoxin für Kinder indiziert? (b/Foto: Aspen / Schelbert)

Lenoxin aus Großbritannien bzw. Lanoxin aus Irland soll in englischer Aufmachung und flüssiger Darreichungsform für Kinder in den deutschen Handel kommen. Wann ist Digoxin für Kinder indiziert? (b/Foto: Aspen / Schelbert)


Herzglykoside gelten zwar vornehmlich nur noch als Reservemittel, der Marktrückzug der Digimerck-Produkte hat kürzlich dennoch viel Aufsehen erregt. Auch wenn man bei Digitoxin und Digoxin nicht direkt an Kinder denkt – offenbar hat ausgerechnet die Pädiatrie jetzt Probleme Digoxin zu beschaffen. Denn neben Digitoxin in Digimerck ist Ende letzten Jahres auch Digoxin in Lenoxin vom deutschen Markt verschwunden. Mit Lenoxin fehlt eine flüssige Darreichungsform für Kinder. Das BfArM steuert jetzt gegen.  

Nicht nur die Engpässe bei Fieber- und Antibiotika-Säften für Kinder belasten Apothekerinnen, Ärzte und Patient:innen. Beispielsweise auch der Digitoxin-Engpass hat sich im vergangenen Jahr (bei Erwachsenen) als Herausforderung erwiesen und mit dem endgültigen Marktrückzug von Merck Ende 2022 nur noch verschärft. Zwar wird Digitoxin nur selten eingesetzt, wenn kein anderes Arzneimittel mehr weiterhilft – doch ist dies der Fall, fragt sich so mancher Arzt und manche Ärztin, wie sie den betroffenen Patient:innen in Zukunft weiterhelfen sollen. Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie hat bereits vergangenes Jahr eine Stellungnahme zum Lieferengpass von Digitoxin veröffentlicht. 

Bis Ende 2023: Lenoxin Liquidum in englischer Aufmachung in Deutschland erlaubt

Anfang Dezember hatte auch Merck darüber informiert, welche Alternativen zu Digitoxin noch im Handel sind: beispielsweise Digitoxin AWD 0,07 von Teva, Digitoxin-Philo, 0,25 mg/ml Injektionslösung von Mibe und verschiedene Präparate aus der pharmakotherapeutischen Gruppe der Digitalisglykoside:

  • beta-Acetyldigoxin [Novodigal],
  • Digoxin [Lanicor] und
  • Metildigoxin [Lanitop].

Seit dem 22. Dezember – befristet bis zum 31. Dezember 2023 – hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nun außerdem gestattet, Digoxin in englischer Aufmachung auf den deutschen Markt zu bringen. 

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Das Präparat „Lenoxin Liquidum“ vom Hersteller Aspen Pharma (in Irland heißt es Lanoxin) sei gemäß den nationalen Zulassungen in Großbritannien und Irland produziert worden, heißt es im Bescheid des BfArM und: „Die Zulassungen im Vereinigten Königreich und in Irland werden als identisch zur aktuell in Deutschland gültigen Zulassung bestätigt“.

Lenoxin seit September 2022 außer Handel

Auch in Deutschland ist Lenoxin also zugelassen, allerdings nicht mehr im Handel. Laut Lauer-Taxe wurde Lenoxin-Liquidum zum 1. September 2022 aus dem Handel genommen. Das Gleiche gilt für die Lenoxin-Tabletten. Doch damit hat sich die Situation wie bei Fiebersäften und Antibiotika wieder einmal speziell für die Pädiatrie verschärft:


Durch die Einstellung der Vermarktung des Arzneimittels Lenoxin Liquidum in Deutschland ist die Versorgung mit dem Wirkstoff Digoxin in flüssiger Darreichungsform derzeit, besonders in der Pädiatrie, als nicht ausreichend gewährleistet einzuschätzen. Das Inverkehrbringen der in Rede stehenden Ware dient der Sicherstellung der Patientenversorgung.“

Bescheid des BfArM vom 22.12.2022


Wofür wird Dioxin in der Pädiatrie benötigt?

Lenoxin Liquidum wird bei einer manifesten chronischen Herzmuskelschwäche (aufgrund systolischer Funktionsstörung) sowie einer schnellen Form einer Herzrhythmusstörung bei Vorhofflimmern/Vorhofflattern (Tachyarrhythmia absoluta) eingesetzt. Bei „Springer Medizin“ finden sich beispielsweise „Dosierungstabellen für Digitalispräparate in der Kinderkardiologie“, darunter auch eine Tabelle für Lenoxin-Liquidum. 

In der abgelaufenen „S2k-Leitlinie Chronische Herzinsuffizienz im Kindes- und Jugendalter“ heißt es beispielsweise zu den „Arzneistoffklassen zur Therapieempfehlung für Kinder mit Herzinsuffizienz entsprechend des Zulassungsstatus in Deutschland“: 


In den durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) veröffentlichten Fachinformationen liegen Dosisangaben für Herzinsuffizienz für den ACE-Hemmstoff Captopril, die Diuretika Furosemid, Torasemid und Spironolacton und für das herzwirksame Glykosid Digoxin für Kinder vor. Alle davon abweichenden Verordnungen befinden sich im sog. ‚Off-Label-Use‘.“

„S2k-Leitlinie Chronische Herzinsuffizienz im Kindes- und Jugendalter“, Stand 04.01.2023


Digoxin besitzt demnach eine Zulassung ab dem 1. Lebenstag. Dennoch kommt in den Leitlinien insgesamt ein „großer Vorbehalt“ für den Einsatz von Digoxin bei Herzinsuffizienz zum Ausdruck.

In der „S2k-Leitlinie Tachykarde Herzrhythmusstörungen im Kindes-, Jugend- und jungen Erwachsenenalter (EMAH-Patienten)“ (gültig bis Ende 2023) gilt Digoxin allerdings bei der „diaplazentaren Therapie von fetalen Tachyarrhythmien“ sogar als Mittel der 1. Wahl, bei Vorhofflattern nach dem Wirkstoff Sotalol als Mittel der 2. Wahl.


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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