Vfa-Jahresbilanz und Ausblick

49 neue Arzneimittel im Jahr 2022 – was kommt 2023?

Berlin - 28.12.2022, 15:00 Uhr

Das Jahr 2022 war erfolgreich für die forschenden Pharmaunternehmen – was bringt ihnen das Jahr 2023? (Foto: IMAGO / blickwinkel)

Das Jahr 2022 war erfolgreich für die forschenden Pharmaunternehmen – was bringt ihnen das Jahr 2023? (Foto: IMAGO / blickwinkel)


Das Jahr 2022 war erfolgreich für die Pharmaindustrie: Mit 49 Neueinführungen stellen die Unternehmen ihren Rekord von 2014 ein. Für 2023 erwartet der vfa ein ähnlich gutes Ergebnis – sofern die Auswirkungen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes den deutschen Markt nicht zu unattraktiv für die Firmen machen.

Im Jahr 2022 haben Arzneimittelhersteller insgesamt 49 neue Medikamente in Deutschland auf den Markt gebracht. Darüber informiert der Verband der forschenden Pharmaunternehmen (vfa) in einer Pressemitteilung. Damit stellen die Firmen ihren Rekord aus dem Jahr 2014 ein. Der Verband erfasst die Neueinführungen pro Jahr seit 2003 – seither schwankt der Wert zwischen 17 und 49 neuen Arzneimitteln. Zulassungserweiterungen gab es 2022 zudem für 24 weitere Medikamente. Das Krankheitsspektrum reicht von atopischer Dermatitis über Lungenkrebs und Multiples Myelom bis hin zu Wachstumsstörungen.

„Die beindruckenden Zahlen und die große medizinische Bandbreite zeigen, dass die Innovativkraft unserer Branche intakt ist“, betont vfa-Präsident Han Steutel. „Die große Frage lautet aber, ob das deutsche Gesundheitssystem auch in Zukunft in gewohntem Maße davon profitieren kann. Denn das gerade verabschiedete GKV-Finanzstabilisierungsgesetz mit seinen weitgreifenden Rabattforderungen ist nicht gemacht, Hersteller dafür zu gewinnen, neue Medikamente zeitnah auch in Deutschland anzubieten. Von der alten Anziehungskraft für innovative Produkte wird der deutsche Markt viel verlieren.“

Schwerpunkt Pandemie

Ein Schwerpunkt lag laut vfa im Jahr 2022 auf COVID-19. Die Unternehmen haben demnach das therapeutische Repertoire gleich um drei antivirale Medikamente erweitert. Zwei davon basieren auf Antikörpern. Für Schutzimpfungen gegen die Krankheit haben die Pharmahersteller im nun fast vergangenen Jahr drei Impfstoffe herausgebracht (die adaptierten Versionen von schon zuvor zugelassenen mRNA-Impfstoffen nicht mitgezählt). Für Menschen, die auf eine Schutzimpfung nicht ansprechen, war zudem eines der Antikörper-Medikamente prophylaktisch einsetzbar.

So verteilen sich die 2022 eingeführten 49 Medikamente mit neuen Wirkstoffen auf verschiedene Krankheitsgebiete:

  • Krebserkrankungen mit soliden Tumoren: 8
  • Immunologische Erkrankungen wie Autoimmunkrankheiten, angeborene Immundefekte und allergische Erkrankungen: 7
  • Infektionskrankheiten außer COVID-19: 7
  • COVID-19: 6
  • hämatologische Krebserkrankungen: 5
  • Stoffwechselerkrankungen: 3
  • Neurologische Krankheiten ohne Autoimmunkrankheiten: 2
  • Wachstumsstörungen: 2
  • Nierenerkrankungen: 2
  • Blutungskrankheiten: 1
  • Knochen- und Gelenkerkrankungen: 1
  • Augenkrankheiten: 1
  • Sonstige: 4

Ein weiterer Schwerpunkt des Jahres lag auf dem nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom (NSCLC), der häufigsten Form von Lungenkrebs. Dagegen kamen zunächst vier Medikamente auf den Markt. Eines davon wurde jedoch vom Hersteller wieder vom Markt genommen, als dessen Zusatznutzen im AMNOG-Verfahren nicht anerkannt wurde. Zu den häufigen Krankheiten, die von Fortschritten mit Arzneimitteln 2022 adressiert wurden, zählen zudem Asthma, Migräne und atopische Dermatitis. Mehr als ein Drittel der neuen Arzneien aus dem Jahr 2022 adressieren überdies seltene Krankheiten und zählen damit zu den sogenannten Orphan Drugs. Des Weiteren war auch ein Antibiotikum unter den Neueinführungen.

Welche neuen Arzneimittel bringt das Jahr 2023?

Das Jahr 2022 war also erfolgreich für die forschenden Pharmaunternehmen – was bringt ihnen das Jahr 2023? Laut vfa dürften dann mehr als 45 neue Medikamente für Markteinführungen in EU-Ländern in Betracht kommen. Das ergibt sich den Angaben zufolge aus den beantragten oder kürzlich erteilten EU-Zulassungen.

Mehr jedoch als in früheren Jahren sei offen, welche der Mittel auch in Deutschland dauerhaft für die Bevölkerung bereitstehen werden. „Bislang konnten jedes Jahr fast alle neuen Medikamente zeitnah und auf Dauer in die deutsche Versorgung aufgenommen und damit Betroffenen zur Verfügung gestellt werden“, sagt Steutel. „Doch das im Januar in Kraft tretende GKV-Finanzstabilisierungsgesetz mit seinen weitgreifenden Rabattforderungen und Preisvorgaben erschwert das nun.“

Gegen diese Krankheiten könnten 2023 Arzneimittel auf den Markt kommen

Rund ein Drittel der Medikamente, für die 2023 eine Markteinführung in EU-Ländern möglich werden dürfte, richtet sich gegen Krebserkrankungen. Sie gehören zu unterschiedlichen Arzneimittelklassen. Neben Kinase-Hemmern könnten unter anderem mehrere bifunktionale Antikörper eingeführt werden. Sie greifen laut vfa gleich an zwei verschiedenen Stellen in die Krankheitsvorgänge ein und können beispielsweise Immunzellen in die Krebsbekämpfung einbeziehen.

Ein Fünftel der Medikamente mit neuem Wirkstoff, die für Neueinführungen in Betracht kommen, dient der Bekämpfung von Infektionskrankheiten. So könnte es zum Beispiel erstmals möglich werden, allen kleinen Kindern wie auch älteren Menschen einen Schutz vor RSV-Infektionen anzubieten – bislang gibt es das nur für Frühchen und Kinder mit bestimmten Erkrankungen. Neue Impfstoffe könnten auch gegen Grippe und Dengue-Fieber einsetzbar werden. Für HIV-Patienten könnte erstmals ein Medikament zum Einsatz kommen, das nur noch halbjährlich angewendet werden muss. Auch das Repertoire für die COVID-19-Therapie und -Prophylaxe könnte sich noch erweitern.

Mehrere Erbkrankheiten sollen zudem durch Gentherapien behandelbar werden, etwa Hämophilie B, eine besonders seltene Form von Blutgerinnungsstörung. Bislang sind die Betroffenen auf regelmäßige Injektionen oder Infusionen mit dem ihnen fehlenden Gerinnungsfaktor angewiesen. Diese könnten nach einer Gentherapie vollständig oder weitgehend entfallen, schreibt der vfa. Noch für viele andere Patientinnen und Patienten dürften 2023 Medikamente für eine Markteinführung in Betracht kommen, etwa solche mit Diabetes Typ 2, Autoimmunkrankheiten wie Lupus-Nephritis und Psoriasis, Osteoporose, Migräne und Anämie. In einem Jahr werde man sehen, welche davon das deutsche Gesundheitssystem zugänglich gemacht hat.


Christina Grünberg, Apothekerin, Redakteurin DAZ (gbg)
cgruenberg@daz.online


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