Rückblick von DAZ-Redakteurin Christina Grünberg

Meine Themen des Jahres – Dienstleistungen, Streik und Drohanrufe

Berlin - 27.12.2022, 07:00 Uhr

Das Jahr 2022 war zweifelsohne ein bewegtes. (Quellen: IMAGO / YAY Images, Panthermedia, imagebroker | Schelbert / DAZ)

Das Jahr 2022 war zweifelsohne ein bewegtes. (Quellen: IMAGO / YAY Images, Panthermedia, imagebroker | Schelbert / DAZ)


Welche Themen haben die Apothekerinnen und Apotheker besonders beschäftigt? Vier DAZ-Redakteurinnen und -Redakteure präsentieren Ihnen in den kommenden Tagen ihre ganz persönlichen Themen des Jahres. Den Anfang macht Christina Grünberg – es geht um das Sparpaket und den Apothekenstreik, die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen, Drohanrufe im Notdienst, die Präqualifizierung und die Novellierung der Approbationsordnung.

1. Apothekenstreik und das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz

Nach mehr als zehn Jahren ohne Honoraranpassung setzte die Politik bei der Apothekenvergütung den Rotstift an, und das in Zeiten massiver Inflation und explodierender Kosten. Auch wenn die zunächst angedachte Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel letztlich nicht kam – sie hätte die Belastung für die Apotheken nahezu verdoppelt –, sind inzwischen viele Betriebe bundesweit am Limit angekommen.

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Was droht, wenn die Politik so weitermacht und die Apotheken zu Tode spart, demonstrierten die Kolleginnen und Kollegen in Brandenburg, Hamburg, Schleswig-Holstein und dem Saarland am 19. Oktober: Für einen Mittwochnachmittag blieben dort die Offizinen geschlossen. Die Streikbeteiligung lag in allen vier Bundesländern bei mehr als 90 Prozent – ein großer Erfolg für die Initiatoren und wohl Ausdruck der dramatischen Lage, in der sich das Apothekenwesen hierzulande mittlerweile befindet.

Auch wenn der Bundestag die Erhöhung des Kassenabschlags trotz des Protests wie vorgesehen verabschiedete: Zu verstehen ist die Aktion als erfolgreicher Testlauf für die kommenden Monate – denn im Frühjahr droht die große Strukturreform im Gesundheitswesen. Die ABDA will derweil bereits Signale empfangen haben, dass die Apotheken dabei von neuen Sparideen verschont bleiben sollen – stattdessen könnte es ein zweites Apotheken-Stärkungsgesetz geben.

2. Pharmazeutische Dienstleistungen

Es war eine schwere Geburt, doch jetzt sind sie da, die pharmazeutischen Dienstleistungen. Seit die Schiedsstelle im Juni eine Entscheidung fällte, dürfen die Apotheken bundesweit zum Beispiel Medikationsanalysen und Inhalatorschulungen anbieten – vergütet natürlich. Was die Höhe des Honorars betrifft, gehen die Meinungen allerdings weit auseinander: Zu hoch, finden die Krankenkassen und klagen. Zu niedrig, meinen viele Apothekerinnen und Apotheker, die in Zeiten von Inflation, erhöhtem Kassenabschlag und galoppierenden Kosten sehr genau überlegen müssen, ob sie ihre Zeit und ihre Personalkapazitäten für Dienstleistungen aufwenden wollen, die ohne Unternehmerlohn kalkuliert sind.

So sehr das neue Angebot auch das Potenzial hat, die Pharmazeutinnen und Pharmazeutinnen als Heilberufler ins rechte Licht zu rücken und den Nachwuchs wieder in die Offizinen zu locken: In der aktuellen Gemengelage fehlt offenbar vielen die Luft dafür. Zudem ließen zum Start der pDL einige Ärztefunktionäre kein gutes Haar an den Leistungen – die verbale Aggressivität dürfte auf manche Kolleginnen und Kollegen abschreckend gewirkt haben. Im kommenden Jahr gilt es, die mit den neuen Dienstleistungen verbundenen Chancen besser zu nutzen als bisher.

3. Obszöne Anrufe im Notdienst

Beschimpfungen, Bedrohungen, sexuelle Inhalte – unangemessene Anrufe im Notdienst haben überraschend viele Kolleginnen und Kollegen schon einmal erlebt. Die Resonanz auf die DAZ-Berichterstattung war erschütternd: Zu keinem anderen Thema hat die Redaktion in diesem Jahr derart viele Zuschriften bekommen, zumeist mit Schilderungen entsprechender Vorfälle.

Das hat auch die Kammern aufgeschreckt. Gemeinsam stellten Rheinland-Pfalz und Hamburg beim Deutschen Apothekertag in München den Antrag, den Gesetzgeber aufzufordern, das Strafrecht nachzuschärfen, um die Täter zur Rechenschaft ziehen zu können. Denn wenn der Staat wolle, dass die Apotheken die Arzneimittelversorgung 24/7 an 365 Tagen im Jahr gewährleisten, müsse er auch für den Schutz der Approbierten sorgen, so die Argumentation. Mit 85 Prozent der Stimmen nahmen die Delegierten den Antrag an – zu wenig, meint Kammerchef Peter Stahl aus Rheinland-Pfalz. „Was ist mit den anderen? Wie kann man dagegen sein?“, fragt er im DAZ-Interview. Er will jedenfalls nicht lockerlassen und sich weiter dafür stark machen, dass solche Taten unter Strafe gestellt werden, auch wenn er dafür wohl einen langen Atem brauchen wird.

So lange wollte Apothekerin Jessica Weber aus Dormagen nicht warten: Sie hat einen Weg gefunden, sich und ihre Mitarbeiterinnen zu schützen. Im Notdienst eine simple Bandansage vorzuschalten, hat bei ihr große Wirkung gezeigt. Den Bericht finden Sie hier zum Nachlesen.

4. Präqualifizierung

Die Präqualifizierung hat sich zum Paradebeispiel völlig verfehlter und überflüssiger Bürokratie im Apothekenwesen gemausert. Der DAZ hat es nicht mehr gereicht, die Vorschriften zu wälzen: Wir wollten Ihre absurdesten PQ-Geschichten hören. Entstanden ist daraus eine Serie, bei deren Lektüre man aus dem Kopfschütteln nicht mehr herauskommt. Wäre es nicht so bitter, könnte man sicher an der einen oder anderen Stelle lachen – was etwa die behindertengerechte Toilette am Ende einer Wendeltreppe soll, wird wohl ewig das Geheimnis der Präqualifizierungsstelle bleiben.

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Doch das Thema ist leider zu ernst: Solche Schildbürgerstreiche kosten die betroffenen Betriebe viel Geld und Nerven, oft gefährden sie gar die Versorgung der Patientinnen und Patienten mit dringend benötigten Hilfsmitteln. Wenn im kommenden Jahr wie versprochen die große Entrümplung in Sachen Bürokratie ansteht, haben wir da einen ganz heißen Tipp für die Politik …

5. Novellierung der Approbationsordnung

Nachdem sich die ABDA lange dagegen gesträubt hatte, die apothekerliche Approbationsordnung anzufassen, kam die große Wende: Sie lud ein zum Runden Tisch, an dem neben der Bundesapothekerkammer unter anderem auch die Hochschulprofessoren, die Pharmaziestudierenden, die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft, die Krankenhausapotheker, die Apothekengewerkschaft Adexa und weitere Interessenvertretungen Platz nahmen. Ein Ansatz, der Respekt verdient – alle von ihnen anzuhören und letztlich einen gemeinsamen Nenner zu finden, darf wohl als Mammutprojekt bezeichnet werden.

Im Frühjahr wurde dann endlich das Positionspapier zur Novellierung der Approbationsordnung öffentlich – und sodann entbrannte eine leidenschaftliche Diskussion. Denn auch wenn sich viele interessante und durchaus zukunftsgewandte Ideen darin finden, wurde das gemeinsame Papier doch dem Anspruch nicht gerecht, das Studium zu entrümpeln. Deutlich mehr Stoff und ein Extra-Semester – damit gab sich der Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD) nicht zufrieden. Er verweigerte bei seiner Bundesverbandstagung Ende Mai die Zustimmung.

Mit diesem Schritt sorgte der Verband für Irritation, ja gar Verärgerung aufseiten der BAK. Denn das erklärte Ziel, auf das man unverkennbar mit großem Einsatz hingearbeitet hatte, war es gewesen, dem zuständigen Bundesministerium für Gesundheit ein Konzept vorzulegen, hinter dem sich die gesamte Welt der Pharmazie geschlossen versammelt – die fehlende Zustimmung der Studierenden, die am Runden Tisch ihre Bedenken offenbar nicht ausreichend geäußert hatten, brachte diesen Wunsch ins Wanken. Es folgte eine intensive Debatte beim Deutschen Apothekertag, Mitte September in München, bei der die angehenden Apothekerinnen und Apotheker zumindest klarstellten, dass sie zweifelsohne hinter der Novellierung der Approbationsordnung stehen, wenn sie auch am Papier so einiges auszusetzen haben. Seither liegt das Positionspapier im BMG – wann und wie es damit weitergeht, steht in den Sternen.


Christina Grünberg, Apothekerin, Redakteurin DAZ (gbg)
cgruenberg@daz.online


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