Bellartz, Rogalla und Co.

Die ABDA und ihre Pressesprecher

Stuttgart - 06.12.2022, 13:45 Uhr

Das Büro des Pressesprechers im Apothekerhaus wird demnächst frei. Kommunikationschef Reiner Kern streicht die Segel. (Foto: ABDA)

Das Büro des Pressesprechers im Apothekerhaus wird demnächst frei. Kommunikationschef Reiner Kern streicht die Segel. (Foto: ABDA)


Die ABDA sucht mal wieder einen neuen Kommunikationschef. Wie am gestrigen Montag bekannt wurde verlässt der aktuelle Leiter der Stabstelle Kommunikation, Dr. Reiner Kern, die Standesvertretung Ende des Jahres. Wir nehmen dies zum Anlass um zurückzublicken auf seine Vorgänger:innen und deren nicht immer ganz rühmlichen Geschichten. 

Dr. Reiner Kern, Noch-Kommunikationschef der ABDA, geht. Er verlässt laut einer Mitteilung Ende des Jahres die ABDA – auf eigenen Wunsch, um sich neu zu orientieren. Mit seiner Einstellung im Jahr 2014 kehrte Ruhe in die ABDA Pressestelle ein – in jeglicher Hinsicht. Zum einen, weil die ABDA unter seiner Ägide zu vielen Angriffen und Zumutungen gegenüber der Apothekerschaft schwieg. So wollte man sich, um nur ein Beispiel zu nennen, zum vom Bundeswirtschaftsministerium beauftragten 2hm-Gutachten nicht äußern, weil man diesem sonst eine Bedeutung gebe, die es nicht habe. Zum anderen kehrte mit der Berufung Kerns aber auch Ruhe ein, was die Personalie des Pressesprechers betraf.

Denn bei der Besetzung dieser Stelle mit Kerns Vorgänger bekleckerte sich die ABDA wahrlich nicht Ruhm. Das Debakel begann mit dem Rücktritt von Florian Martius, der Anfang 2013 nach nur 15 Monaten im Amt aufgab. Offiziell begründet wurde die Aufgabe des Sprecherpostens mit familiären Gründen. Der Plan, den Familienmittelpunkt von München nach Berlin zu verlegen, sei „leider nicht aufgegangen", hieß es. Zwar sollte Martius dem frisch ins Amt gewählten ABDA-Präsidenten Friedemann Schmidt noch als Berater zur Seite stehen. Von außen war von ihm aber nicht mehr viel wahrzunehmen.

Rücktritt vor Antritt

Die Nachbesetzung der Stelle entwickelte sich zur Schmierenkomödie. Die ging so weit, dass der auserkorene Nachfolger Sven Winkler seinen Job gar nicht erst antrat. Doch was war passiert? Winkler war laut ABDA von einer spezialisierten Personalagentur ausgesucht und aus einer Reihe weiterer Kandidaten „gecastet“ worden. Dr. Sebastian Schmitz, damals wie heute ABDA-Hauptgeschäftsführer, hatte sich den Berichten zufolge für Winkler entschieden, weil er von dessen Kompetenz überzeugt gewesen sei. 

Ende April 2013 war Winkler per Pressemitteilung als neuer Leiter der ABDA-Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit vorgestellt worden. Doch bereits wenige Minuten, nachdem die Personalie bekannt geworden war, meldete sich beim Branchendienst „Apotheke adhoc“ eine Leserin in einem Kommentar zu Wort und warf Winkler Unkorrektheiten im Zusammenhang mit Reisekosten bei seinem vorherigen Arbeitgeber, dem Helmholtz Zentrum in München, vor. 

Weder die ABDA noch Winkler selbst oder der frühere Arbeitgeber konnten oder wollten damals zu den erhobenen Vorwürfen Stellung nehmen. Über seinen Rechtsanwalt forderte Winkler jedoch die Redaktionen von DAZ.online und „Apotheke adhoc“ auf, die Vorwürfe von ihren Internetseiten zu entfernen, da es sich um „üble Nachrede“ handle. Kurz darauf bestätigte das Arbeitsgericht in München, dass Winkler Anfang des Jahres eine Kündigungsschutzklage gegen seine fristlose Kündigung angestrengt hatte, diese aber später wegen eines Vergleichs wieder zurückgezogen habe. 

Am geplanten ersten Arbeitstag, dem 2. Mai, gab die ABDA dann abends bekannt, dass Winkler seinen Job nicht antreten werde. Zwar habe Winkler erläutert, dass die gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht den Tatsachen entsprächen, doch „aufgrund der Meldungen in den Medien und der anschließenden, teilweise sehr negativ geführten Diskussionen in deren Internet-Foren (…) ist nach Einschätzung beider Seiten ein fairer Start bei der ABDA nicht mehr möglich“.

Eine „saublöde“ Geschichte

Der damalige ABDA-Präsident Friedemann Schmidt bezeichnete die Geschehnisse im Nachgang als eine „saublöde“ Geschichte. Er bedauerte, dass man der ABDA die Vorwürfe, die über Winkler verbreitet wurden, nicht auf dem „üblichen vertraulichen Weg“ habe zukommen lassen. „Wir hätten uns dann darum gekümmert“, sagte er. Auch wenn es laut Schmidt niemals mehr als Vorwürfe gewesen seien, sei es nicht gelungen, diese innerhalb kurzer Zeit auszuräumen. Man sei dann innerhalb der ABDA zu der Entscheidung gekommen, dass das Vertrauensverhältnis nicht ausreichend groß sei, um das Arbeitsverhältnis zu Winkler aufrechtzuerhalten.

Rogalla: Einvernehmlich oder doch nicht?

Das war nicht das erste Mal, dass es um die Personalie des Kommunikationschefs Aufregung gab. Auch 2007 bei der Trennung von der damaligen Pressesprecherin Annette Rogalla, die im Jahr 2005 auf den Journalisten Elmar Esser folgte, der die ABDA-Pressestelle seit 1993 geleitet hatte, gab es ein ziemliches Hin und Her. So gab es offenbar schon seit einiger Zeit im Apothekerhaus Meinungsverschiedenheiten über den richtigen Weg einer effektiven Öffentlichkeitsarbeit. 

Ende Mai berichtete die ABDA-Pressestelle dann, dass Rogalla die ABDA verlasse. Wenig später bezeichneten ihre Anwälte, die von der gesammelten Fachpresse zitierten Informationen der ABDA als „frei erfunden“. Rogalla habe weder die ABDA verlassen, noch sich „im gegenseitigen Einvernehmen“ von ihrem Arbeitgeber getrennt. Weitere Merkwürdigkeiten folgten bis hin zu einer einstweiligen Verfügung, die die Berichterstattung über die vermeintliche Trennung untersagen sollte. 

Im Juli verkündete die ABDA dann schließlich, dass zum 31. Dezember 2007 die Zusammenarbeit zwischen der ABDA und Rogalla dann offiziell beendet werden solle. Sie werde ihre Aufgaben als Pressesprecherin und Leiterin der Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit der ABDA ab sofort nicht mehr ausüben. Stattdessen bearbeitete sie bis zu ihrem Ausscheiden Ende des Jahres „Sonderaufgaben“. Was genau passierte, dazu hüllte sich die ABDA in Schweigen. Die Pressemitteilung, die initial über Rogallas Ausscheiden berichtet hatte, war laut DAZ Recherchen aus dem Jahr 2007 aus dem elektronischen Internet-Archiv von abda.de und „Pharmazeutischer Zeitung“ verschwunden.

Thomas Bellartz: Wirtschaftliche Verflechtungen ...

Rogallas Nachfolger wurde Thomas Bellartz, damals Leiter der Hauptstadtredaktion der „Pharmazeutischen Zeitung“ und heutiger Herausgeber des Branchendienstes „Apotheke adhoc“. Ohne Frage brachte er frischen Wind in die Öffentlichkeitsarbeit der ABDA – aber offensichtlich auch eigene Interessen. So sollen laut einem Bericht des Focus während Bellartz‘ Amtszeit zwischen 2007 und 2011 rund 800.000 Euro aus ABDA-Kassen an die vom ehemaligen ABDA-Sprecher Bellartz mitgegründete Agentur El Pato geflossen sein. 

Wörtlich schrieb der Focus damals: „So war Bellartz 2007 mit einem interessanten Angebot in seinen Sprecherjob gelockt worden: Er könne seine Privatgeschäfte mit der von ihm mitgegründeten Kommunikationsagentur El Pato, der Betreiberin von Apotheke adhoc, fortführen. Mehr noch: Mit Zustimmung der ABDA-Spitze schanzte Bellartz dem unter anderem von seiner [damaligen] Frau geführten Online-Portal einen Großauftrag zu. Der Dienst verschickte Faxe und Pressemitteilungen im Namen der Apothekerorganisation – eigentlich die Aufgabe des Pressesprechers. Binnen fünf Jahren flossen auf diese Weise knapp  800.000 Euro von der ABDA an El Pato. Mitte 2011 gingen Verband und Pressechef getrennte Wege. Auch der Deal mit El Pato wurde hinfällig. Erst jetzt fragten sich Kreise innerhalb der ABDA, für welche Leistung Bellartz eigentlich all die Jahre die gewaltigen Honorare eingestrichen hatte. Allein 2011 waren es 200.000 Euro.“ 

Möglicherweise soll das Honorar für solche Dienstleistungen jedoch die Millionengrenze überstiegen haben, berichtete DAZ.online damals. Außerdem sollen in etwa gleichem Umfang Aufträge der ABDA für Kampagnen und Plakataktionen über El Pato gelaufen sein.

Ein im Jahr 2013 vorgelegter Sonderprüfbericht über die wirtschaftlichen Verflechtungen von Bellartz zu El Pato kam zu der Bewertung, dass die Organisations- und Kontrollstrukturen im Berliner Apothekerhaus erhebliche Mängel und Lücken aufweisen. Es gebe keine Richtlinien und Kontrollmechanismen hinsichtlich der Abwicklung von Geschäften mit „nahestehenden Personen“. Der Bericht kam zu dem Urteil: „Verstöße gegen von der ABDA vorgegebene Organisationsrichtlinien konnten mangels Richtlinien nicht festgestellt werden.“ Nach Einschätzung des ehemaligen ABDA-Präsidenten Friedemann Schmidt soll aus diesen Verflechtungen der ABDA jedoch kein wirtschaftlicher Schaden entstanden sein.

... und ein Strafprozesse wegen Spionage

Doch damit war die Causa Bellartz für die ABDA keinesfalls erledigt. Im Gegenteil – das dicke Ende folgte noch. Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelte, weil der Verdacht bestand, dass im Bundesgesundheitsministerium (BMG) Datenspionage betrieben wurde. Verdächtigt wurde neben einem Mitarbeiter eines externen IT-Dienstleisters des BMG ein „Lobbyist aus der Apothekerschaft“ – gemeint war Bellartz, wie sich schnell herausstellte. Er sollte in seiner Zeit als ABDA-Pressesprecher Geld an den IT-Spezialisten gezahlt haben, um an Informationen aus dem Ministerium zu gelangen, zum Beispiel frühe Fassungen von Gesetzentwürfen. Im Prozess kam unter anderem ABDA-Hauptgeschäftsführer Schmitz als Zeuge zu Wort. Die Zusammenarbeit mit El Pato kam zur Sprache. Schmitz räumte ein, dass man das heute nicht mehr so machen würde. 

Bellartz wurde nach einem langen Prozess letztlich vom Berliner Landgericht wegen des Ausspähens von Daten verurteilt. Er legte daraufhin Revision ein. Der Bundesgerichtshof zweifelte zwar nicht an der Strafbarkeit, hatte aber Bedenken, ob wirklich Mittäterschaft oder Anstiftung vorlag. Er verwies die Sache zur erneuten Verhandlung zurück an das Berliner Gericht. Doch dieses entschied dann, das Verfahren einzustellen – unter der Voraussetzung der pünktlichen Zahlung einer Geldsumme, die exakt der zuvor ausgesprochenen Geldstrafe entsprach. 

Kritik: Unter Kern zu wenig sichtbar

Nun ist es also wieder an der Zeit für eine Neubesetzung an der Spitze der ABDA-Kommunikation. Die Trauer über den Weggang von Kern wird sich zumindest in der Apothekerschaft in Grenzen halten. Die ABDA war in seiner Amtszeit in den Augen vieler Kolleg:innen zu wenig sichtbar. Es sei nicht gelungen, vor allem in den Publikumsmedien ausreichend auf die Belange des Berufsstands aufmerksam zu machen, so die Kritik. Vom „Kernproblem“ war gar vereinzelt die Rede. 

Mit einer Amtszeit von acht Jahren befindet sich Kern übrigens auf Rang drei der am längsten im Amt befindlichen ABDA-Pressesprecher. Unangefochtene Nummer eins ist Hans-Dieter Wendt, der 1959 sein Amt antrat und sich sage und schreibe 36 Jahre dort hielt. Vermutlich auch deswegen, weil Öffentlichkeitsarbeit damals in Zeiten, in denen es Apotheken rückblickend gut und sogar sehr gut ging und es noch kein Internet und keine sozialen Netzwerke gab, ein anderes Geschäft war als heute. Sein Nachfolger Elmar Esser kam immerhin noch auf zwölf Jahre im Job. Mal sehen, wie es lang es der oder die nächste schafft. Die Aufgabe ist auf jeden Fall klar: Was die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesvereinigung betrifft, wolle man „agil, mutig und sichtbar sein“, sagte ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening kürzlich bei der Versammlung ihrer Heimat-Kammer in Westfalen-Lippe. Es gibt also viel Luft nach oben.  


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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