Nahrungsergänzung für Frauen

Können NEM und Ernährung bei unerfülltem Kinderwunsch helfen?

Berlin - 24.10.2022, 07:00 Uhr

Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch könnten in der Apotheke nach Mönchspfeffer, Myo-Inositol oder DHEA fragen. (x / Foto: fizkes / AdobeStock)

Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch könnten in der Apotheke nach Mönchspfeffer, Myo-Inositol oder DHEA fragen. (x / Foto: fizkes / AdobeStock)


Wenn es mit dem Schwangerwerden nicht klappt, fragen sich viele Frauen: Sollte ich meinen Lebensstil und meine Ernährung ändern? Und welche „Diät“ ist laut Studien bei Kinderwunsch geeignet? Neben diesen Fragen hat die DAZ drei Nahrungsergänzungsmittel unter die Lupe genommen, die als große „Fruchtbarkeits-Booster“ vermarktet werden. Was gilt es in der Beratung zu Mönchspfeffer, Myo-Inositol und DHEA zu beachten?

Bevor man tief in die Tasche greift und sich im Schlaraffenland der Nahrungsergänzungsmittel (NEM) bedient, sollte man sich im Klaren darüber sein: Kein Supplement der Welt ersetzt eine gesunde Ernährung und wird bei einem ungesunden Lebensstil Wunder bewirken. Frauen kommen mit einer begrenzten Anzahl an Eizellen auf die Welt, die über das Leben hinweg allen möglichen Expositionen (siehe Abbildung unten) standhalten müssen. Das fortgeschrittene Alter gilt als Hauptfaktor für die Verminderung der Eizellqualität, doch ein ungesunder Lebensstil schadet schon frühzeitig dem ganzen Körper und somit auch den Eizellen

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Dabei gibt es nicht die eine „Fertilitätsdiät“ und auch keine ausgewählten Nahrungs(ergänzungs)mittel für eine gesteigerte Fruchtbarkeit. In Beobachtungsstudien wird jedoch vermehrt die mediterrane Diät mit einem geringeren Risiko für ovarielle Funktionsstörungen und Unfruchtbarkeit verbunden. Außerdem sollten Rückstände von Hormonen, Antibiotika, Toxinen und Schwermetallen in Fleisch und Fisch sowie Pestizide auf Obst und Gemüse vermieden werden.

Abbildung von Pauline Krüger nach „Nutrition and Female Fertility: An Interdependent Correlation“, Juni 2019.

Trotz eines gesunden Lebensstils bleibt die Empfängnis ein komplexer Prozess. In den meisten Fällen können Frauen nichts für die zugrundeliegenden Ursachen ihrer Unfruchtbarkeit. Da die Behandlung in einer Kinderwunschklinik kosten- und zeitintensiv ist, versuchen viele Paare vorab oder währenddessen mithilfe von Nahrungsergänzungsmitteln schwanger zu werden.

„Fertility supplements“ – gibt es das und was ist dran? 

Grundsätzlich sollte zwischen Schwangerschaftssupplementen und den „fertility supplements“ unterschieden werden. Erstere enthalten die typischen Nährstoffe wie Jod, Folsäure und Eisen, mit denen eine werdende Mutter schon vor der Schwangerschaft ausreichend für die gesunde Entwicklung des Ungeborenen versorgt sein sollte. Ein Mangel dieser Nährstoffe kann sich zwar negativ auf die Fruchtbarkeit auswirken (in Frauen wie auch in Männern), die zusätzliche Einnahme bei einem angemessenen Nährstoffstatus erhöht aber nicht die Fruchtbarkeit.

In sogenannten fertility supplements, also Nahrungsergänzungsmittel für die Fruchtbarkeit, sind bestimmte Inhaltsstoffe enthalten, von denen man sich erhofft, dass sie direkt, teils über hormonregulierende Wirkung, die Fruchtbarkeit verbessern und die Schwangerschaftsrate erhöhen. Wer sich mit dem Thema schon beschäftigt hat, ist wahrscheinlich über die folgenden drei Nahrungsergänzungsmittel gestolpert.

Mönchspfeffer könnte bei erhöhten Prolaktinwerten helfen

Beim Mönchspfeffer handelt es sich um einen Extrakt aus den körnigen Früchten der Pflanze Vitex agnus-castus. Die Bezeichnung „Mönchspfeffer“ hat ihren Ursprung aus Zeiten des Mittelsalters, als Mönche die Früchte verzehrten, um ihren Sexualtrieb zu dämpfen und ihre Keuschheit zu bewahren. Heutzutage kennen viele Frauen den Mönchspfeffer für die Behandlung von Beschwerden des prämenstruellen Syndroms (PMS) und Zyklusstörungen.

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Die Wirkungsweise des Pflanzenextrakts ist bislang nicht vollständig verstanden. Es wird jedoch vermutet, dass Mönchspfeffer sowohl in Frauen als auch in Männern die Ausschüttung des Hormons Prolaktin hemmt, welches wiederum die Östrogen- und Testosteronspiegel senkt. Im weiblichen Organismus ist Prolaktin üblicherweise nach der Geburt erhöht, um die Milchproduktion zu fördern und gleichzeitig einen erneuten Eisprung zu unterdrücken. 

Ist Prolaktin allerdings auch außerhalb der Stillzeit erhöht, kann dies zu Zyklusstörungen und dem Ausbleiben von Menstruation und Eisprung führen. Aufgrund des letzten Punkts besteht insbesondere bei Frauen mit überschüssigen Prolaktin-Blutwerten die Hoffnung, mit Mönchspfeffer die dadurch beeinträchtigte Fruchtbarkeit zu steigern. Klinische Studien konnten zwar eine Reduktion von Serumprolaktin und PMS-Symptomen in betroffenen prämenopausalen Frauen nachweisen, inwieweit und ob Mönchspfeffer speziell die Fruchtbarkeit und den Schwangerschaftserfolg beeinflusst, wurde bislang jedoch nicht experimentell untersucht.

Vorsicht Wechselwirkungen: „Aufgrund der möglichen dopaminergen und östrogenen Wirkungen von Vitex agnus-castus können Wechselwirkungen mit Dopaminagonisten, Dopamin-Antagonisten, Östrogenen oder Antiöstrogenen nicht ausgeschlossen werden.“ 

(Quelle: Fachinformation von Agnucaston, Stand Juni 2021)

Aufgrund des hormonellen Einflusses ist die Einnahme von Mönchspfeffer für schwangere und stillende Frauen kontraindiziert. 

Myo-Inositol – Hoffnung für Frauen mit PCOS?

Myo-Inositol wird fälschlicherweise oft als Zucker bezeichnet, ist der Definition nach jedoch ein Alkohol, den der menschliche Körper selbst herstellen oder über die Nahrung (vor allem aus Citrusfrüchten) aufnehmen kann. Im Körper tritt Myo-Inositol am häufigsten phosphoryliert als sekundärer Botenstoff (Inositoltrisphosphat, IP3) auf und ermöglicht die zellulären Signalwege zahlreicher Hormone, etwa des Insulins oder des Follikel-stimulierenden Hormons (FSH). 

Myo-Inositol wurde bislang als hochdosiertes Nahrungsergänzungsmittel (NEM) vor allem in Frauen untersucht und eingesetzt, die am Polyzistischen Ovar-Syndrom (PCOS) leiden – einer Stoffwechsel- und Hormonstörung, geprägt von Zysten in den Eierstöcken, hohem Androgenspiegel und Unfruchtbarkeit. Insulinresistenz und Hyperinsulinämie gelten beide als PCOS-verursachend und -fördernd und konnten in betroffenen Frauen durch die Myo-Inositol-Supplementierung reduziert werden.

Ferner gibt es vielversprechende Hinweise aus kleineren Studien, dass in unfruchtbaren Frauen, die aufgrund ihrer PCOS-Erkrankung keinen Eisprung erfuhren, die Behandlung mit Myo-Inositol die Ovulationsrate sowie anschließende Schwangerschaftsrate erhöhen konnte. Es wird vermutet, dass Myo-Inositol die Hormonstörungen infolge des PCOS normalisiert (Testosteron-senkend, FSH- und Progesteron-steigernd) und somit die Chancen auf eine Konzeption und einen positiven Ausgang der Schwangerschaft verbessert. Zudem gilt Myo-Inositol als sehr sicher und verträglich, mit maximal leichten gastrointestinalen Nebenwirkungen bei Dosierungen bis zu 12 g/Tag. 

In den meisten Studien wurde Myo-Inositol zweimal täglich in 2 g und oft in Kombination mit 400 mg Folsäure verabreicht. 

DHEA zur Verjüngung der Eizellen?

Dehydroepiandrosteron (DHEA) wird bei Männern und Frauen in der Nebenniere sowie zu einem kleineren Teil zusätzlich in den weiblichen Ovarien als Prohormon von Testosteron gebildet. Da die DHEA-Produktion mit steigendem Alter abnimmt, wurde DHEA zunehmend für Verjüngungszwecke vermarktet und ist mittlerweile als Doping oder Anti-Aging Mittel bekannt.

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Aufgrund der Anti-Aging-Theorie rückte DHEA auch in das Interesse von Frauen, die, meist aufgrund ihres höheren Alters, eine eingeschränkte „ovarielle Reserve“ oder unzureichende „ovarielle Reaktion“ besitzen und sich daraufhin an eine Kinderwunschklinik wenden. Für diese Patientinnen wurde in Placebo-kontrollierten Studien ein positiver Effekt von DHEA auf die Anzahl gewonnener Eizellen und die Lebendgeburtenrate vermutet. Durch welchen Wirkmechanismus DHEA dies erreicht, ist allerdings noch nicht bekannt. Zudem wiesen viele der Studien methodische Mängel auf, wie eine geringe Probandinnenzahl. 

Aufgrund der androgenen Wirkung sind die unerwünschten Nebenwirkungen von DHEA – wie PCOS, Haarausfall und Akne – nicht zu unterschätzen. Während DHEA in den USA als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich ist, wird es in Deutschland als zulassungspflichtiges Arzneimittel gehandhabt.

Nahrungsergänzungsmittel nicht ohne Indikation einnehmen

Unter dem Strich fällt auf, dass die untersuchten Zielgruppen, in denen die Supplemente eine Wirkung zeigten, sehr spezifische hormonelle und ovarielle Funktionsstörungen aufwiesen, wie Hyperprolaktinämie, PCOS oder eine geringe ovarielle Reserve bzw. Reaktion. Diese Effekte wurden nicht in Frauen ohne derartige Störungen, zum Beispiel in Frauen mit ungeklärter Infertilität, untersucht und nachgewiesen. Insbesondere aufgrund potenzieller Nebenwirkungen sollten diese Supplemente also nicht ohne ärztliche Indikation und Begleitung von jeder Frau eingenommen werden. Auch wenn erste kleinere Studien dieser Supplemente vielversprechende Ergebnisse zeigen, benötigt es größere und aussagekräftigere Interventionsstudien, um sie eindeutig als fruchtbarkeitssteigernd empfehlen zu können.


Pauline Krüger, Ernährungswissenschaftlerin
redaktion@daz.online


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