Statement der Frankfurt Foundation Quality of Medicines

Paxlovid: Laufzeitverlängerung statt Vernichtung

Stuttgart - 11.10.2022, 12:25 Uhr

Laut Professor Henning Blume von der Frankfurt Foundation Quality of Medicines kann die Laufzeit von Paxlovid verlängert werden. (Foto: IMAGO / Christian Grube)

Laut Professor Henning Blume von der Frankfurt Foundation Quality of Medicines kann die Laufzeit von Paxlovid verlängert werden. (Foto: IMAGO / Christian Grube)


Die Bundesregierung hat sich im großen Stil mit dem COVID-19-Arzneimittel Paxlovid bevorratet. Doch vielen Packungen droht die Vernichtung, da ihr Ablaufdatum im Februar 2023 oder sogar noch früher liegt. Die EMA hat sich vor kurzem für eine Verlängerung der Laufzeiten ausgesprochen. Experten der Frankfurt Foundation Quality of Medicines haben nun selbst Stichproben zum aktuellen Gehalt von zwei Chargen am Markt durchgeführt und sehen ebenfalls keine Notwendigkeit, die Packungen zu vernichten.

Die 2019 von Prof. Dr. Henning Blume und seiner Frau Dr. Dagmar Walluf-Blume gegründete Stiftung „Frankfurt Foundation Quality of Medicines“ hat sich, wie der Name verrät, dem Thema Arzneimittelqualität verschrieben. Henning Blume hat sich nun zusammen mit seinen Professoren-Kollegen Werner Weitschies von der Universität Greifswald und Peter Langguth von der Universität Mainz mit Paxlovid beschäftigt. Das Arzneimittel, das bei Risikopatienten schwere Verläufe verhindern soll, wurde von der Bundesregierung beschafft. Die Packungen haben allerdings kurze Laufzeiten. Sie verfallen im Februar 2023 oder sogar früher. Somit droht tausenden Packungen Paxlovid die Vernichtung. Die kurze Laufzeit ist dem beschleunigten Zulassungsverfahren geschuldet, währenddessen nicht ausreichend Zeit für die sonst üblichen Stabilitätsprüfungen blieb. Allerdings wurden die Hersteller im Rahmen der „bedingten“ Zulassung von der EMA verpflichtet, weitere Stabilitätsuntersuchungen durchzuführen – anfangs sogar mit monatlichen Prüfungen. 

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Also Grund genug für die Experten der Frankfurt Foundation Quality of Medicines, sich mit dem Thema zu befassen. Dabei kommen sie zu dem Schluss, dass einer Laufzeitverlängerung der bereits produzierten Chargen und ausgelieferten Packungen nichts entgegensteht – zwischenzeitlich hat auch die EMA diese empfohlen. Somit ist in ihren Augen auch die Vernichtung der an Apotheken oder Arztpraxen bereits ausgelieferten Packungen bei Ablauf der aufgedruckten Haltbarkeit nicht erforderlich. Wie sie zu diesen Erkenntnissen kommen, haben sie in einem Statement, das der DAZ vorliegt, dargelegt. 

Kein „Lex Paxlovid“, sondern übliches Vorgehen

Dass für ein Produkt wie jetzt bei Paxlovid bei der Zulassung zunächst eine kürzere Haltbarkeitsfrist festgelegt wird, die jedoch später durch Befunde aus weiterführenden („Follow-up“) Stabilitätstests entsprechend verlängert werden kann, ist laut Blume, Weitschies und Langguth ein übliches Vorgehen. Paxlovid sei also kein ungewöhnlicher Sonderfall. Es sei nur in das öffentliche Interesse gerückt, es gebe aber keine „Lex Paxlovid“ oder Ähnliches. Die Hersteller von Paxlovid bekamen demnach von der EMA nicht nur auferlegt, Daten aus weiterführenden Stabilitätsuntersuchungen nachzuliefern, sondern sollten zudem weitere Aspekte, z. B. im Hinblick auf mögliche Abbauprodukte untersuchen.

Frage nach Umgang mit dem drohenden Verfall

Die Frankfurt Foundation Quality of Medicines hatte sich nach eigener Aussage bereits im September – also schon im Vorfeld der Bekanntmachung der EMA, die Laufzeit zu verlängern – mit der Frage beschäftigt, wie man adäquat mit dem drohenden Verfall der Packungen umgehen könnte. Zunächst sollte der aktuelle Status der Qualität von Tabletten am Markt analysiert werden. „Dies erschien uns wichtig, da angesichts der bislang nur relativ kurzen Dauer der Stabilitätsuntersuchungen bei der Festlegung der Laufzeit im Zulassungsverfahren zur Sicherheit spezielle Lagerungshinweise angeordnet wurden, nämlich ‚Nicht über 25 °C lagern' sowie ‚Nicht im Kühlschrank lagern oder einfrieren'“, heißt es.  Angesichts des heißen Sommers könnte es eventuell möglich sein, dass diese Temperaturbedingungen nicht in jedem Fall kontinuierlich eingehalten werden konnten.

„Real-life“-Befunde stützen eine Neufestlegung des Verfalldatums 

Mittels einer hoch-sensitiven und -selektiven HPLC-MS/MS-Analyse wurden dann Paxlovid®-Tabletten von zwei verschiedenen Chargen (eine mit Verfalldatum 11/2022 und eine mit Verfalldatum 01/2023) auf den aktuellen Wirkstoffgehalt und eventuelle Abbauprodukte überprüft. Es wurden weder Hinweise auf eine Abnahme des Gehalts an Nirmatrelvir noch auf erhöhte Mengen an Abbauprodukten gefunden. Die Befunde sollen zeitnah im Detail publiziert werden.

In den Augen der Experten unterstützen diese „Real-life“-Befunde eine Neufestlegung des Verfalldatums aufgrund der Follow-up-Stabilitätsuntersuchungen beim Hersteller, die offenbar Grundlage für die EMA-Mitteilung über die Laufzeitverlängerung gewesen sind. Sie sollten auch auf die bereits ausgelieferten Packungen übertragbar sein. Diese müssten dann mit dem aktualisierten Verfalldatum umetikettiert werden, ohne die Chargenbezeichnung zu verändern. Und das nicht nur auf dem Umkarton, sondern auch auf den Blistern. Danach müssten die Packungen wieder so verschlossen werden, dass unbefugtes weiteres Öffnen der Verpackung verhindert bzw. leicht erkennbar wird. Hierzu sollte die Packung mit einem Siegelstreifen gesichert und mit einem entsprechenden Hinweis auf die vorgenommene Änderung versehen werden. Blume, Weitschies und Langgut weisen darauf hin, dass das in der Apothekenroutine einen üblichen Prozess darstellt – im Rahmen der Fertigarzneimittelprüfung.

Das Fazit der Experten lautet daher:


Die von den Behörden angekündigte Verlängerung der Laufzeit von Paxlovid® wird durch die Stichproben-Untersuchungen zum aktuellen Gehalt von zwei Chargen am Markt mit nur noch kurzer Laufzeit gestützt. Wie in anderen Ländern (z.B. USA, Kanada, Australien) praktiziert, sollte einer solchen Laufzeitverlängerung auch bei den bereits produzierten Chargen und ausgelieferten Packungen nichts entgegenstehen. Dafür müssten diese durch entsprechend instruiertes pharmazeutisches Personal umetikettiert werden, womit natürlich ein Aufwand verbunden ist, der entsprechend kompensiert werden müsste. Vor diesem Hintergrund halten wir ein Vernichten der in Deutschland an Apotheken oder Arztpraxen bereits ausgelieferten Packungen bei Ablauf der ausgewiesenen Haltbarkeitsfrist nicht für zwingend erforderlich.

Prof. Dr. Henning Blume, Vorstandsvorsitzender der Frankfurt Foundation Quality of Medicines
 Prof. Dr. Peter Langguth, Universität Mainz
 
Prof. Dr. Werner Weitschies, Universität Greifswald



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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