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Schwere Grippewelle in Australien – wie wird es uns gehen?

Stuttgart - 30.09.2022, 14:59 Uhr

In Australien erkranken besonders viele junge Menschen an Influenza. Was können wir daraus für uns ableiten? (Foto: Marija / AdobeStock)

In Australien erkranken besonders viele junge Menschen an Influenza. Was können wir daraus für uns ableiten? (Foto: Marija / AdobeStock)


Australien berichtet über eine starke Grippewelle – vor allem Kinder und Jugendliche erkranken. Ist das ein Hinweis, wie auch die Grippesaison 2022/23 hierzulande verlaufen wird?

Wenn in Australien Winter ist, schwitzen wir in Europa noch im Sommer und umgekehrt. Das heißt auch: In der Zeit, in der wir uns im Freibad tummelten und die Grippeimpfstoffhersteller für die bevorstehende Influenzasaison 2022/23 auf der Nordhalbkugel eifrig produzierten, abfüllten und verpackten, impften die Australier auf der Südhalbkugel bereits und dokumentierten ihr dortiges Grippegeschehen. Wie lief die Grippewelle Down Under? Lässt sich daraus prognostizieren, was auch uns für ein Grippewinter bevorstehen könnte?

Hohe Grippeaktivität in Australien

In der Tat berichtet Australien 2022 mit über die höchsten Grippefallzahlen seit fünf Jahren: Bis 31. Juli 2022 bestätigte das National Notifiable Diseases Sureveillance System (NNDSS) 212.573 Grippefälle und 246 Todesfälle im Zusammenhang mit Influenza. Seit Beginn der australischen Grippesaison im April 2022 mussten 1.581 Menschen aufgrund von Influenza ins Krankenhaus, 6,5 Prozent derer kamen direkt auf die Intensivstation, erklärt das „Department of Health and Aged Care (DHAC)“, die für Forschung, Finanzierung, Förderung und Regulierung von Gesundheitsthemen zuständige Abteilung der australischen Regierung. 

Quelle: NNDSS

Insgesamt lagen bis Ende Juli 2022 die Fallzahlen der aktuellen Influenzawelle in Australien deutlich über dem Fünf-Jahres-Durchschnitt. Auffallend ist zudem: Die Influenza-Fallzahlen erreichten ungewöhnlich früh – bereits Ende Mai bis Anfang Juni statt im Juli und August – ihren Spitzenwert.

Mit die höchste Grippeaktivität seit fünf Jahren

Um die aktuellen Fallzahlen besser einordnen zu können, hilft ein Vergleich mit früheren Grippesaisons in Australien: Im Vergleichszeitraum 2021 (Stand 1. August 2021) konnte das NNDSS lediglich 435 Grippefälle laborbestätigen, kein Patient war verstorben. 2020 war es bis zum 26. Juli 2020 zu 20.934 laborbestätigten Grippe- und 36 Todesfällen im Zusammenhang mit einer Influenzainfektion gekommen. Nun standen 2020 und 2021 im Zeichen der Corona-Pandemie, das bedeutet: Abstands- und Maskenregeln sowie Kontaktbeschränkungen schränkten sicherlich nicht nur die Ansteckung mit SARS-CoV-2, sondern auch mit Influenzaviren ein. 

Wie sah es also in den australischen Grippesaisons vor COVID-19 aus? In der Tat lassen sich die Grippefallzahlen von 2019 eher mit denen von 2022 vergleichen: Das „Department of Health and Aged Care (DHAC)“ berichtete am 25. Juli 2019 über 247.277 laborbestätigte Grippefälle (2022 waren es 212.573 bis zum 1. August) und 590 Todesfälle. Im Jahr zuvor waren es bis zum 29. Juli 2018 insgesamt 1.534 Grippe- und 29 grippeassoziierten Todesfälle gewesen. Bis 4. August 2017 hatte das DHCA über 58.063 laborbestätigte Influenzafälle berichtet, 43 Menschen waren im Zusammenhang mit einer Grippeinfektion verstorben. Damit überstieg tatsächlich in den letzten fünf Jahren lediglich eine einzige Influenzasaison in Australien fallmäßig das aktuelle Grippegeschehen Downunder.

Influenza A-Viren dominieren

Dem des DHAC zufolge dominieren in Australien in dieser Saison Influenza A-Viren das Grippegeschehen: 82,1 Prozent der laborbestätigten Grippefälle lassen sich auf Influenza A-Viren zurückführen, wobei nur wenige näher typisiert wurden. Bei 0,8 Prozent handelte es sich um Influenza A(H1N1), in 4,7 Prozent der Fälle zeichneten Influenza A(H3N2) für die Infektion verantwortlich. Nur bei 0,1 Prozent der Infektionen ließen sich Influenza B-Viren nachweisen (Stand: 28. August 2022).

Wer erkrankt vor allem?

Laut dem australischen „Department of Health and Aged Care“ trifft die Grippewelle 2022 auf der Südhalbkugel insbesondere Kinder und Jugendliche: Kinder im Alter fünf bis neun Jahren sowie unter 5-Jährige und Jugendliche zwischen zehn und 19 Jahren hätten die höchsten Melderaten.

Wie gut schützt die Grippeimpfung?

Das Robert Koch-Institut (RKI) wertet stets erst am Ende einer Grippesaison endgültig aus, wie gut die verfügbaren Vakzinen vor einer Infektion oder schweren Erkrankungen geschützt haben. Doch auch bereits während der Grippewelle sammelt das RKI Daten zur Wirksamkeit und kann erste Schätzungen abgeben. So verhält es sich auch in Australien: Noch sei es zu früh, um die Übereinstimmung und Wirksamkeit des Impfstoffs für diese Saison zu beurteilen, erklärt das DHAC. Hinweise gibt es aber durchaus: Die meisten der zirkulierenden Viren dürften antigenetisch zu den Impfstoffkomponenten passen. Diese Hoffnung stützt sich auf 2.185 an die WHO Collaboration Centres (WHOCC) eingesandten Proben, von denen 97,4 Prozent der Influenza A(H1N1), 93,9 Prozent der Influenza A(H3N2) und die vier Influenza B/Victoria-Proben antigenetisch mit den Influenzastämmen der Impfstoffe identisch waren.

Von Australien lernen?

Was können wir aus den australischen Erfahrungen lernen – können wir sie überhaupt prognostisch für die bevorstehende Grippewelle auf der Nordhalbkugel nutzen? Das Robert Koch-Institut positioniert sich bei dieser Frage auf Nachfrage der DAZ klar: „Die Influenza-Aktivität kann in verschiedenen Regionen der Welt sehr unterschiedlich verlaufen, und es lässt sich zum Beispiel von einem schweren Verlauf in einem Staat nicht auf einen ähnlichen Verlauf in einem anderen Staat schließen“, erklärt eine Sprecherin des RKI. 

Aber: Man könne für ein Land durchaus Hinweise aus Nachbarländern auf eine bevorstehende Grippesaison gewinnen – womit eine Prognose aufgrund australischer Daten und Zahlen folglich schwierig sein dürfte, da Australien nun nicht gerade der direkte Nachbarstaat zu Deutschland ist. Die RKI-Sprecherin erklärt damit weiter: „Wir können für den Herbst keine Prognose abgeben, ob es eine stärkere oder schwächere Grippewelle geben wird, zumal auch die Zirkulation anderer Viren wie SARS-CoV-2 Einfluss auf die infektiologische Gesamtlage akuter Atemwegsinfektionen haben“. Das RKI werde jedoch die Entwicklung der Grippeaktivität gut beobachten und frühzeitig dazu berichten.


Celine Bichay, Apothekerin, Redakteurin DAZ
redaktion@daz.online


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