Rückwirkender Schiedsstellenbeschluss

Das bekommen Apotheken jetzt für BfArM-Cannabis

Berlin - 27.06.2022, 16:45 Uhr

Die Schiedsstelle hat entschieden, wie Apotheken BfArM-Cannabis zulasten der GKV abrechnen können. (IMAGO / Cavan Images)

Die Schiedsstelle hat entschieden, wie Apotheken BfArM-Cannabis zulasten der GKV abrechnen können. (IMAGO / Cavan Images)


Die für Streitigkeiten zwischen Deutschem Apothekerverband und GKV-Spitzenverband zuständige Schiedsstelle hat erneut einen Beschluss gefasst. Er regelt die Abrechnung von BfArM-Cannabisblüten – und zwar rückwirkend zum 1. Juni 2021. Fest steht nun, dass Apotheken hiefür 4,30 Euro pro Gramm abrechnen können – hinzu kommen Zuschläge von 100 bzw. 90 Prozent. Zudem wurde eine Verwurfsregelung gefunden.

Die Preisbildung für medizinisches Cannabis in Form von getrockneten Blüten, Extrakten oder Dronabinol ist in der Anlage 10 der Hilfstaxe geregelt. Demnach sind für Cannabisblüten aller Sorten im unveränderten Zustand wie auch in Zubereitungen 9,52 Euro pro Gramm abrechnungsfähig. Hinzu kommen gestaffelte Fixzuschläge, die mit steigender Menge sinken.

Seit fast einem Jahr können Apotheken in Deutsch­land angebautes medizinisches Cannabis vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erwerben – und zwar zum Preis von 4,30 pro Gramm. Bereits im April 2021 hatte das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) den DAV und den GKV-Spitzenverband aufgefordert, diese BfArM-Cannabisblüten aufgrund des niedrigeren Herstellerabgabepreises in der Hilfstaxe zu berücksichtigen und eine Preisanpassung zu vereinbaren. Ein Problem dabei: Das BfArM-Cannabis gibt es nur in 50g-Gebinden – und das ausschreibungsbedingt vier Jahre lang. Für viele Apotheken ist das schlicht zu viel und sie müssen damit rechnen, dass Verwurf anfällt.

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Als Übergangslösung bis zu einer Einigung zwischen DAV und GKV-Spitzenverband beziehungsweise einem Schiedsspruch wurde die 18. Ergänzungsvereinbarung zur „Hilfstaxe“ vereinbart – sie besagt, dass die Vertragspartner rückwirkend zum 1. Juni 2021 neue Preise und Abrechnungsregelungen für die BfArM-Sorten vereinbaren. Zudem enthält sie die anzugebenden Sonderkennzeichen. Da auf dem Verhandlungsweg keine Einigung zwischen DAV und GKV-Spitzenverband erzielt werden konnte, hatte der GKV-Spitzenverband im Juli 2021 die gemeinsame Schiedsstelle angerufen. Insgesamt haben vier Schiedsstellenverhandlungen stattgefunden – nun fiel ein Beschluss. Darüber hat die ABDATA die Apothekensoftwarehäuser im Auftrag des Deutschen Apothekerverbands informiert.

Demnach werden für die BfArM-Cannabisblüten drei neue Teile in der Anlage 10 der „Hilfstaxe“ geschaffen. Sie gelten, wie in der Ergänzungsvereinbarung geregelt, rückwirkend zum 1. Juni 2021 und lassen sich inhaltlich wie folgt zusammenfassen:

Die neue Preisbildung im Einzelnen

Teil 2a: Preisbildung für BfArM-Cannabisblüten in unverändertem Zustand

  • Es ist der vom BfArM mitgeteilte Herstellerabgabepreis in Höhe von 4,30 Euro pro Gramm abrechnungsfähig.
  • Der Zuschlag beläuft sich auf 100 Prozent.
  • Es ist das – bereits aus der 18. Ergänzungsvereinbarung bekannte – Sonderkennzeichen 06461423 bei der Abrechnung zu verwenden.

Teil 3a: Preisbildung für BfArM-Cannabisblüten in Zubereitungen

  • Es ist der vom BfArM mitgeteilte Herstellerabgabepreis in Höhe von 4,30 Euro pro Gramm abrechnungsfähig.
  • Der Zuschlag beträgt 90 Prozent.
  • Es ist das – bereits aus der 18. Ergänzungsvereinbarung bekannte – Sonderkennzeichen 06461446 bei der Abrechnung zu verwenden.

Die Regelung zum Verwurf

Teil 7: Abrechnung von vernichteten BfArM-Cannabisblüten

Da BfArM-Cannabisblüten nur in Gebindegrößen von 50 Gramm in den Markt gebracht werden und die Haltbarkeit häufig kürzer als sechs Monate ist, hat die Schiedsstelle eine Regelung zur Abrechnung von vernichteten BfArM-Cannabisblüten festgelegt:

  • Es dürfen 5 bis maximal 45 Gramm vernichtete BfArM-Cannabisblüten eines Gebindes zu 4,30 Euro je Gramm abgerechnet werden. Die Apotheke darf vier solcher Abrechnungen im Kalenderjahr krankenkassenübergreifend vornehmen.
  • Die Abrechnung erfolgt per direkter Rechnungsstellung gegenüber der Krankenkasse, an deren Versicherten die BfArM-Cannabisblüten vor der Vernichtung der betroffenen Packungseinheit zuletzt abgegeben wurden. Die Abrechnung muss spätestens in dem Monat erfolgen, der auf den Monat der Vernichtung folgt. Die Krankenkasse erstattet die Rechnung innerhalb von 30 Tagen nach Rechnungseingang.
  • Folgende Dokumente und Informationen müssen in der Abrechnung enthalten sein:
  1. eine Kopie des Vernichtungsprotokolls,
  2. eine Kopie der mit Ausnahme des Namens des letzten Versicherten anonymisierten zugehörigen BtM-Kartei, unter Ergänzung der Versichertennummer des Versicherten,
  3. das Prüfzertifikat für die vernichteten BfArM-Cannabisblüten inkl. Haltbarkeitsdatum,
  4. der Betäubungsmittelabgabebeleg (Lieferschein) des Lieferanten für die vernichteten BfArM-Cannabisblüten,
  5. das konkrete Rechnungsdatum, wenn die Apotheke in diesem Kalenderjahr eine vernichtete Menge BfArM-Cannabisblüten bereits mit einer anderen Krankenkasse abgerechnet hat.
  • Kann die Krankenkasse, der gegenüber ein Verwurf geltend gemacht wird, gegenüber der betreffenden Apotheke begründet darlegen, dass ihr ein Bezug benötigter Teilmengen von einem anderen Apotheker oder von einem Großhändler für 4,30 Euro möglich gewesen wäre, hat die Apotheke nachzuweisen, dass ihr dies nicht möglich war.

Alle drei Teile haben eine Gültigkeit bis zum 30. Juni 2023 und können danach mit einer Frist von zwei Wochen zum Ende eines Monats gekündigt werden.

Wie es im Schreiben der ABDATA an die Softwarehäuser heißt, ist angesichts der Rückwirkung davon auszugehen, dass die Krankenkassen die bisher mit den Preisen der Anlage 10 Teil 2 und Teil 3 abgerechneten BfArM-Cannabisblüten rückabwickeln werden. Sie weist zudem darauf hin, dass in den Teilen 2a und 3a keine gestaffelten Aufschläge mehr vorgesehen sind. Apotheken, die bereits BfArM-Cannabisblüten abgerechnet haben, sollten daher darauf achten, dass bei größeren Verordnungsmengen pro Rezept der Abrechnungspreis oberhalb dem der Teile 2 und 3 liegen kann. Auch hier greife die Rückwirkung. Ebenso könnten die vernichteten Restmengen rückwirkend geltend gemacht werden.

Bislang ist das Cannabis-Angebot des BfArM begrenzt – weniger als ein Viertel des Gesamtmarktes kommt aus deutschem Anbau. Der Rest ist weiterhin importiertes – und deutlich teureres – Cannabis. Dieses kann allerdings in kleineren Gebinden von den Apotheken gekauft werden.

Die Apotheker hatten sich eigentlich eine deutlich höhere Vergütung für die ersten abgegebenen Gramm des BfArM-Cannabis gewünscht – und dafür eine starke Absenkung bei den letzten abgegebenen Gramm der 50 Gramm-Gebinde. Das haben sie nicht bekommen. Dafür müssen die Krankenkassen nun die Verwurfsregelung hinnehmen.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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