PARP-Inhibitor in der Drittlininenbehandlung

EMA prüft Rubraca-Studie – vorerst keine neue Therapie beginnen

Stuttgart - 03.05.2022, 13:45 Uhr

Der PARP-Inhibitor Rucaparib kommt bei Ovarial-, Eileiter- oder Peritonealkarzinom zum Einsatz. (s / Foto: IMAGO / Science Photo Library)

Der PARP-Inhibitor Rucaparib kommt bei Ovarial-, Eileiter- oder Peritonealkarzinom zum Einsatz. (s / Foto: IMAGO / Science Photo Library)


Wie die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) und das BfArM informieren, sollen vorerst Patientinnen, deren Krebs eine BRCA-Mutation aufweist und nach einer platinhaltigen Chemotherapie zurückgekehrt ist – und die diese Arzneimittel nicht mehr einnehmen können –, keine Behandlung mit dem PARP-Inhibitor-Präparat Rubraca beginnen. Denn der Wirkstoff Rucaparib zeigte sich in einer Studie weniger wirksam als eine Chemotherapie. Die Erhaltungstherapie nach einer Chemotherapie mit Rucaparib bleibe davon allerdings unberührt.

Im Jahr 2019 vor der Corona-Pandemie gab der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) wie jedes Jahr einen Ausblick, welche Arzneimittel neu auf den Markt kommen würden. Zu den Schwerpunkten zählten onkologische Therapien und Antibiotika. Unter den Hoffnungsträgern war auch der neue Wirkstoff Rucaparib (Rubraca®) gegen Eierstockkrebs.

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Seit März 2019 ist Rubraca® in der Lauer-Taxe gelistet. Doch jetzt hat die Europäische Arzneimittelbehörde EMA eine Überprüfung eingeleitet, wie die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) vergangene Woche berichtete. Grund sind vorläufige Ergebnisse aus der laufenden Phase-III-Studie ARIEL 4. Diese wurde im Rahmen der Zulassung durch die EMA beauflagt, um die Sicherheit und Wirksamkeit des Arzneimittels zu bestätigen und soll nun darauf hindeuten, dass die Gesamtüberlebenszeit bei Patient:innen –„wenn es zur Behandlung von rezidiviertem, hochgradigen epithelialem Eierstock-, Eileiter- oder primären Bauchfellkrebs mit einer genetischen Mutation (BReastCAncer-Mutation, Abk. BRCA-Mutation) eingesetzt wurde“ – kürzer war als bei Patient:innen, die eine Chemotherapie erhielten.

Während der laufenden Prüfung der Studienergebnisse durch die EMA sollen Ärzt:innen jetzt bei Patient:innen mit platinsensitivem, rezidivierendem oder progredientem, BRCA-mutiertem, hochgradigem epithelialem Eierstock-, Eileiter- oder primärem Bauchfellkrebs – die mit zwei oder mehr vorherigen Chemotherapien auf Platinbasis behandelt wurden und eine weitere Chemotherapie auf Platinbasis nicht vertragen – keine Behandlung mit Rubraca® mehr beginnen. Die Anwendung von Rubraca® als Erhaltungstherapie nach einer Chemotherapie bleibt davon aber unberührt. In der Wirksamkeitspopulation der ARIEL4-Studie sei außerdem für den primären Endpunkt des vom Prüfarzt beurteilten progressionsfreien Überlebens (invPFS) ein Unterschied zugunsten von Rubraca® festgestellt worden, mit einem berichteten medianen invPFS von 7,4 Monaten für die Rubraca®-Gruppe im Vergleich zu 5,7 Monaten für die Chemotherapie-Gruppe (HR=0,639; p=0,0010), heißt es.

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Rucaparib ist ein sogenannter Poly(ADPRibose)-Polymerase(PARP)-Enzym-Inhibitor. Er hemmt laut Fachinformation PARP-1, PARP-2 und PARP-3, die bei der DNA-Reparatur eine Rolle spielen. „Im Rahmen der Erhaltungstherapie nach einer erfolgten Chemotherapie verhindern PARP-Inhibitoren, dass Tumorzellen die gewollten DNA-Schäden reparieren, die im Rahmen der Chemotherapie durch Zytostatika ausgelöst wurden.“ (DAZ 23/2019) Denn „sobald eine beschädigte DNA erkannt wird, bindet das Enzym PARP an diese und beginnt damit, PAR-Ketten (Poly-ADP-Ribose) an die beschädigte DNA zu kleben. Diese ‚Zucker-Markierung‘ dient DNA-reparierenden Enzymen dazu, beschädigte DNA zu erkennen und mit der Reparatur zu beginnen“, erklärte Dr. Werner Haussmann 2019 in der DAZ (*damals in der Position des Chefapothekers der Zentralapotheke des Zentrums für Psychiatrie Südwürttemberg, Bad Schussenried).

Aus- und Rückblick

2015 wurde mit Olaparib (Lynparza™) in den USA erstmalig ein PARP-Inhibitor zugelassen. Niraparib (Zejula®) war 2017 der erste PARP-Inhibitor in der EU. Tatsächlich werden die PARP-Inhibitoren nicht nur in der Onkologie eingesetzt und erforscht: In-vitro- und In-vivo-Untersuchungen sollen zeigen, dass PARP-1-Inhibitoren eine Schlüsselrolle in der Entwicklung des Morbus Parkinson spielen könnten.

Wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) jetzt erklärt, wird die EMA alle verfügbaren Informationen über die Anwendung von Rubraca® als Drittlinienbehandlung auswerten. Dann werde sie empfehlen, ob die Genehmigung für das Inverkehrbringen von Rubraca® in der EU aufrechterhalten oder geändert werden sollte. Außerdem heißt es, dass alle Angehörigen der Heilberufe, die das Arzneimittel voraussichtlich verschreiben werden, ein Schreiben erhalten, in dem sie über die Zwischenergebnisse der Studie und die aktuellen Behandlungsempfehlungen informiert werden.

*Dieser Artikel wurde am 30.08.2022 um 11:37 Uhr korrigiert. In der ursprünglichen Version hieß es, dass Dr. Werner Haussmann Chefapotheker der Zentralapotheke des Zentrums für Psychiatrie Südwürttemberg in Bad Schussenried ist. Das stimmt jedoch nicht mehr: Leitende Apothekerin am ZfP Südwürttemberg ist mittlerweile Frau Eva Kolwe.


Deutsche Apotheker Zeitung / dm
redaktion@daz.online


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