Oberlandesgericht Frankfurt

OTC-Gratismuster an Apotheken können zulässig sein

Berlin - 10.03.2022, 16:45 Uhr

Eine Probetube Schmerzgel, mit der Apotheker:innen die Konsistenz und den Geruch des Produkts kennenlernen können, ist nach dem Urteil des OLG Frankfurt wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden. (Foto: Natali / AdobeStock)

Eine Probetube Schmerzgel, mit der Apotheker:innen die Konsistenz und den Geruch des Produkts kennenlernen können, ist nach dem Urteil des OLG Frankfurt wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden. (Foto: Natali / AdobeStock)


Das Arzneimittelgesetz bestimmt, an wen Pharmaunternehmen Arzneimittelmuster abgeben dürfen – Apotheker:innen nennt es dabei nicht. Aber ist deshalb wirklich jedes Muster tabu? Nach einem langjährigen Rechtsstreit, der über den Bundesgerichtshof und den Europäischen Gerichtshof führte, entschied jetzt das OLG Frankfurt: Einzelne OTC-Packungen von geringem Wert, zumal mit dem Aufdruck „zu Demonstrationszwecken“, sind als kostenloses Muster zulässig. 

Im Sommer 2013 bemerkte die Firma Novartis, die seinerzeit das Voltaren Schmerzgel vertrieben hat, dass Außendienstmitarbeiter:innen ihres Wettbewerbers Ratiopharm 100 g-Packungen des Diclo-ratiopharm-Schmerzgels an Apotheken abgaben – und zwar kostenlos. Die Packungen waren mit der Aufschrift „zu Demonstrationszwecken“ versehen. Das hielt Novartis für unzulässig, weil § 47 Abs. 3 Arzneimittelgesetz (AMG) die kostenlose Abgabe von Arzneimittelmustern an Apotheker:innen nicht gestatte. Tatsächlich sind diese hier nicht ausdrücklich als potenzielle Empfänger von Gratismustern genannt – anders als etwa Ärzt:innen und  Zahnärzt:innen. Neben dem Verstoß gegen das Arzneimittelrecht sah Novartis auch einen solchen gegen das Heilmittelwerberecht.

Novartis ging zunächst im Eilverfahren und dann im Hauptsacheverfahren gegen Ratiopharm vor. Zunächst mit Erfolg – auch beim Oberlandesgericht Frankfurt. Ratiopharm wurde das Vorgehen untersagt, da ein wettbewerbsrechtlich unlauterer Verstoß gegen § 47 Abs. 3 AMG vorliege. Dann war jedoch der Bundesgerichtshof am Zug. Und der rief den Europäischen Gerichtshof (EuGH) an. Die Karlsruher Richter:innen wollten von ihren Luxemburger Kolleg:innen wissen, ob denn der Gemeinschaftskodex die Abgabe kostenloser Arzneimittelmuster an Apotheker:innen erlaube – und falls ja, ob er dann den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumt, diese Abgabe zu verbieten.

Im Jahr 2020 entschied der EuGH: Zwar lasse auch der Gemeinschaftskodex nur Muster an Ärzte und Ärztinnen zu. Aber die besagte EU-Richtlinie stehe einer nationalen Regelung, die Gratismuster an Apotheken erlaubt, damit diese sich mit neuen Präparaten vertraut machen können, nicht entgegen. Anders sehe es nur bei Rx-Arzneimitteln aus.  

Sodann landete sich Sache erneut vor dem Bundesgerichtshof. Und der entschied im Dezember 2020, den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Zwar hob er das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt auf, weil sich dieses „weder mit der gegebenen Begründung noch aus anderen Gründen als richtig“ erweise. Allerdings seien noch Feststellungen zu treffen, um die Sache spruchreif zu machen. Das Oberlandesgericht musste sich noch mit einem etwaigen Verstoß gegen das Zugabeverbot in § 7 Heilmittelwerbegesetz (HWG) auseinandersetzen.

Dies ist nun geschehen – und Novartis hat nach all den Jahren vor diversen Gerichten das Nachsehen. 



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

Endlich !

von Dr. Ralf Schabik am 10.03.2022 um 22:33 Uhr

ENDLICH kann dieses Possenspiel jetzt ad acta gelegt werden !!! Schon der gute alte Galen hatte gefordert, dass der Heilberufler alles, was er empfiehlt, aus eigener Erfahrung kennen müsse. Lächerlich, was Novartis da abgezogen hat !!! Musste uns jetzt wirklich ein Gericht bestätigen, dass wir gekennzeichnete und eventuell sogar geöffnete Packungen NICHT an Kunden abgeben ? Herr, schmeiß' Hirn. Kannst auch Backsteine nehmen. Aber triff !

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