Stellungnahme der Gesellschaft für Virologie

Egal, ob zuerst geimpft oder genesen – Hauptsache drei Antigenkontakte

Stuttgart - 15.02.2022, 16:45 Uhr

Gilt bald 2G, aber mal drei? (Foto: MB.Photostock / AdobeStock)

Gilt bald 2G, aber mal drei? (Foto: MB.Photostock / AdobeStock)


Ein Großteil der Komplikationen bezüglich COVID-19-Impf- und Genesenstatus bei der Zertifikate-Ausstellung in der Apotheke rührt daher, dass aktuell unterschieden wird, ob jemand seine Immunität zuerst durch eine Impfung oder eine durchgemachte Infektion erworben hat. Die Gesellschaft für Virologie schlägt nun vor, deutschlandweit eine pragmatische Regelung anzuwenden, in deren Zentrum drei Antigenkontakte – mit dem richtigen Abstand – stehen.

Geimpft und genesen ist nicht dasselbe wie genesen und geimpft. Und zweimal geimpft und danach genesen ist, je nachdem, wo man sich befindet, wie geboostert, anderswo aber nicht. Laut einer aktuellen Mitteilung der Gesellschaft für Virologie sollte Letzteres überall so sein: Unter der Berücksichtigung der Datenlage bis zum 10. Februar „schlägt die Gesellschaft für Virologie vor, deutschlandweit eine pragmatische Regelung anzuwenden, die Personen mit drei Antigenkontakten, unabhängig von der Art der Antigenkontakte (Impfung oder Infektion), gleichsetzt“, heißt es. Wie aus der Mitteilung auch hervorgeht, wird das bereits zum Beispiel in Hamburg und Bayern praktiziert. Dort würden Personen mit drei Antigenkontakten bei der Anwendung der 2Gplus-Regel weitgehend von einem Testnachweis befreit. Allerdings heiße das auch, dass Personen, die nur genesen oder nur zweifach geimpft sind, nicht Personen mit drei Antigenkontakten gleichgestellt werden können.

Zum Hintergrund heißt es in der Mitteilung der Virologen, dass in verschiedenen Veröffentlichungen gezeigt wurde, dass das Serum von Personen, die nicht geimpft sind und eine Infektion mit SARS-CoV-2 (nicht Omikron) durchlaufen haben, eine niedrige, mitunter nicht mehr nachweisbare neutralisierende Aktivität gegen die Omikronvariante aufweist. Auf der anderen Seite sollen Seren von Personen, die eine Kombination aus Infektion und Impfung durchlaufen haben, oder von geimpften Personen, die eine Auffrischungsimpfung erhalten haben, eine bessere neutralisierende Antikörperantwort gegen die Omikronvariante aufweisen. Entsprechende Studien können in der Mitteilung anhand der Quellenangaben nachvollzogen werden.

Der Schutz vor schweren COVID-19-Verläufen hängt bekanntlich nicht ausschließlich von neutralisierenden Antikörpern ab. Erste Publikationen sollen laut der Mitteilung zudem darauf hindeuten, dass im Gegensatz zur Antikörperantwort die T-Zell-Antwort bei Genesenen wie auch bei vollständig Geimpften bei einer Infektion mit der Omikronvariante weiterhin wirksam ist.

Neuste Publikationen sollen nun außerdem zeigen, dass für die Entstehung von SARS-CoV-2-spezifischen Antikörpern mit hoher Neutralisationsfähigkeit und in ausreichender Menge die Anzahl der Antigenkontakte entscheidend ist. Die Studien sollen zeigen, dass sich nach drei Antigenkontakten qualitativ hochwertige Antikörper gegen das SARS-CoV-2 Virus entwickeln, die auch in der Lage sind, die Omikronvariante zumindest teilweise zu neutralisieren. 

Auf einem Presse-Briefing des Science Media Centers, über das die DAZ im Januar berichtet hat, erklärte Prof. Dr. Ulrike Protzer, Direktorin des Instituts für Virologie an der Technischen Universität München (TUM) und am Helmholtz Zentrum München, was unter qualitativ hochwertigen Antikörpern zu verstehen ist: Antikörper könnten locker an die Oberfläche eines Antigens binden oder ganz fest. Man spreche dabei von „Avidität“. „Und diese erhöhte Avidität, die sieht man wirklich eben nach dem dritten Kontakt mit diesem Antigen“, sagte Protzer. Zudem erklärte das Paul-Ehrlich-Institut kürzlich in einer Veröffentlichung, dass die Avidität mit der Antikörperreifung und der Bildung eines Immungedächtnisses korreliert.

Wie nun die Gesellschaft für Virologie betont, soll all dies unabhängig von den unterschiedlichen Konstellationen der drei Antigenkontakte gelten – dreifach geimpft, zweifach geimpft und genesen oder genesen und zweifach geimpft. Jedoch gibt es vor allem eine Einschränkung.

Der Abstand zwischen den Antigenkontakten ist wichtig

Zwischen zwei Antigenkontakten muss jeweils ein Zeitabstand von mehreren Wochen liegen, erklärt die Gesellschaft für Virologie. Denn Genesene, die zwei Impfungen im Abstand von nur drei Wochen erhalten, sollen durch die zweite Impfung keine Steigerung der Antikörperantwort im Vergleich zur ersten Impfung zeigen. Sich „einfach“ mehrfach zu infizieren, ist offensichtlich auch keine Lösung. Auch, weil laut der Gesellschaft für Virologie aktuell keine Aussage darüber getroffen werden kann, wie lange ein Schutz mehrfach Infizierter ohne Impfung besteht. Die Datenlage zeige, dass Genesene (nicht Omikron) ohne vorherige oder nachfolgende Impfung eine nur niedrige, mitunter nicht mehr nachweisbare Antikörperantwort gegen die Omikronvariante entwickelten, und auch der Schutz vor Infektion mit der Omikronvariante sei deutlich reduziert im Vergleich zur Infektion mit der Deltavariante. „Aus diesem Grund ist für diese Personen mindestens eine Auffrischimpfung zu empfehlen“, heißt es. Jedoch sei aktuell unklar, wie lange und in welchem Umfang der Schutz bei Genesenen mit nur einer Impfung (2 Antigenkontakte) besteht.


Deutsche Apotheker Zeitung / dm
redaktion@daz.online


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