Umfrage

Jeder Dritte substituiert Vitamine – BfR warnt vor Überdosierung

Berlin - 11.02.2022, 07:00 Uhr

Wer ohne Indikation zu hochdosierten Produkten greift, riskiert negative gesundheitliche Folgen, warnt BfR-Präsident Hensel. (Foto: IMAGO / CTK Photo)

Wer ohne Indikation zu hochdosierten Produkten greift, riskiert negative gesundheitliche Folgen, warnt BfR-Präsident Hensel. (Foto: IMAGO / CTK Photo)


Ein Drittel der Bevölkerung nimmt regelmäßig Vitaminpräparate ein. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Bundesinstituts für Risikobewertung. Dessen Präsident warnt: Wer ohne Indikation zu hochdosierten Produkten greift, riskiert negative gesundheitliche Folgen.

Ob Tabletten, Kapseln oder Flüssigkeiten – der Markt für Vitaminpräparate wächst stetig. Das Ergebnis einer aktuellen Befragung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) zeigt: Ein Drittel der Bevölkerung nimmt mindestens einmal pro Woche Vitamine über Nahrungsergänzungsmittel zu sich, jede sechste Person sogar täglich. Bei einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Ernährung erhalte der Körper jedoch fast alle Vitamine in ausreichenden Mengen, betont das BfR in einer Pressemitteilung vom gestrigen Donnerstag. „Nahrungsergänzungsmittel sind für die meisten Menschen verzichtbar“, sagt BfR-Präsident Professor Andreas Hensel. „Wer hoch dosierte Vitamine einnimmt, ohne dass es nötig ist, riskiert eine Überversorgung und damit unerwünschte Auswirkungen auf die Gesundheit.“

Der BfR-Verbrauchermonitor

Der BfR-Verbrauchermonitor ist eine seit dem Jahr 2014 regelmäßig durchgeführte, laut BfR repräsentative Bevölkerungsbefragung. Dazu werden etwa 1.000 Personen, die in Privathaushalten in Deutschland leben, im Auftrag des BfR telefonisch interviewt.

Besonders beliebt sind den Umfrageergebnissen zufolge Vitamin D, Vitamin B12, Vitamin C und Multivitaminpräparate. „Am häufigsten nennen die Befragten als möglichen gesundheitlichen Nutzen spontan den Ausgleich eines Mangels“, schreibt das BfR. „Allerdings: Aus wissenschaftlicher Sicht kommt bei gesunden Menschen, die sich ausgewogen und abwechslungsreich ernähren, eine unzureichende Aufnahme von Vitaminen und eine dadurch bedingte Unterversorgung nur sehr selten vor.“ Nur in bestimmten Fällen werde die Einnahme von Vitaminen über Nahrungsergänzungsmittel ausdrücklich empfohlen. Das betrifft beispielsweise Folsäure in der frühen Schwangerschaft.

Erhoffte positive Effekte und mögliche gesundheitliche Risiken durch Vitamine in Nahrungsergänzungsmitteln nehmen die Befragten laut BfR unterschiedlich wahr – je nachdem, ob sie entsprechende Produkte einnehmen oder nicht. „Etwa die Hälfte der Konsumierenden, aber nur etwa jeder zehnte Nicht-Konsumierende, sieht einen hohen gesundheitlichen Nutzen in der Einnahme“, heißt es. Als Risiko für die Gesundheit nennen die Befragten den Angaben zufolge vor allem eine mögliche Überdosierung: Unter den Nicht-Konsumierenden stufen knapp 60 Prozent die Wahrscheinlichkeit einer Überversorgung bei täglicher Einnahme von Vitaminen über Nahrungsergänzungsmittel als hoch ein. Bei den Konsumierenden ist der Anteil mit 42 Prozent geringer.

Nahrungsergänzungsmittel zählen hierzulande zu den Lebensmitteln und dürfen daher die Gesundheit nicht gefährden, unterstreicht das Institut. Die Verantwortung dafür liege grundsätzlich bei den Lebensmittelunternehmen. „Nahrungsergänzungsmittel durchlaufen kein behördliches Zulassungsverfahren, in dem die gesundheitliche Unbedenklichkeit nachgewiesen werden muss.“ Welche Vitamine einem Nahrungsergänzungsmittel zugesetzt werden dürfen, regelt in Deutschland die nationale Verordnung über Nahrungsergänzungsmittel (NemV), erläutert das BfR weiter. „Sie enthält allerdings keine rechtlich verbindlichen Höchstmengen für den Zusatz von Vitaminen.“ Eigene Empfehlungen für solche Höchstmengen veröffentlicht das BfR auf seiner Website.


Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Aktuelle Situation „inakzeptabel“

Verbraucherzentrale will strengere Regeln für NEM

Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln

Bundesregierung soll sich für Höchstmengenregelung auf EU-Ebene einsetzen

BfR-Höchstmengenempfehlungen (Teil 1)

Nahrungsergänzungsmittel: Welche, wann und für wen? 

Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung

Vitamin D plus Vitamin K – was Apotheker wissen sollten

BfR-Höchstmengenempfehlungen (Teil 2)

Nahrungsergänzungsmittel: Welche, wann und für wen? (2)

Aktualisierte Höchstmengenvorschläge in Nahrungsergänzungsmitteln

Wie viel Magnesium darf es sein?

6 Kommentare

Vitamine

von Bodo Matthes am 11.02.2022 um 16:06 Uhr

Klassische Pharmaunternehmen empfinden das zunehmende Angebot von Nahrungsergänzungsmittel als Konkurenz. Entsprechend werden Medizinerschulungen gesponsert wo Stimmung gegen Vitaminsubstitution gemacht wird. Für Raucher wäre das ganz schädlich u.s.w. . Bezahlte Wissenschaftsjournalisten werden aktiviert, Lobbyisten in Marsch gesetzt. Der Tenor dieser Verlautbarungen ist immer derselbe. Alles unnötig bei ausgewogener Ernährung etc., fast jeder Beitrag enthält aber immer eine Aussnahme. Eine Substanz sei aber doch sinnvoll und notwendig.: Folsäure bei Schwangeren, Selen gegen Herzinfarkt, Magnesium bei Sportlern, Vitamin C bei Infektanfälligen, Vitamin B12 bei Veganern, Koenzym Q10 bei dem und Zink bei jenem. Summiert man all diese Ausnahmen ist die Liste der "Guten" wieder vollständig. Wer regelmäßig ambitioniert Sport treibt und anschließend in der Sauna viele Elekrolyte ausschwitzt muss substituieren, sonst wird er durch Mangel krank. Das ist doch logisch!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Sehr schlechter Artikel

von Enrico Kimmig am 11.02.2022 um 13:59 Uhr

Gemäß Artikel scheint das Risiko von Nahrungsergänzungsmitteln höher zu sein als der Nutzen. Klar, wer sich täglich die 10-fache Tagesdosis ein wirft kann durchaus was falsch machen. Eine sachgemäße Ergänzung ist jedoch häufig sinnvoll.

Die allgemeine Frage die man sich stellen muss: Möchte man eine optimale Gesundheit anstreben oder nur schlimme Krankheiten vermeiden/behandeln? Ich ziehe ersteres vor.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Jeder Dritte substutuiert

von Scheerer am 11.02.2022 um 12:19 Uhr

In der Präambel der DGE steht: "Wer sich ausgewogen ernährt...."
Das ist eine Einschränkung , die auf einen Grossteil der Bevölkerung zutrifft.
Junge übergewichtige Fastfood Esser, Berufstätige, die in Kantinen "totgekochtes Essen " serviert bekommen, Senioren , die in Alten- und Pflegeheimen, wie im Fall Augsburg, durch Profit orientierte Betreiber, eine
unterkalorische und vitaminreduzierte Kost vorgesetzt bekommen, Mensen in Kindergärten, Schulen, Hochschulen und Universitäten müssen mit Zuschüssen auskommen, die keine ausreichende Versorgung mit vitaminreicher Kost gewähren. Die Presse wiederholt gebetsmühlenartig die Präambel der DGE, weil es einfach ist etwas abzuschreiben ,als nvestigativ zu recherchiieren und verweist aber nicht auf die gravierende Einschränkung in der Präambel der DGE.
Scheerer. Apotheker a.D.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Vitamin D Mangel

von Dr. Lars Kleining am 11.02.2022 um 11:49 Uhr

Das BfR scheint sich seiner Verantwortung nicht bewusst zu sein. Die Menschen, die so etwas vom BfR lesen, denken doch, dass sie keine Vitaminsubstitution durchführen müssen, diese sogar gefährlich sein kann. Wie in anderen Kommentaren erwähnt gibt es in Deutschland im Winter, ja sogar im Sommer einen erheblichen Vitamin D Mangel in der Bevölkerung. Babys bekommen standardmäßig Vitamin D substituiert. Ganz schwach BfR!

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Gesunde Ernährung

von Christof Weck am 11.02.2022 um 10:58 Uhr

Ich kann dieses "wer sich ausgewogen und abwechlungsreich ernährt..." nicht mehr hören. Wer macht das denn bzw. wer hat die Zeit und kann sich das leisten?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Vitamin D-Mangel

von Bodo Brochterbeck am 11.02.2022 um 7:48 Uhr

13% der europäischen Bevölkerung haben einen (ausgeprägten) Vitamin D-Mangel (1), das ist nicht unbedingt "sehr selten".
Am J Clin Nutr
. 2016 Apr;103(4):1033-44. doi: 10.3945/ajcn.115.120873

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.