Dopingfall

Dünnes Eis bei Olympia durch Trimetazidin

Stuttgart - 11.02.2022, 10:45 Uhr

Die russische Eiskunstläuferin Kamila Walijewa wurde positiv auf Trimetazidin getestet. (Foto: IMAGO / ITAR-TASS)

Die russische Eiskunstläuferin Kamila Walijewa wurde positiv auf Trimetazidin getestet. (Foto: IMAGO / ITAR-TASS)


Die Olympischen Spiele in Peking haben ihren ersten Dopingfall (für alle, die sie bewusst ausblenden: ja, die laufen noch). Erwischt wurde die russische Eiskunstläuferin Kamila Walijewa. Bei ihr wurde Trimetazidin nachgewiesen, das seit 2014 auf der Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada steht. Doch was ist das eigentlich für eine Substanz?

Trimetazidin wird als Zusatztherapie zur symptomatischen Behandlung von stabiler Angina pectoris eingesetzt bei Patienten, die durch eine antianginöse First-Line-Therapie nicht ausreichend eingestellt sind oder diese nicht vertragen. Es ist beispielsweise in Österreich unter dem Handelsnamen Vastarel® erhältlich. Man nimmt an, dass es vor Myokardischämie schützt, indem es die Geschwindigkeit des Glucoseabbaus erhöht. Es wird daher als „metabolic Agent“ bezeichnet. Laut Amino-Datenbank der Landesapothekerkammer Hessen besteht hinsichtlich der anti-ischämischen Effekte ein großer Unterschied zu den sonst im Notfall eingesetzten Stoffen wie Glyceroltrinitrat (reine Gefäß-Effekte). Am ehesten vergleichbar sei der Wirkstoff mit Ranolazin (Ranexa®), welches zur Ergänzungstherapie bei Angina pectoris zugelassen ist, in der Leitlinie aber nicht erwähnt werde.

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Die antiischämische Wirkung beruht darauf, dass Trimetazidin eine Langketten-3-ketoacyl-CoA-Thiolase hemmt. Dadurch wird die Fettsäureverwertung verringert und, um das auszugleichen, der Glucoseverbrauch in den Zellen erhöht. Eine hohe Fettsäureverwertung im Herzen soll sich durch Natrium- und Kalzium-Überladung, die bei Ischämie ohnehin schon besteht, negativ auf die Durchblutung auswirken. Außerdem soll durch die Hemmung des Enzyms, wenn eine Ischämie vorliegt, ein zellschützender Effekt erreicht werden, und zwar auch in tieferen Gewebeschichten, wie in Muskelzellen.

2012 Indikationsbeschränkung

Die EMA hatte den Wirkstoff 2012 unter die Lupe genommen. Die Initiative dafür kam aus Frankreich. Die dortige Arzneimittelbehörde sah aufgrund methodischer Schwächen in den Studien die Wirksamkeit nicht ausreichend belegt. Außerdem gab es Sicherheitsbedenken, nachdem über Parkinson-Symptome und Restless-Legs nach der Einnahme berichtet worden war und diese Beschwerden sich nach Absetzen gebessert hatten. Die EMA war dann in ihrem Review zu dem Schluss gekommen, dass beim Einsatz gegen Angina pectoris der Nutzen die Risiken überwiegt. Der sollte jedoch auf die Patienten beschränkt werden, die mit anderen Arzneimitteln ihre Angina pectoris nicht ausreichend kontrolliert bekommen oder andere Wirkstoffe nicht vertragen.

In der Vergangenheit wurde Trimetazidin auch zur Behandlung von Drehschwindel und Tinnitus sowie zur Behandlung von vaskulär bedingter Sehschwäche und Gesichtsfeldstörungen eingesetzt. In dieser Indikation kam die EMA zu dem Schluss, dass der Nutzen nicht mehr größer ist als die Risiken und das Anwendungsgebiet entsprechend eingeschränkt werden soll.

Seit 2014 im Sport verboten

Seit Januar 2014 wird Trimetazidin bei der Welt-Doping-Agentur WADA als verbotene Substanz gelistet. Nun hat es für den ersten Dopingfall bei den Olympischen Spielen in Peking gesorgt – bei der russischen Eiskunstläuferin und Medaillenhoffnung Kamila Walijewa. Neben Trimetazidin selbst können im Urin die Metaboliten wie desmethyliertes Trimetazidin und das entsprechende Sulfokonjugat, Oxo-Trimetazidin und Trimetazidin-N-Oxid nachgewiesen werden. Es wird vor allem im Ausdauer- und Kraftsport angewendet. Wie andere Stoffwechsel-Modulatoren soll Trimetazidin die Energie- und Sauerstoffversorgung der Muskelzellen auch bei intensivem Training gewährleisten und so den Aufbau von Muskelmasse unterstützen. Es gehört wie Meldonium, ein ebenfalls zu Dopingzwecken missbrauchtes Herzmittel, zur Gruppe S4 „Hormone und metabolische Modulatoren“.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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