Notfallzulassung in den USA beantragt

Ensovibep gegen COVID-19 – besser als Antikörper?

Stuttgart - 10.02.2022, 15:15 Uhr

Novartis hat in den USA eine Notfallzulassung für Ensovibep beantragt, ein Bindeprotein, das eine Antikörperwirkung imitiert und bei COVID-19 helfen soll. (Foto: IMAGO / IP3press)

Novartis hat in den USA eine Notfallzulassung für Ensovibep beantragt, ein Bindeprotein, das eine Antikörperwirkung imitiert und bei COVID-19 helfen soll. (Foto: IMAGO / IP3press)


Kennen Sie die Designed-Ankyrin-Repeat-Protein-Technologie, kurz DARPin? Sie könnte ähnlich vielversprechend wie die mRNA-Technologie im Impfstoffbereich sein. Für einen Wirkstoff auf Basis jener Technologie hat Novartis in den USA jetzt eine Notfallzulassung beantragt. Es handelt sich um Ensovibep von Molecular Partners – ein Bindeprotein, das eine Antikörperwirkung nachahmt. Was ist für die Behandlung von COVID-19 zu erwarten?

Wie bereits in der DAZ 5 / 2022 zu lesen war, haben die Firmen Molecular Partners und Novartis vor kurzem bekannt gegeben, dass die Phase-IIa-Studie EMPATHY zur Wirkung ihres Arzneistoffes Ensovibep (MP0420) erfolgreich abgeschlossen wurde. Darin wurde die Behandlung nicht-hospitalisierter COVID-19-Patienten untersucht. Jetzt meldet die Nachrichtenagentur dpa, dass die beiden Firmen in den USA bereits die Notfallzulassung beantragt haben. Darf man sich nun Hoffnung machen, bald ein weiteres Arzneimittel im Kampf gegen COVID-19 zur Verfügung zu haben?

Dieser Frage ist Prof. Dr. Gerd Bendas, Apotheker und Professor für Pharmazeutische Chemie an der Universität Bonn, in der DAZ nachgegangen.

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Wie Bendas deutlich machte, soll Ensovibep wie ein Antikörper agieren, ist aber keiner: Es handelt sich um „ein modular aufgebautes, rekombinant hergestelltes Protein, welches drei verschiedene Domänen zur Bindung an das virale Spike-Protein aufweist und somit die zelluläre Adhäsion und Internalisierung von SARS-CoV-2 in die Wirtszellen unterdrückt“ (DARPin 1, 2 und 3). Man spricht von einem Designed Ankyrin Repeat Protein (DARPin). In diesem Protein sind sogenannte Ankyrin-Repeat-Motive linear aneinandergereiht. „Diese Motive, die den Namen vom Zytoskelett-bindenden Protein Ankyrin erhielten, sind im natürlichen Proteinaufbau häufig zu finden und dienen mit ihrer aus 33 Aminosäuren aufgebauten konservierten Struktur (zwei α-Helices und ein β-Turn) als Bindungsverstärker“, erklärt Bendas. Die Hoffnung: So ein „nahezu unendliches Spektrum an Targetaktivitäten“ entwickeln zu können. Die Schweizer Biotech-Firma Molecular Partners soll die Entwicklung solcher Proteine vorangetrieben haben und für verschiedene klinische Entwicklungen Allianzen mit großen Pharma-Unternehmen eingegangen sein. Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet, hatte sich Novartis erst vor wenigen Wochen, nach guten Studien-Ergebnissen, dazu entschieden, den Kandidaten von Molecular Partners einzulizenzieren. Der Antrag für die US-Notfallzulassung stützt sich laut Molecular Partners auf die Gesamtheit der Daten aus klinischen und präklinischen Studien.

Doch warum DARPins und nicht Antikörper? Wie Bendas erklärt, verfügen sie über ein deutlich geringeres Molekulargewicht. Das führt gemeinsam mit ihrem einfachen modularen Aufbau zu einer größeren physikalischen Stabilität. „DARPins denaturieren ihre Struktur erst bei Temperaturen über 60 °C“, so Bendas. Zudem können sie deutlich einfacher und schneller als Antikörper hergestellt werden. Viel wichtiger aber: Sie könnten die Kombinationen von Antikörpern oder „Antikörpercocktails“ überflüssig machen. Denn: „Die Auswahlmöglichkeiten der Bindedomänen aus Strukturbibliotheken und die funktionellen Selektionsmechanismen über beispielsweise Phagen-Displays erscheinen im Licht des einfachen Strukturaufbaus und der Kombinierbarkeit der Repeats unendlich groß“, heißt es. Man könne so nicht nur eine hohe Affinität erzielen, sondern auch besser die Effektivität bei mutagenen Veränderungen im Zielprotein aufrechterhalten. In-vitro-Studien sollen zeigen, dass Ensovibep über eine gleichartige Bindungsaffinität an alle bisher dominierenden Varianten des SARS-CoV-2, inklusive der Omikron-Variante, verfügt.

Die neue Technologie kann also ähnlich hoffnungsvoll stimmen, wie die mRNA-Technologie bei Impfstoffen. Eine Erfolgsgarantie haben aber natürlich beide Technologien nicht. Mehr dazu, und zu den Ergebnissen der EMPATHY-Studie, können sie in der DAZ 5 / 2022 nachlesen.


Prof. Dr. Gerd Bendas, Professor für Pharmazeutische Chemie an der Universität Bonn
redaktion@daz.online


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