Qualitätskontrolle in der Pharmazie

Fälschungen teurer Teesorten mit „elektronischer Nase“ erkennen?

Stuttgart - 18.01.2022, 07:00 Uhr

Die Geruchszellen, die beim Menschen Informationen über elektrische Impulse ans Gehirn geben, haben Forscher:innen durch insgesamt zwölf spezielle Sensoren ersetzt. Diese bestehen aus zwei Elektroden mit einem Quarzkristall. (Foto: Amadeus Bramsiepe, KIT)

Die Geruchszellen, die beim Menschen Informationen über elektrische Impulse ans Gehirn geben, haben Forscher:innen durch insgesamt zwölf spezielle Sensoren ersetzt. Diese bestehen aus zwei Elektroden mit einem Quarzkristall. (Foto: Amadeus Bramsiepe, KIT)


Ist das Riechen eine Fähigkeit, die nur Lebewesen besitzen oder könnten uns hierbei künftig Maschinen unterstützen? Um speziell die Duftstoffe der Minze schnell und objektiv zu unterscheiden, haben Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in einer interdisziplinären Zusammenarbeit eine elektronische Nase entwickelt: Sie soll sich für Anwendungen von der pharmazeutischen Qualitätskontrolle bis hin zur Beobachtung von Minzöl als umweltfreundlichem Bioherbizid eignen.

Bei der Unterscheidung bestimmter Pflanzen soll künftig eine „elektronische Nase“ helfen. Diese könnte dann zum Beispiel Fälschungen teurer Teesorten entlarven, sagte Christof Wöll vom Institut für Funktionale Grenzflächen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Auch ein Aufsatz für Smartphones sei denkbar, sodass man bei der Suche nach Pflanzen in der Natur den richtigen Riecher dabei habe. „Das Mobiltelefon dient dann als Rechenzentrum.“ Als weitere mögliche Anwendungen nennen die Forschenden medizinische Diagnostik und die Qualitätskontrolle in der Pharmazie.

Duftstoffe sollen sich auf der Oberfläche von zwölf speziellen Sensoren aus je zwei Elektroden mit einem Quarzkristall ablagern. Dadurch ändere sich deren sogenannte Resonanzfrequenz; aus den Daten entstehe eine Art Fingerabdruck des jeweiligen Duftes. Die Materialien für die Sensoren wurden den Angaben zufolge unter anderem am KIT entwickelt und sind hochporös, sodass sie wie ein Schwamm viele Moleküle aufnehmen können. Eine Kombination unterschiedlicher Materialien bilde quasi ein neuronales Netzwerk.

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Im Vergleich dazu habe die menschliche Nase rund 350 verschiedene Rezeptortypen, sagte Professor Wöll. Damit könne man theoretisch etwa 100.000 verschiedene Gerüche unterscheiden. Hunden gelinge das bei rund einer Million Gerüchen, sagte der Physiker. „Unser Ziel ist es, den Menschen zu schlagen und an den Hund ranzukommen.“

Trainiert haben die Wissenschaftler die „elektronische Nase“ mit Methoden des maschinellen Lernens und sechs verschiedenen Minzarten, darunter klassische Pfefferminze, Pferdeminze und Katzenminze. Als Nächstes könnte vielleicht mit Trüffeln trainiert werden, sagte Wöll.

Derzeit denken die Entwickler seinen Angaben zufolge über die Gründung einer Firma nach, die konkrete Geräte für die Anwendung entwickelt. Hier seien auch Ingenieure gefragt. Letztlich seien etwa die angedachten Ergänzungen für Mobiltelefone für wenige Euro produzierbar – und damit deutlich günstiger und tragbarer als zum Beispiel große Anlagen für die sogenannte Massenspektrometrie.

Schon seit Jahrzehnten werden „elektronische Nasen“ gebaut und unter anderem bei der Lebensmittelherstellung und in der Industrie eingesetzt. Auch KIT arbeitet schon länger daran, solche Geruchssensoren möglichst massen- und alltagstauglich zu machen.


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