Unbeugsam und unabhängig

STIKO-Vize Wicker verteidigt Arbeitsweise der Impfkommission

22.12.2021, 13:45 Uhr

Prof. Sabine Wicker ist Betriebsärztin des Universitätsklinikums Frankfurt! am Main und Mitglied der Ständigen Impfkommission am Robert Koch Institut,(Foto: picture alliance/dpa/dpa pool | Andreas Arnold)

Prof. Sabine Wicker ist Betriebsärztin des Universitätsklinikums Frankfurt! am Main und Mitglied der Ständigen Impfkommission am Robert Koch Institut,(Foto: picture alliance/dpa/dpa pool | Andreas Arnold)


Die Ständige Impfkommission (STIKO) steht im Zuge der Coronavirus-Pandemie in der Kritik, insbesondere wegen ihrer von vielen als zu langsam empfundenen Arbeitsweise. Die stellvertretende Vorsitzende des Gremiums, Professor Sabine Wicker, wies bei einer vom House of Pharma & Healthcare und der Stiftung Arzneimittelsicherheit Beatrix und Dr. Franz Stadler organisierten Online-Veranstaltung kürzlich alle erhobenen Vorwürfe zurück – lediglich bei der Kommunikation räumt sie Nachholbedarf ein.

Wie schnell man als Gremium, das wissenschaftlichen Kriterien verpflichtet ist, sowohl zum Prügelknaben der Politik und mancher Leitmedien dieses Landes als auch zum Ziel von Bedrohungen und Beschimpfungen sogenannter Impfgegner werden kann, das musste die Ständige Impfkommission (STIKO) im Verlauf dieses Jahres immer wieder aufs Neue erfahren.

Als umso wohltuender habe sie den Titel „Die Unbeugsamen“ empfunden, mit dem die „Zeit“ im August 2021 einen ausführlichen Beitrag über die Arbeit der STIKO überschrieben hatte, sagte deren stellvertretende Vorsitzende, Professor Sabine Wicker, in einem Online-Vortrag im Rahmen der vom House of Pharma & Healthcare und der Stiftung Arzneimittelsicherheit Beatrix und Dr. Franz Stadler organisierten Veranstaltungsreihe zum Thema Impfstoffsicherheit. Denn die STIKO, das stellte Wicker in ihrem Vortrag klar, beugt sich weder dem Druck der Politik noch dem der Straße, sondern lasse sich in ihren Empfehlungen und deren eventuell notwendigen Anpassungen allein von sorgfältig geprüfter medizinischer Evidenz leiten. Die Kommission hat allerdings, das gestand Wicker ein, stellenweise Nachholbedarf in Sachen professioneller Kommunikation.

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Besonderer Beliebtheit erfreute sich bei Politikern und Journalisten in den vergangenen Monaten die Feststellung, die STIKO-Mitglieder arbeiteten ja im Gegensatz etwa zu den Beschäftigten der Zulassungsbehörden nur ehrenamtlich. Die damit verbundene Suggestion, bei der STIKO handele es sich um „eine Art Laienspielgruppe“, konterte Wicker mit dem Hinweis darauf, dass deren derzeit 18 Mitglieder hervorragend ausgewiesene Fachärzte aus zehn verschiedenen Disziplinen seien.

Die STIKO bestehe aus Experten, die tatsächlich Ahnung vom Impfen hätten, und auf dieser Expertise aufbauend rationale, faktenbasierte Ratschläge erarbeiteten, die den medizinischen Standard für Impfungen definierten. Das tun sie gemäß Paragraf 20, Absatz 2 des „Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen“, kurz Infektionsschutzgesetz genannt. Darin heißt es: „Beim Robert Koch-Institut wird eine Ständige Impfkommission eingerichtet (…) Die Kommission gibt Empfehlungen zur Durchführung von Schutzimpfungen und zur Durchführung anderer Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe übertragbarer Krankheiten und entwickelt Kriterien zur Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion und einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung.“

Diesen Auftrag erfüllte die STIKO von dem Augenblick an, in dem die Verfügbarkeit von COVID-19-Impfungen absehbar war. Am 9. November 2021 gab sie gemeinsam mit dem Deutschen Ethikrat und der Leopoldina eine Empfehlung zur Priorisierung der initial knappen Impfstoffe ab. Deren schönster Satz sei ihrer Ansicht nach: „Solidarbereite Personen zeigen Verantwortung gegenüber stark gefährdeten Personen und stellen dafür den eigenen Anspruch auf ihren raschen Gesundheitsschutz – zumindest zeitweilig – zurück.“ Wenn sie sich die langen Schlangen von Menschen anschaue, die derzeit für eine Booster-Impfung anstünden, dann gelte dieser Satz bis heute, sagte Wicker. Denn es komme nicht nur darauf an, so viele Menschen wie möglich zu impfen, sondern auch darauf, zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Menschen.

Zehn Tage vor dem 27. Dezember 2020, an dem in Deutschland erstmals der Biontech/Pfizer-Impfstoff verabreicht wurde, veröffentlichte die STIKO ihre erste Empfehlung zur COVID-19-Impfung. Diese Empfehlung hat sie seither 15-mal aktualisiert, zuletzt Ende November für die Booster-Impfung von Erwachsenen und Mitte Dezember für die Impfung von fünf- bis elfjährigen Kindern. Um ihre Empfehlungen auf der Grundlage der jeweils neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse und der besten verfügbaren Evidenz zu erarbeiten, folgt die STIKO einer Standard Operating Procedure (SOP) zur Nutzen-Risiko-Bewertung. „Dabei betrachten wir auch das Risiko, das dadurch entsteht, nicht geimpft zu werden.“



Dr. Franz Stadler
redaktion@daz.online


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