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Booster nach vier Wochen – NRW rudert zurück

Berlin - 15.12.2021, 09:30 Uhr

Professor Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, hält nichts vom Boostern nach nur vier Wochen. (Foto: IMAGO / teutopress)

Professor Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, hält nichts vom Boostern nach nur vier Wochen. (Foto: IMAGO / teutopress)


Der Vorstoß des Gesundheitsministeriums in Nordrhein-Westfalen, Booster-Impfungen schon vier Wochen nach Abschluss der Grundimmunisierung möglich zu machen, wurde in der Fachwelt kritisch aufgenommen. Jetzt schränkt NRW die frühen Booster-Impfungen wieder massiv ein. 

Update von 11:55 Uhr: 

Nach massiver Kritik schränkt die NRW-Landesregierung die Möglichkeit von Booster-Impfung nur vier Wochen nach der letzten Spritze wieder stark ein. Das meldet die Nachrichtenagentur dpa. Bei einer Auffrischimpfung gegen COVID-19 solle „im Regelfall“ ein Abstand von mindestens fünf Monaten zur Grundimmunisierung eingehalten werden, teilte das Gesundheitsministerium am Mittwoch mit. Der Mindestabstand von vier Wochen sei in „Einzelfallentscheidungen aufgrund einer medizinischen Indikation“ weiterhin möglich. Ein entsprechender Erlass sei an die Kreise und kreisfreien Städte verschickt worden.

Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hatte noch am Tag zuvor bekräftigt, dass Booster-Impfungen in NRW grundsätzlich nach vier Wochen möglich seien. Experten hatten diesen Alleingang Nordrhein-Westfalens massiv kritisiert.

Denn eine Booster-Impfung schon nach vier Wochen ergibt aus Sicht von Immunologen wenig Sinn. Vier Wochen nach der Zweitimpfung seien bestimmte immunologische Prozesse noch nicht abgeschlossen. Der Booster wirke dann viel schlechter.

„Die Politik hat hier zwei Dinge vermischt, die nicht vermischt werden dürfen“, sagte Professor Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, der Deutschen Presse-Agentur. Das eine sei die Empfehlung der Ständigen Impfkommission, manche Menschen schon nach vier Wochen zu boostern. „Das bezieht sich aber nur auf Menschen mit geschwächtem Immunsystem, die auf die ersten beiden Impfungen nicht oder kaum reagiert haben“, erklärte der Immunologe. „Mit der dritten Impfung wird deren Immunität nicht geboostert – ich muss sie erst einmal herstellen.“

Bei allen anderen soll mit der dritten Impfung eine Verstärkung der Immunität erreicht werden, sagte Watzl. „Dafür müssen bestimmte Prozesse erst abgeschlossen sein.“ Es müssten sich ausreichend antikörperproduzierende Plasmazellen und T-Zellen gebildet haben, manche müssten in Gedächtniszellen umgewandelt werden, andere ins Knochenmark wandern. „Das sind Prozesse, die nach vier Wochen noch nicht abgeschlossen sind.“

Aus immunologischer Sicht seien vier Monate Abstand zur Grundimmunisierung das Minimum, sagte Watzl. „Wenn ich dann ein drittes Mal impfe, hat der Körper die Zellen, die am besten auf den Erreger zugeschnitten sind, bereits ausgebildet – und die möchte ich noch mal verstärken. Damit ist die Immunität viel besser, als wenn ich nach vier Wochen erneut impfe.“ Die Entscheidung sei vermutlich aus Angst vor Omikron gefallen, sagte Watzl, hält das aber „für nicht zielführend. Was zielführender wäre, wäre jetzt noch mal die Rate der Erst- und Zweitimpfungen zu steigern.“

Falk: Booster nach vier Wochen ist zu früh

Auch die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Professor Christine Falk, hält eine Verkürzung für falsch. „Aus immunologischer Sicht sind vier Wochen Abstand zu der dritten Impfung zu früh“, sagte Falk der Deutschen Presse-Agentur. Das Immunsystem sei dann noch mit der Reifung zugange. „Dabei werden vor allem die Antikörper noch einmal verbessert – wie bei der Reifung eines guten Weins.“

Eine zu frühe dritte Impfung störe den Reifungsprozess eher, als dass sie ihn unterstütze. Außerdem seien die Antikörperspiegel nach vier Wochen auf dem höchsten Niveau – „daher bringt eine dritte Impfung zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht so viel“, sagte Falk. Es sei besser, die Ressourcen dafür einzusetzen, um Menschen zu boostern, deren Zweitimpfung mehr als sechs Monate zurückliege oder für Risikogruppen.



Deutsche Apotheker Zeitung / dm
redaktion@daz.online


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