Nasales Ipratropiumbromid

Ein Nasenspray gegen laufende Nase – bald rezeptfrei?

Stuttgart - 12.11.2021, 17:50 Uhr

In vielen Ländern, wie beispielsweise Österreich, heißt Otriven „Otrivin“. (s / Screenshot: www.otrivin-schnupfen.at / DAZ.online, 09.11.2021)

In vielen Ländern, wie beispielsweise Österreich, heißt Otriven „Otrivin“. (s / Screenshot: www.otrivin-schnupfen.at / DAZ.online, 09.11.2021)


„Otriven Duo“ enthält als Nasenspray die beiden Wirkstoffe Xylometazolin und Ipratropiumbromid – und es ist verschreibungspflichtig. Das soll es aber wohl nicht bleiben. Der Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht will im Januar darüber beraten. Wäre eine Entlassung aus der Verschreibungspflicht sinnvoll?

Hinter abschwellenden Nasensprays mit Namenszusätzen wie „plus“ oder „duo“ verbergen sich gewöhnlich apothekenpflichtige Kombinationen aus Xylometazolin und Dexpanthenol. Nicht so bei „Otriven Duo“, das erst seit März 2021 in der Lauer-Taxe gelistet ist. Es ist verschreibungspflichtig und enthält neben Xylometazolin auch Ipratropiumbromid. Doch was nützt Ipratropiumbromid in Nasensprays?  

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Das altbekannte „Otriven gegen Schnupfen 0,1 % Dosierspray ohne Konservierungsstoffe“ enthält wie die meisten abschwellenden Nasensprays nur Xylometazolin als Wirkstoff. Indiziert ist es laut Fachinformation (Stand Mai 2021) „zur Abschwellung der Nasenschleimhaut bei Schnupfen, anfallsweise auftretendem Fließschnupfen (Rhinitis vasomotorica)“ und bei allergischem Schnupfen (Rhinitis allergica). Außerdem kann es „zur Erleichterung des Sekretabflusses bei Entzündung der Nasennebenhöhlen sowie bei Katarrh des Tubenmittelohrs in Verbindung mit Schnupfen“ angewendet werden. Damit ist die Liste der Anwendungsgebiete deutlich länger als in der Fachinformation von „Otriven Duo mit Xylometazolin und Ipratropium“ (Stand Januar 2019). Dort steht lediglich der Satz: „Symptomatische Behandlung von Nasenschleimhautanschwellung und Rhinorrhoe im Zusammenhang mit Schnupfen.“

Warum also sollten Ärzte und Ärztinnen ein rezeptpflichtiges Nasenspray verordnen, das auf den ersten Blick keinen Vorteil zu herkömmlichen nicht verschreibungspflichtigen abschwellenden Nasensprays aus der Apotheke bietet? Zumal laut Arzneimitte-Richtlinie  „verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Anwendung bei Erkältungskrankheiten“, darunter auch „Rhinologika in fixer Kombination mit gefäßaktiven Stoffen“, zu denen Otriven Duo zweifelsohne zählt, von der Verordnung zulasten der GKV ausgeschlossen sind. Das heißt Patienten müssen die Kosten im Normalfall ohnehin selbst tragen.

Hemmung der Nasensekretion über cholinerge Rezeptoren

Der Hersteller will das offenbar ändern: Der Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht hat sich nun für seine 85. Sitzung am 25. Januar 2022 eine „Zubereitung aus Xylometazolin und Ipratropiumbromid“ auf die Tagesordnung gesetzt. Der „Antrag auf Entlassung aus der Verschreibungspflicht zur intranasalen Anwendung“ soll dann diskutiert werden.

Dass Xylometazolin als Sympathomimetikum vasokonstriktorisch und damit abschwellend auf die Nasenschleimhaut wirkt, muss man Apotheker:innen nicht erklären. Das Parasympatholytikum Ipratropium hingegen ist ein Atropin-Derivat und eher aus Inhalatoren zur Therapie von COPD oder Asthma bekannt. Dort wirkt es als Anticholinergikum antagonistisch an muskarinischen Acetylcholin-Rezeptoren, wodurch die Bronchialmuskulatur erschlafft. In der Fachinformation von „Otriven Duo“ heißt es, dass das Anticholinergikum bei nasaler Anwendung „die Nasensekretion durch kompetitive Hemmung der cholinergen Rezeptoren, die im Epithel der Nase angesiedelt sind“ reduziert – also gegen Rhinorrhoe, eine laufende Nase, wirkt.

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Was „Schniefnasen“ (vielleicht) hilft

Im November 2018 nahm das British Medical Journal (BMJ)  die Evidenz zu gängigen OTC-Erkältungspräparaten in einer interaktiven Tabelle unter die Lupe. Demnach ist, wer nur an einer verstopften Nase leidet, mit klassischen abschwellenden Nasensprays am besten beraten. Läuft die Nase zusätzlich, könnten Kombinationen aus Antihistaminikum + Analgetikum + Dekongestivum helfen (mit unbekanntem Nutzen-Risiko-Verhältnis). Wer vor allem vom Niesen geplagt wird, scheint mit einem guten Nutzen-Risiko-Verhältnis auf Kombinationen aus Antihistaminikum + Dekongestivum zurückgreifen zu können. Und: Wie die klassische Indikation bei Heuschnupfen schon vermuten lässt, können sedierende Antihistaminika bei laufender Nase und Niesen helfen. Außerdem gab es schon 2018 laut Lauer-Taxe in Ländern wie Frankreich und den USA auch nasales Ipratropiumbromid als Monopräparat. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis wurde vom BMJ jedoch als erhöht angegeben, weil es keine Daten dazu gibt, hieß es. Und so fanden sich auch Kombinationen aus Dekongestivum + Ipratropiumbromid in der BMJ-Liste der Mittel, die wahrscheinlich keinen oder einen ungeklärten Effekt haben. Man darf also gespannt sein, ob der Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht im Januar einen Anlass sieht, „Otriven Duo“ aus der Verschreibungspflicht zu entlassen. In Großbritannien zum Beispiel ist „Otrivine Extra Dual Relief“ als apothekenpflichtiges Arzneimittel erhältlich. 


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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