Überstundenzuschläge vor dem EuGH

Diskriminierte Teilzeitkräfte?

Berlin - 05.11.2021, 13:45 Uhr

Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hat den Europäischen Gerichtshof angerufen. Es geht um eine mögliche Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten. (c / Foto: BAG)

Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hat den Europäischen Gerichtshof angerufen. Es geht um eine mögliche Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten. (c / Foto: BAG)


Es gibt Tarifverträge, die einen Überstundenzuschlag erst dann vorsehen, wenn die regelmäßige Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten überschritten ist. Dazu gehört auch der Bundesrahmentarifvertrag für Apothekenmitarbeiter. Aber ist es nicht diskriminierend, wenn Teilzeitkräfte, die Überstunden leisten, die unter der Schwelle der Vollzeit-Arbeitszeit bleiben, dieser Zuschlag verwehrt ist? Möglicherweise auch im Sinne einer Geschlechterdiskriminierung, weil Frauen häufiger in Teilzeit beschäftigt sind? Diese Fragen hat das Bundesarbeitsgericht jetzt dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt.

Eine Frau, die bei einem bundesweit tätigen ambulanten Dialyseanbieter als Pflegekraft in Teilzeit angestellt ist, kämpft sich durch die Instanzen der Arbeitsgerichte – und wird nun auch den Europäischen Gerichtshof beschäftigen. Was ist der Anlass und worum geht es ihr?

Die Arbeitszeit der Klägerin beträgt 40 Prozent der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer Vollzeitkraft. Für sie einschlägig ist ein Manteltarifvertrag, der vorsieht, dass es für Überstunden einen Zuschlag von 30 Prozent gibt – sofern diese Überstunden über die kalendermonatliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinaus geleistet werden und im jeweiligen Kalendermonat der Arbeitsleistung nicht durch Freizeitgewährung ausgeglichen werden können. Alternativ zu einer Auszahlung des Zuschlags ist eine Honorierung durch entsprechende Zeitgutschriften im Arbeitszeitkonto vorgesehen.

Das für die Klägerin geführte Arbeitszeitkonto wies zum Ende des Monats März 2018 ein Arbeitszeitguthaben von 129 Stunden und 24 Minuten aus – angesammelt durch Überstunden. Doch weder erhielt sie hierfür Zuschläge gezahlt, noch nahm der Arbeitgeber im Arbeitszeitkonto eine entsprechende Zeitgutschrift vor.

Benachteiligung gegenüber Vollzeitbeschäftigten?

Die Pflegekraft meint, sie werde durch die Anwendung der tarifvertraglichen Regelung unzulässig als Teilzeitbeschäftigte gegenüber Vollzeitbeschäftigten benachteiligt. Zugleich werde sie als Teilzeitbeschäftigte mittelbar wegen des Geschlechts benachteiligt, denn ihr Arbeitgeber beschäftige überwiegend Frauen in Teilzeit. Mit ihrer Klage will sie eine den Zuschlägen entsprechende Zeitgutschrift in ihrem Arbeitszeitkonto von 38 Stunden und 49 Minuten sowie eine Entschädigung in Höhe eines Vierteljahresverdienstes nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz erreichen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat den Arbeitgeber sodann verurteilt, dem Arbeitszeitkonto der Klägerin die geforderten Stunden gutzuschreiben. Einen Entschädigungsanspruch hat es allerdings abgewiesen. Diesen verfolgt die Klägerin nun mit der Revision vor dem Bundesarbeitsgericht weiter.

Ungleichbehandlung am Arbeitsplatz – grundsätzlich verboten

Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in dem Fall jetzt den Europäischen Gerichtshof angerufen. Er will wissen, ob die europäischen Regelungen, die eine Diskriminierung am Arbeitsplatz verbieten, so auszulegen sind, dass eine tarifvertragliche Regelung, wie die hier vorliegende, eine Ungleichbehandlung von Vollzeitbeschäftigten und Teilzeitbeschäftigten enthält. Das Gleiche erfragt er mit Blick auf die europäische Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit. Darin heißt es: „Teilzeitbeschäftigte dürfen in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil sie teilzeitbeschäftigt sind, gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten nicht schlechter behandelt werden, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus objektiven Gründen gerechtfertigt“. Möglicherweise gibt es ja solche sachlichen Gründe.

Auch der Bundesrahmentarifvertrag für Apothekenmitarbeiter enthält eine Regelung, wonach die Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit erst ab der 41. Wochenarbeitsstunde gezahlt werden. Insofern dürfte das Urteil aus Luxemburg auch für teilzeitbeschäftigte Apothekenmitarbeiter:innen von Interesse sein.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 28. Oktober 2021, Az: 8 AZR 370/20 (A)

 


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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