Empirische Untersuchung zur Arzneimittelpreisbindung

Studie liefert Signal: Absatz und Umsatz ausländischer Versender durch Rx-Boni erhöht

Süsel - 08.10.2021, 07:00 Uhr

Nach ersten Erkenntnissen des Wirtschaftsforschers Götz scheinen die Arzneimittelversender durch den Wegfall des Boni-Verbots in Form höherer Umsätze und Absätze profitiert zu haben. (c / Foto: mayakova / AdobeStock)

Nach ersten Erkenntnissen des Wirtschaftsforschers Götz scheinen die Arzneimittelversender durch den Wegfall des Boni-Verbots in Form höherer Umsätze und Absätze profitiert zu haben. (c / Foto: mayakova / AdobeStock)


Professor Georg Götz von der Justus-Liebig-Universität Gießen führt eine empirische Studie zu den Folgen der Arzneimittelpreisbindung durch. Für die Auswertung nutzt sein Arbeitskreis 2,5 Milliarden Transaktionsdaten aus Vor-Ort-Apotheken. Eine erste Analyse ergibt ein Signal, dass ausländische Versender von Rx-Boni profitiert haben. Doch der größere Teil der Arbeit steht noch aus. 

Die Motivation für das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) war, feste Arzneimittelpreise zu gewährleisten, um die flächendeckende Versorgung zu sichern. Die Arzneimittelpreisbindung soll Patienten vor Überforderung und Apotheken vor ruinösem Wettbewerb schützen. Wenn Patienten wegen Boni auf Rx-Arzneimittel zu ausländischen Versendern abwandern, fehlen den Apotheken im Inland Umsätze und Erträge. Damit würde die flächendeckende Versorgung gefährdet.

Doch große Studien, die diesen Zusammenhang empirisch untersuchen, fehlen bisher weitgehend. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte im Oktober 2016 in seinem Urteil zur Arzneimittelpreisbindung bemängelt, dass die deutsche Bundesregierung die Notwendigkeit der Preisbindung für das System nicht genügend begründet hatte. Dagegen lässt sich einwenden, dass dies ein Experiment erfordern würde, das die Preisbindung abschafft. Wenn das System dann zerstört würde, käme die Erkenntnis zu spät.

VOASG als experimenteller Ansatz

Doch der Wirtschaftswissenschaftler Professor Georg Götz hat nun einen praktikablen Untersuchungsansatz gefunden. Er liegt in den zeitweilig zulässigen Boni der ausländischen Versender nach dem EuGH-Urteil und im späteren Verbot der Boni für GKV-Patienten durch das VOASG. Götz hat bereits die Buchpreisbindung untersucht und sieht nun eine wissenschaftliche interessante Studienmöglichkeit im ebenfalls preisregulierten Arzneimittelmarkt. Seine Studie wird durch Drittmittel des Apothekerverbands Westfalen-Lippe unterstützt. Bei der Mitgliederversammlung des Verbands am 8. September in Münster hatte Götz sein Projekt erstmals der Berufsöffentlichkeit vorgestellt. Er betonte, dass dies als ergebnisoffene und unabhängige Forschung angelegt ist. Die DAZ wollte es genauer wissen und sprach im Nachgang mit dem Wissenschaftler über seine Forschungen.

Hinweis auf Vorteil für Versender durch Boni-Verbot

Im ersten Schritt geht es dabei laut Götz um den Effekt der Boni von ausländischen Versendern, die durch das EuGH-Urteil vom Oktober 2016 für zulässig erklärt wurden. In den Verkaufsdaten der ausländischen Versender, die bis 2018 vom Marktforschungsunternehmen IQVIA zur Verfügung gestellt wurden, hat Götz diesen Strukturbruch analysiert. Dabei hat er einen signifikanten Sprung in den Absätzen und Umsätzen von Rx-Arzneimitteln gefunden. Gemäß dieser Analyse setzt die Veränderung bereits einige Monate vor dem Urteil ein. Dies würde zu der Beobachtung passen, dass schon vor dem Urteil mit Boni geworben wurde. Daraufhin folgert Götz: „Die Versandapotheken scheinen durch den Wegfall des Boni-Verbots in Form höherer Umsätze und Absätze profitiert zu haben.“



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

echt?

von J.M.L. am 08.10.2021 um 8:34 Uhr

2.500.000.000 Transaktionsdaten - wow! Warum benötige ich für Dinge die auf der Hand liegen überhaupt eine Studie?

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: echt

von Karl Friedrich Müller am 08.10.2021 um 12:27 Uhr

richtig revolutionär! Bin gespannt, was noch kommt. Die Erkenntnis, dass den Apotheken vor Ort geschadet wurde?
Dass die gar keine Chance gegen diese gleich langen Spieße haben? So Zahnstocher gegen Hellebarde?

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