Welttag der Patientensicherheit

Ein halber Messbecher sind nicht automatisch 2,5 ml

Stuttgart - 17.09.2021, 07:00 Uhr

Was ist ein halber Messbecher? Nicht bei jedem Arzneimittel sind die beigelegten Dosierhilfen vom Volumen her gleich. (Foto: YummyBuum / AdobeStock)

Was ist ein halber Messbecher? Nicht bei jedem Arzneimittel sind die beigelegten Dosierhilfen vom Volumen her gleich. (Foto: YummyBuum / AdobeStock)


Fehler können passieren und wichtig ist, aus ihnen zu lernen und künftig alert zu sein. Daran erinnert jährlich der Welttag der Patientensicherheit. Im Jahr 2021 dreht sich alles um die kleinen Patienten „vom ersten Atemzug an“ – bei der Geburt. Doch auch bei Arzneimitteln kann einiges schiefgehen und ein pharmazeutischer Blick ist wertvoll, wie drei CIRS-Fälle zeigen.

„Patientensicherheit ist unverzichtbar – überall, immer, für jeden Menschen von Geburt an“, erklärt das Aktionsbündnis Patientensicherheit. Vor allem die letzten drei Wörter haben am heutigen Welttag der Patientensicherheit besondere Bedeutung, steht dieser in diesem Jahr doch unter dem Motto „Sicher vom ersten Atemzug an“.

Arzneimittelrisiken resultieren nicht ausschließlich aus Polymedikationen bei multimorbiden Älteren: Auch ganz kleine Patienten sind vor Fehlern in der Arzneimitteltherapie nicht gefeit und Fehler passieren leider immer wieder. Doch sie sollten sich nach Möglichkeit nicht wiederholen – weswegen es Meldesysteme wie CIRS gibt (Critical Incident Reporting System). Ein Blick in die Datenbank sensibilisiert für potenzielle Fehlerquellen und zeigt, dass mit Apothekern „sicher vom ersten Atemzug an“ noch besser gelingt.

Luminal statt Luminaletten für einen Säugling

So wunderte sich eine Apotheke über die Verordnung von Luminal mit 100 mg Phenobarbital für einen drei Monate alten Säugling – bei einer empfohlenen Anfangsdosierung von 3 bis 6 mg pro kg Körpergewicht kommt man bei einem 6 kg schweren Baby auf 18 mg bis 36 mg Phenobarbital, was sich durch 100 mg Tabletten schwer realisieren lässt. Was tun? Auf Nachfrage der Apotheke bei der verordnenden Ärztin kam die Auskunft, der Säugling solle eine Tablette morgens und eineinhalb Tabletten abends bekommen – 250 mg. Die Apotheke merkte diese Überdosierung an, diese wurde ärztlicherseits jedoch damit abgetan, dass das Baby in der Klinik auf diese Dosis eingestellt worden sei. Erst beim Nachhaken in der Klinik kam der Fehler heraus: Das Baby hätte Luminaletten statt Luminal verordnet bekommen sollen – diese enthalten 15 mg Phenobarbital statt 100 mg –, und somit ergibt auch die Tagesdosierung mit 2,5 Tabletten Sinn.

In einem anderen Fall sollte ein Baby Protargol-Nasentropfen erhalten – verordnet hatte der Arzt aber Propranolol-Saft. In beiden Fällen kam die Verwechslung offenbar durch die ähnlich klingenden Arzneimittel- oder Wirkstoffnamen zustande.

Was ist ein halber Messbecher?

Auch Dosierlöffel und Messbecher sind fehlerträchtig – nicht immer stimmt die Angabe auf dem Rezept mit der Dosierhilfe überein und schon gar nicht entspricht ein halber Messlöffel stets 2,5 ml. So sollte ein Baby einen halben Messlöffel Sedaplus Saft bekommen – gemeint waren 2,5 ml, nur leider enthält der Doxylamin-Saft einen Messbecher mit Fassungsvermögen von 30 ml. Das Risiko, dass die Eltern sodann 15 ml des Antihistaminikums verabreicht hätten, ist durchaus gegeben.

Sedaplus darf derzeit als einziger Doxylamin-Saft zur Behandlung von Schlafstörungen bei Kindern ab sechs Monaten verordnet werden – seit Januar 2019 ist das ehemals nur apothekenpflichtige Arzneimittel rezeptpflichtig. Beweggründe waren damals, die „erhöhte Vulnerabiliät in der frühkindlichen Entwicklungsphase gegenüber zentralwirksamen Stoffen sowie eine Gefahr der Überdosierung, da das doxylaminabbauende Enzym CYP2D6 im ersten Lebensjahr noch einem Reifungsprozess unterliegt und nicht voll funktionsfähig ist“, erklärte der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht beim BfArM 2017. All dies würde natürlich durch eine massive Überdosierung in der Verabreichung durch falsche Angaben auf dem Rezept konterkariert.

Nun ließen sich diese Fehler korrigieren, bevor ein Kind zu Schaden kam, weil die Apotheken aufgepasst haben. Wünschenswert wären entsprechend auch Maßnahmen der Hersteller – ein wohl überlegtes Taufen der Arzneimittel oder geeignete Dosierhilfen.


Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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