Ostersymbole und Pharmazie (Episode 1)

Das Osterlamm – die reine Unschuld

Stuttgart - 29.03.2024, 09:01 Uhr

Dank Wollfett ist dieses Lamm gut gegen Feuchtigkeit und Nässe geschützt. (Foto: belyaaa / stock.adobe.com)

Dank Wollfett ist dieses Lamm gut gegen Feuchtigkeit und Nässe geschützt. (Foto: belyaaa / stock.adobe.com)


Wir essen zu Ostern traditionell Lammbraten und Biskuitlämmer. Kein anderes Tier ist so eng mit dem Christentum verbunden wie das Lamm. Doch wo finden wir den Link zur Pharmazie? Er liegt versteckt im kuschligen Fell. Kommen Sie mit auf eine kleine österliche Spurensuche. 

Ein reines weißes Fell – ein sanfter Blick – ein zu Herzen gehendes Blöken – dazu ein graziler und anschmiegsamer Körper: kaum ein Tier rührt den Menschen mehr an als ein unschuldiges, kleines Lämmchen. Seit Jahrtausenden gilt das Lamm als Symbol für Reinheit und Frieden.

Das Lamm in der Bibel 

Im Alten Testament der Bibel ist es das klassische Opfertier der Juden anlässlich jüdischer Fest- und Gedenktage. Das Blut geopferter Lämmer wurde als Schutzzeichen vor dem Todesengel an die Türpfosten gestrichen – auf Geheiß Gottes. Das Neue Testament berichtet vom Abendmahl, von Jesu Kreuzigung und dessen Auferstehung in der Woche des Pessach-Festes. Damit gerät das geschlachtete Lamm in Zusammenhang mit dem unschuldig und wehrlos am Kreuz gestorbenen Sohn Gottes. Dieser hat geduldig sein Schicksal ertragen – wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird. Das „Agnus Dei“, also das Lamm Gottes, wurde im Christentum zum Symbol für Jesus Christus und für den Sieg über den Tod.

Geweiht und verzehrt 

Das christliche Osterfest inklusive Karfreitag erinnert alljährlich an Tod und Auferstehung Jesu Christi. Auch wenn das Christentum keine Tieropfer kennt, so wurde doch in früheren Jahrhunderten vor Ostern ein Lamm geschlachtet. Sein Fleisch wurde zur Weihe unter den Kirchenaltar gelegt und zur Feier des größten christlichen Festtages, am Ostersonntag, als Braten verzehrt. Später wurde es üblich, Osterlämmer aus süßem Teig zu backen, die ebenfalls geweiht und am Morgen des Ostersonntags als erste Speise verzehrt wurden.

Alten Bräuchen nachspüren 

Heutzutage geraten christliche Traditionen immer mehr in Vergessenheit. Wir essen Biskuit- und Schokoladenlämmer, wann immer uns der Sinn danach steht. Lammfleisch wird zu jeder Jahreszeit verzehrt. Doch vielen Menschen macht es auch Freude, sich alter Bräuche und deren Ursprung bewusst zu werden und ihnen nachzuspüren. Besonders bereichernd ist der Blick über den Tellerrand und auf neue Verknüpfungen. Was also hat das Lamm mit der Pharmazie und der Apotheke zu tun?

Natürliche Fellpflege

Die Menschen entdeckten wahrscheinlich schon in frühen Zeiten, dass Lämmer und Schafe nicht nur in religiösen Ritualen die Seele retten und darüber hinaus nahrhaftes Fleisch und Milch liefern konnten. Sondern dass auch ihr haariges Fell von Nutzen war, um Garn zu spinnen und daraus wärmende Kleidung herzustellen. Dabei merkten sie, dass die Natur dem Schaf einen körpereigenen Schutz- und Pflegemechanismus für sein wolliges Schutzkleid mitgegeben hat: Talgdrüsen, die kontinuierlich Wollfett produzieren und absondern. Wollfett, das nicht nur das Haarkleid geschmeidig hält, sondern dessen potente Emulgatoren Feuchtigkeit und Nässe einbinden und das Tier optimal wetterfest ausrüsten.

Das Lanolin wird „geboren“

Schon im Altertum nutzten die Menschen Wollfett als Hautschutz-, Hautpflege- und Heilmittel. Der Ablauf der Gewinnung wird sowohl bei den alten Griechen als auch Römern beschrieben. Ebenso belegen mittelalterliche Schriften den Gebrauch von Wollfett. Als problematisch galt allerdings immer der strenge Geruch. Erst um das Jahr 1876 herum wurde ein Verfahren mit hohem Reinigungseffekt entwickelt, das in mehreren Schritten schließlich eine weiße, fast geruchlose Salbe produzierte: Das war die Geburtsstunde des „Lanolin“ (lana = lat. Wolle). Jeder, der in einer Apotheke arbeitet, kennt Standgefäße für Lanolin und Rezepturen, die mit Lanolin angefertigt werden.

Blickpunkt Wollwachs 

Heutzutage muss man genauer hinschauen, wenn man den Begriff „Lanolin“ liest. International betrachtet ist Lanolin die INCI-Bezeichnung von Wollwachs als Inhaltsstoff von Kosmetika. Pharmazeuten kennen Lanolin dagegen aus dem Arzneibuch als wollwachshaltige, wasseraufnahmefähige Salbengrundlage, die zudem noch Paraffin oder Olivenöl enthält. 

Wollwachs ist aus chemischer Sicht ein vielfältiges Gemisch von Estern, Di-Estern und Hydroxy-Estern. Werden diese hydrolysiert, so lassen sich aliphatische Alkohole, Sterole (Cholesterol u. a.) sowie Fettsäuren  unterschiedlicher Kettenlängen identifizieren. Nur ein kleiner Teil der Fettsäuren und Alkohole liegt unverestert vor. Die aus Wollwachs gewonnenen Wollwachsalkohole sind ein Gemisch von Sterinen und höheren aliphatischen Alkoholen. Die Qualitätsbestimmung erfolgt anhand der Vorschriften des Europäischen Arzneibuchs. Wollwachs ist übrigens völlig untoxisch und kann in Kläranlagen biologisch abgebaut werden.

„Geht unter die Haut“

Die moderne Pharmazie und Medizin schätzen Wollwachs und daraus zubereitete Salben wegen ihrer starken W/O-emulgierenden Eigenschaften. Vorteilhaft ist auch die lange Haltbarkeit. Bei kühler und lichtgeschützter Lagerung werden Wollwachszubereitungen kaum ranzig. Die hohe emulgierende Potenz ist der Grund für die hervorragenden hautpflegenden Eigenschaften. Wollwachs geht regelrecht „unter die Haut“ – bis hinein ins Stratum granulosum. Es bindet Hautfeuchtigkeit und gleicht einen transepidermalen Wasserverlust aus. Angegriffene oder geschädigte Haut atmet gleichsam auf und regeneriert sich. Deshalb eignet sich Wollwachs als Grundlage für viele arzneiliche Salben und Balsame. Achtung, es werden auch allergische Reaktionen auf Wollwachs und Wollwachsprodukte beschrieben.

Nicht vegan 

Ein Blick ins Internet zeigt: Wollfett ist als Naturprodukt in alternativen Kreisen sehr beliebt. Ein „Vegan-Beauty-Blog“ weist allerdings darauf hin, dass „Lanolin aus Schafen gewonnen“ wird und daher nicht vegan ist. Als „vegane Alternative“ zu Lanolin wird Bis-Diglyceryl-Polyacyladipate-2 angeboten. Dabei handelt es sich um eine synthetische Salbengrundlage mit hoher Wasserbindungskapazität, geruchsneutral und sehr gut hautverträglich sowie frei von jeglichen Pestiziden (die im Naturprodukt Wollwachs vorkommen können).

Weltrekord 

Zurück zum Lamm als Ostergebäck: Mit Hilfe von 440 Eiern und 55 Kilogramm Buttercreme hat der Prager Bäcker Ondrej Chmelik im Jahr 2007 das weltgrößte Osterlamm gebacken. Es wog 110 Kilogramm bei einer Länge von 1,34 Meter Länge und jeweils über 50 Zentimeter Länge und Breite. Das Riesen-Osterlamm wurde portioniert und an die Kunden eines Prager Einkaufszentrums verteilt. Zum Vergleich: ein ausgewachsenes männliches Schaf kann bis zu 200 Kilogramm wiegen.

Dieser Artikel ist ursprünglich am 2. April 2021 erschienen und wurde aktualisiert. 


Reinhild Berger, Apothekerin
redaktion@daz.online


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