Barmer

Hohe PPI-Verordnungsraten rein medizinisch oder demografisch nicht erklärbar

Stuttgart - 10.03.2021, 14:30 Uhr

Unter dem Strich werden noch immer zu viele Protonenpumpeninhibitoren (PPI) verschrieben, meint die Barmer, zunehmend auch bei Kindern. (c / Foto: IMAGO / Uwe Steinert)

Unter dem Strich werden noch immer zu viele Protonenpumpeninhibitoren (PPI) verschrieben, meint die Barmer, zunehmend auch bei Kindern. (c / Foto: IMAGO / Uwe Steinert)


„Bei der Verordnung von Magensäureblockern ist nach den massiven Anstiegen über viele Jahre hinweg eine Trendwende erreicht“, das berichtet die Barmer auf Basis einer eigenen Analyse am heutigen Mittwoch. Die kritische öffentliche Debatte über Protonenpumpeninhibitoren der letzten Jahre scheine zu wirken, jedoch sei damit nur ein erster Schritt in die richtige Richtung getan. Unter dem Strich würden noch immer zu viele Magensäureblocker verschrieben, zunehmend auch bei Kindern.

Schon seit mehreren Jahren wird die unkritische und langfristige Verordnung von Protonenpumpeninhibitoren (PPI) öffentlich diskutiert, auch in der DAZ. Auf Basis einer aktuellen Analyse berichtet nun die Barmer, dass die Verordnung von Magensäureblockern weiter „heikel“ bleibt. Unterteilt in Altersklassen zeige die Barmer-Analyse, „dass vor allem Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zwischen den Jahren 2006 und 2019 trotz jüngster Rückgänge verstärkt Magensäureblocker verschrieben bekommen haben“, heißt es in der Pressemitteilung

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Der Anteil unter den 10- bis 14-Jährigen sei von 0,42 auf 1,15 Prozent gestiegen (ein Zuwachs um 173 Prozent). Absolut bedeute dies für Deutschland, dass im Jahr 2019 rund 42.500 Kinder und Jugendliche in dieser Altersgruppe Magensäureblocker verordnet bekamen. Unter den 15- bis 19-Jährigen stieg der Anteil von 1,61 auf 4,27 Prozent (absolut 168.000 Personen, Anstieg um 165 Prozent). Bei den 20- bis 24-Jährigen fiel der Anstieg mit 123,2 Prozent zwar am geringsten aus (von 2,64 auf 5,89 Prozent) absolut handelte es sich aber mit 272.000 jungen Frauen und Männern um die größte Gruppe.

Auch unter den jungen Menschen sei die Zahl der PPI-Verordnungen zwar zuletzt leicht gesunken, doch die Betroffenenraten seien weiterhin „viel zu hoch“. Gründe dafür könnten psychischer Druck, der „auf den Magen schlägt“, sein, aber auch das in dieser Altersgruppe wenig bekannte Risiko für Osteoporose oder Niereninsuffizienz durch die Langzeiteinnahme der PPI.

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Insgesamt zeichne sich dennoch eine Trendwende ab – sowohl auf Ebene der Länder als auch auf Bundesebene: Im Jahr 2019 verordneten Ärzt:innen 12,3 Millionen Bundesbürger:innen laut Barmer mindestens einmal PPI, das seien 1,3 Millionen Betroffene weniger als noch im Jahr 2016 – und doch 61 Prozent mehr als im Jahr 2006 mit 7,6 Millionen Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern. „Es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, dass nicht mehr so viele Patientinnen und Patienten Magensäureblocker verordnet bekommen. Hier scheint die kritische öffentliche Debatte über PPI endlich zu wirken. Denn deren langfristiger Einsatz kann das Osteoporose-Risiko erhöhen sowie Nierenerkrankungen, Magnesiummangel und Darminfektionen fördern“, sagt Dr. Ursula Marschall, Leitende Medizinerin bei der Barmer. Und doch: Die hohen Verordnungsraten blieben rein medizinisch oder demografisch nicht erklärbar.

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Marschall fügt angesichts der Unterschiede zwischen den Ländern hinzu: „Tendenziell sind die Steigerungsraten in den Bundesländern größer, in denen bislang etwas weniger Magensäureblocker verordnet wurden. Damit nähern sie sich an ein Niveau an, das nach wie vor zu hoch erscheint.“

Zudem fällt der Barmer in ihrer Analyse eine weitere gegenläufige Entwicklung auf. Pro Jahr bekämen die Betroffenen zwar weniger Rezepte, allerdings sei die Zahl der Tagesdosen gestiegen: „Es scheint, dass inzwischen verstärkt die Personen Magensäureblocker verschrieben bekommen, die sie dringend benötigen“, heißt es zur Erklärung. Der kurzfristige und niedrig dosierte PPI-Bedarf würde dann wahrscheinlich verstärkt durch die rezeptfreien Varianten aus der Apotheke abgedeckt.


Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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