Corona-Beschränkungen

Ethikrat gegen besondere Regeln für Geimpfte

Berlin - 04.02.2021, 16:25 Uhr

Die Vorsitzende des Ethikrates, Alena Buyx, sieht die Akzeptanz von staatlichen Corona-Maßnahmen gefährdet, wenn es Sonderregeln für Geimpfte gäbe. (IMAGO / Christian Ditsch)

Die Vorsitzende des Ethikrates, Alena Buyx, sieht die Akzeptanz von staatlichen Corona-Maßnahmen gefährdet, wenn es Sonderregeln für Geimpfte gäbe. (IMAGO / Christian Ditsch)


Der Deutsche Ethikrat rät dringend von besonderen Regeln für gegen COVID-19-Geimpfte ab. Er führt dabei vor allem zwei Argumente an: Bisher deute wenig darauf hin, dass jemand, der geimpft ist, das Virus nicht mehr weitertragen kann. Solange noch nicht jeder Bürger die Möglichkeit habe, sich impfen zu lassen, dürfte dies „als ungerecht empfunden werden“.

Darf jemand, der sich freiwillig gegen COVID-19 hat impfen lassen, mit Lockerungen der Corona-Beschränkungen rechnen? Müssen für sie möglicherweise sogar besondere Regelungen gelten? Mit dieser Frage hat sich der Deutsche Ethikrat in seiner am heutigen Donnerstag veröffentlichten Ad-hoc-Empfehlung befasst. Dabei zieht das Beratungsgremium ein klares Fazit: Derzeit verbietet es sich, staatliche Freiheitsbeschränkungen individuell zurückzunehmen – schon deshalb, weil die Möglichkeit einer Weiterverbreitung des Virus durch Geimpfte nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden kann.

Eine solche individuelle Rücknahme der Maßnahmen nur für Geimpfte wäre auch mit Blick auf die allgemeine Akzeptanz der Maßnahmen nicht richtig, sagte die Vorsitzende des Ethikrates, Alena Buyx, heute bei der Vorstellung der neuen Empfehlung in Berlin. Das Befolgen von Regelungen wie Maske-Tragen oder Abstand halten könne man auch Geimpften weiterhin zumuten, wenn das notwendig sei, heißt es in der Empfehlung. Ratsmitglied Sigrid Graumann nannte ein praktisches Beispiel: Es sei in der U-Bahn „nicht zumutbar, dass jemand kontrolliert, wer einen Impfpass dabei hat und wer nicht“. Wenn viele U-Bahn-Fahrer:innen ohne Maske unterwegs wären, sei zu befürchten, dass auch die Bereitschaft der anderen Fahrgäste, sich an die Vorschrift zu halten, sinke.

Und Maßnahmen privater Unternehmen?

Der Ethikrat unterscheidet sodann aber zwischen staatlichen Maßnahmen und Vorgaben von privater Seite – können etwa Privatunternehmen Geimpften „Privilegien“ bieten? Hier müsse die Vertragsfreiheit berücksichtigt werden, so der Ethikrat. Sie stellt es Privatpersonen und privaten Unternehmen grundsätzlich frei zu entscheiden, mit wem diese einen Vertrag schließen. Einschränkungen dieser Freiheit könnten allerdings gerechtfertigt sein, wenn es um Angebote geht, die für eine prinzipiell gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben unerlässlich sind. Wenn hingegen zum Beispiel nach einer generellen Wiedereröffnung von Konzerthallen ein Veranstalter entscheiden sollte, nur Geimpften den Zugang zu erlauben, so wäre dies durchaus möglich. „Daraus ergibt sich aber keine Impfpflicht durch die Hintertür“, sagte Buyx. Schließlich wäre es etwa denkbar, dann Tests als Alternative anzubieten.

Ausnahme: Heim- und Hospizbewohner:innen

Eine Ausnahme von seiner insgesamt kritischen Beurteilung möglicher besonderer Regeln für Geimpfte macht der Ethikrat allerdings ausdrücklich für die Bewohner:innen von Pflege-, Senioren-, Behinderten- und Hospizeinrichtungen. Die in solchen Einrichtungen geltenden Ausgangsverbote beziehungsweise -einschränkungen und Beschränkungen von Besuchs- und Kontaktmöglichkeiten sollten für die dort Lebenden aufgehoben werden, sobald sie geimpft wurden. Angesichts der erheblichen Belastungen, die diese Personengruppe bereits im Verlauf der Pandemie erlebt hat, könne dies ethisch gerechtfertigt werden. Hier gehe es nicht um Sonderrechte, sondern um die Rücknahme einer Benachteiligung, betonte Graumann.


Kirsten Sucker-Sket / dpa
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Immunität außerhalb der Parlamente

von m/w/d Verfasser des GG am 05.02.2021 um 8:20 Uhr

Die unfreiwillig "wild Immunisierten" kommen in der Betrachtung der "Experten" immer noch nicht vor. (Freiwillig oder unfreiwillig?) Obwohl diese dank der genialen Impfstrategie immer noch zahlreicher sind als Geimpfte.(Plural, d.h. auch männliche Wesen)
Zensur oder vorauseilender Gehorsam? Oder wie oder was?

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Theoretische Diskussion

von Andreas P. Schenkel am 04.02.2021 um 19:13 Uhr

A. Wenn eine Person erwiesenermaßen nicht mehr mit SARS-CoV-2 infiziert werden kann und SARS-CoV-2 nicht mehr auf andere übertragen kann, so sind die erheblichen Einschränkungen der grundgesetzlich verbrieften Freiheiten nicht mehr zu rechtfertigen und unverzüglich aufzuheben. Es handelte sich hier nicht um Privilegien, sondern um Freiheitsrechte, die wieder wahrgenommen werden könnten. Jedoch wird dies sehr wahrscheinlich nicht geschehen, dass Einzelne vor allen Anderen diese Grundrechte zurückerhalten, denn:

B. Ein Veranstaltungsunternehmen ist erst in der Lage, jemanden Zutritt zu einer Veranstaltung zu gewähren, wenn dies von den Entscheidern, also den Ministerpräsidenten, wieder durch Rücknahme der Veranstaltungsverbote gestattet worden ist.

C. Die Freiheitsbeschränkungen der natürlichen Personen wie auch der Veranstaltungsunternehmen können erst zurückgenommen werden, wenn der Nachweis erbracht ist, dass eine Impfung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit vor der Infektion mit SARS-CoV-2 schützt und verhindert, dass SARS-CoV-2 an andere Personen weitergegeben werden kann.

D.
I) Der nahezu zweifelsfreie Nachweis wird sehr wahrscheinlich erst dann erbracht sein, wenn bereits ein erheblicher Anteil der Bevölkerung gegen SARS-CoV-2 geimpft worden sein wird.
II) Der Nachweis ist zudem für jeden der SARS-CoV-2-Impfstoffe separat nachzuweisen.
III) Weiterhin muss für jeden der SARS-CoV-2-Impfstoffe die Gültigkeit der Schutzwirkung auch für diejenigen SARS-CoV-2-Mutanten erbracht werden, die eine erhebliche Abweichung in infektiologischer Sicht von der Ursprungs-Variante des Erregers darstellen.
IV) Es ist erst nach einiger Zeit, vermutlich nach Monaten klar, welche der Mutanten erheblich abweichen und einen zusättlichen negativen Einfluss auf das Gesamt-Infektionsgeschehen haben.
V) Die gestern kommunizierten Immunitätsdaten beschränken sich auf einen der Impfstoffe nach einer(!) Impfung und sprechend von 67% der Immunität. Folglich ist ein Drittel der Geimpften nicht sicher un-infektiös und ungefährdet. Dieser Anteil an Geschützten reicht nicht!

E. Fazit: Bis es sicher ist, dass alle Impfstoffe gegenüber allen wesentlichen SARS-CoV-2-Mutanten ein sehr hohes Schutzniveau bieten, wird vermutlich ein sehr hoher Bevölkerungsanteil bereits geimpft worden sein. Erst dann werden sich die Bundesländer trauen, wesentliche Grundrechtseinschränkungen aufzuheben.

Ich empfehle zu diesem Themenkomplex äußerste Gelassenheit, Gleichmut, Besonnenheit walten zu lassen.

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