Kölner Apotheke

Möglicher Prozess um verunreinigte Glucose – nicht mehr 2020

Stuttgart - 15.10.2020, 09:15 Uhr

Im September 2019 warnten die Stadt Köln und die Kölner Polizei „vor der Einnahme eines lebensbedrohlichen Glucosegemischs“. Der Grund war der Tod einer 28-jährigen Schwangeren und ihres per Notkaiserschnitt geborenen Kindes. (c / Foto: artursfoto / stock.adobe. com)

Im September 2019 warnten die Stadt Köln und die Kölner Polizei „vor der Einnahme eines lebensbedrohlichen Glucosegemischs“. Der Grund war der Tod einer 28-jährigen Schwangeren und ihres per Notkaiserschnitt geborenen Kindes. (c / Foto: artursfoto / stock.adobe. com)


Der mögliche Prozess um den Tod einer jungen Frau und ihres Babys durch eine verunreinigte Glucosemischung – zum Test auf Schwangerschaftsdiabetes – wird nach Angaben des Kölner Landgerichts nicht mehr in diesem Jahr beginnen. Es handele sich um eine sehr komplexe Angelegenheit, hieß es.

Es war ein Fall der ganz Deutschland bewegte: Eine damals 28 Jahre alte Frau hatte im September 2019 in der Praxis ihres Gynäkologen für den Test auf Schwangerschaftsdiabetes eine Glucosemischung aus einer Kölner Apotheke getrunken. Sie wurde daraufhin bewusstlos, kam ins Krankenhaus und starb dort ebenso wie ihr durch Notkaiserschnitt zur Welt gebrachtes Kind. 

Wie sich herausstellte, war die Glucose mit dem Lokalanästhetikum Lidocainhydrochlorid verunreinigt worden. Nach ersten Ermittlungen gingen Polizei und Staatsanwaltschaft schließlich – nach früheren Angaben – von einem Versehen aus. Mittlerweile wirft die Staatsanwaltschaft der Apothekeninhaberin allerdings versuchten Mord durch Unterlassen und fahrlässige Tötung vor. Sie soll dem behandelnden Krankenhaus verschwiegen haben, dass eine Lidocainvergiftung in Betracht komme. Die Verteidiger der Apothekerin wiesen die Vorwürfe als „vollkommen abwegig“ zurück. Ihre Mandantin habe sich überhaupt nichts zuschulden kommen lassen.

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Am 8. September 2020 hatte DAZ.online über die Anklage der Apothekerin berichtet. Sie stehe im Zentrum der tragischen Ereignisse, die sich vor fast einem Jahr in der Heilig Geist-Apotheke in Köln-Longerich abgespielt haben, hieß es. Da die Staatsanwaltschaft Köln im September 2020 nun ihre Anklageschrift gegen die Apothekerin vorgelegt hat, sei als nächstes das Landgericht Köln am Zug: Es muss entscheiden, ob es die Anklage zur Hauptverhandlung und damit das Hauptverfahren zulässt. 

Wie nun ein Sprecher des Kölner Landgerichts der Deutschen Presse-Agentur mitgeteilt hat, wird der mögliche Prozess um den Tod der jungen Frau und ihres Babys nicht mehr in diesem Jahr beginnen. Die Kammer habe noch nicht entschieden, ob die Anklageschrift zur Hauptverhandlung zugelassen werde. Es handele sich um eine sehr komplexe Angelegenheit – und das nehme noch Zeit in Anspruch.

Versuchter Mord durch Unterlassen und fahrlässige Tötung?

Wie DAZ.online im September 2020 berichtete, wirft die Staatsanwaltschaft der beschuldigten Apothekerin – für sie gilt nach wie vor die Unschuldsvermutung – zwei Taten vor.

  • Zum einen geht die Ermittlungsbehörde davon aus, dass die Apothekerin durch Fahrlässigkeit den Tod beziehungsweise die Körperverletzung von zwei Apothekenkundinnen verursacht hat. Und zwar, indem sie unbewusst durch eine sorgfaltswidrige Verwechselung von Standgefäßen Glucose-Monohydrat mit Lidocainhydrochlorid verunreinigte.
  • Im zweiten Fall der Anklage bewertet die Staatsanwaltschaft das weitere Verhalten der angeschuldigten Apothekerin am 19. September 2019 sogar als versuchten Mord durch Unterlassen – an der Mutter und ihrem Baby. Die Behörde gehe davon aus, dass die Apothekerin nach Hinweisen aus der gynäkologischen Praxis und dem behandelnden Krankenhaus auf die Vorfälle vom 17. und 19. September sowie nach einer Kontrolle der eigenen Bestände und einer Besprechung mit ihren Mitarbeitern spätestens um die Mittagszeit hätte wissen müssen, dass eine Lidocainvergiftung als Ursache für den schlechten Gesundheitszustand in Betracht kommt.

Wie aus den Vorwürfen hervorgeht, hatte auch eine zweite Kundin die verunreinigte Glucosemischung eingenommen. Allerdings bemerkte sie den bitteren Geschmack der mit der verunreinigten Glucose hergestellten Lösung: Sie nahm am 17. September 2019 in der Praxis ihres Gynäkologen nur einen Schluck der Lösung. Die verstorbene Schwangere trank zwei Tage später morgens in derselben Praxis jedoch die Lösung ganz aus. Während sich die erste Frau nach einer stationären Aufnahme somit rasch von der Lidocainvergiftung erholt habe und die Klinik am nächsten Tag verlassen konnte, ging es für die zweite Patientin und ihr per Notkaiserschnitts zur Welt gebrachtes Kind tödlich aus. 

Die Verteidigung der Apothekerin meint, die Anklage entbehre jeglicher Grundlage. Die Staatsanwaltschaft habe weder ermitteln können, wie die Glucose verunreinigt werden konnte, noch wer dafür verantwortlich sei. Vor allem sei der Vorwurf des versuchten Mordes zur Verdeckung der angeblichen Fahrlässigkeitstat nicht nachzuvollziehen. Die Apothekerin habe unmittelbar, nachdem sie am 19. September 2019 vom Zusammenbruch des Opfers erfahren hatte, das Glucose-Gefäß an die Klinik ausgehändigt.


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