Interview mit Dr. Hermann Vogel jun.

Plattformen: Apotheken nur „angeschlossene Abwickler“

Stuttgart - 10.07.2020, 09:00 Uhr

Dr. Hermann Vogel jun. ist in siebter Generation Apotheker. Zu den derzeit laufenden Plattform-Aktivitäten hat er eine klare Meinung. (c / Foto: DAZ/Armin Edalat)

Dr. Hermann Vogel jun. ist in siebter Generation Apotheker. Zu den derzeit laufenden Plattform-Aktivitäten hat er eine klare Meinung. (c / Foto: DAZ/Armin Edalat)


Ja zu digitalen Services, Nein zur Plattformökonomie – Apotheker Dr. Hermann Vogel jun. aus München hat eine klare Haltung zu den aktuellen Entwicklungen im Markt. Seit 20 Jahren engagiert er sich als Initiator prominenter Digitalprojekte im Apothekenbereich und hat zugleich Internet-Giganten wie Amazon vor Gericht die Grenzen des Möglichen aufgezeigt. Die Aktivitäten der Plattformprojekte sieht er äußerst kritisch. Die DAZ hat mit Vogel im Rahmen eines größeren Interviews gesprochen, das hier auf DAZ.online vorab und auszugsweise veröffentlicht wird.

Man könnte ihn als ein „Grandseigneur“ der Apothekendigitalisierung betiteln, doch so alt ist Dr. Hermann Vogel jun. noch längst nicht. Vogel ist in siebter Generation Apotheker, betreibt mit seiner Frau mehrere Apotheken in München und engagiert sich seit 20 Jahren als Initiator zahlreicher digitaler Projekten im Apothekenbereich. Im Jahr 2000 gründete er apotheken.de und präsentierte dort den ersten online verfügbaren deutschlandweiten Apothekennotdienstplan. Im Jahr 2011 konzeptionierte er für den inzwischen verstorbenen Wort&Bild-Verleger Rolf Becker die erste Apotheken-App, die drei Jahre später auch als individualisierbare Tablet-Anwendung in den Stores verfügbar war. 2017 initiierte er die Apotheken-App ApoSync, die im April 2020 von der ARZ Haan Gruppe übernommen wurde.

Daneben wurde Vogel jun. auch mit einem Gerichtsverfahren gegen Amazon bekannt. Der Apotheker hatte gegen zwei Kollegen geklagt, die apothekenpflichtige Arzneimittel über die Verkaufsplattform Amazon angeboten und vertreiben hatten. Im vergangenen November fällte das Oberlandesgericht Naumburg in den zwei Verfahren eine für den Apothekenmarkt wichtige Entscheidung: Aus datenschutzrechtlichen Gründen müssen Apotheker, die den Amazon Marketplace zum Arzneimittelvertrieb nutzen, sicherstellen, dass ihre Kunden zuvor in die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung ihrer bei der Bestellung angegebenen Gesundheitsdaten eingewilligt haben.

Von dem noch nicht rechtskräftigen Urteil fühlt sich Hermann Vogel jun. bestätigt, dass Arzneimittel und Patientendaten in die obhut der Vor-Ort-Apotheken gehören. Das bedeutet für ihn, dass man im Hinblick auf Digitalprojekte differenzieren muss. Wie, erläutert er im DAZ-Interview.

DAZ.online: Der Versandhandel mit Arzneimitteln hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Bedeutet dies, dass die Apotheken vor Ort hier nicht mithalten können?

Vogel: Sehen Sie es doch mal so: Nach über 15 Jahren Versandhandel wird der Großteil der Arzneimittel immer noch über die Apotheke vor Ort abgegeben. Natürlich haben wir einen schmerzlichen Umsatzanteil an preissensiblen Kunden und Schnäppchenjägern verloren. Digital zu shoppen mag vielleicht in manchen Situationen auch seine Vorteile haben. Wer aber glaubt, als Apotheker vor Ort durch digitale Plattformen oder Click and Collect den Versendern nachhaltig Kunden wieder abwerben zu können, ignoriert die Fakten.

DAZ.online: Und die wären?

Vogel: Die Arzneimittelversender sind anonym, preislich konkurrenzlos und erfüllen mittlerweile in ihren Shopsystemen digitale Standards, die „normale“ Apotheken nicht leisten können. Die Apotheken vor Ort sind dagegen persönlich, kompetent, übergeben die Arzneimittel sofort, liefern unmittelbar und können gerade hinsichtlich Lieferengpässe und Rabattverträge exklusiv schnelle und akzeptable Lösungen anbieten. Jeder Apotheker sollte hier eine klare Position beziehen. Natürlich ist auch der Datenschutz ein großes Thema: Bei der Apotheke vor Ort sind die Patientendaten sicher, niemand weiß, was bei einer ausländischen Versandapotheke oder einem großen US-Konzern, der mit Apotheken kooperiert, mit den Patientendaten passiert. 



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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