Coronakrise: WHO warnt

Nach dem Virus – vor den Bakterien?

Stuttgart - 25.06.2020, 07:00 Uhr

Düstere Zeiten: Droht uns nach dem Coronavirus eine post-antibiotische Welt? (Foto: De Visu / stock.adobe.com)

Düstere Zeiten: Droht uns nach dem Coronavirus eine post-antibiotische Welt? (Foto: De Visu / stock.adobe.com)


Während sich Forschungen weltweit derzeit in einzigartiger Weise auf die Eindämmung, Vorbeugung und Therapie von COVID-19 fokussieren, treten andere Aktivitäten in den Hintergrund. So berechtigt dies in der aktuellen Krisensituation erscheinen mag, so schwerwiegend könnten sich die Restriktionen durch die Schließung von Laboren und die Verlagerung von Forschungsförderungen zukünftig auswirken. Dieser Bumerang könnte ausgerechnet auch aus dem Bereich der Infektiologie mit Wucht zurückkehren, mit einer schon lange bekannten Problematik: Antimikrobielle Resistenzen.

Antimikrobielle Resistenzen stellen laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine der größten Bedrohungen im 21. Jahrhundert dar. Weltweit sterben nach Schätzungen jährlich 700.000 Menschen an medikamentenresistenten Infektionen, mit steigender Tendenz. Zur zunehmenden Resistenzrate trägt einerseits ein weitverbreiteter unsachgemäßer Gebrauch etablierter Antibiotika bei. Die Situation verschärft sich andererseits auch durch die mangelnde Neuentwicklung von innovativen, resistenzbrechenden Wirkstoffen.

In der aktuellen Krisensituation befürchtet die WHO jetzt, dass sich die Resistenzrate aufgrund eines verstärkten unsachgemäßen Gebrauchs noch erhöhen wird. Sie hält daher in Leitlinien fest, dass nur ein geringer Anteil von COVID-19-Patienten auf eine Antibiotika-Therapie im Zuge bakterieller Superinfektionen angewiesen ist und dass demzufolge bei leichten und mäßigen Verläufen keine nicht-indizierte Prophylaxe oder Therapie mit Antibiotika erfolgen sollte. 

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Um den zunehmenden Resistenzraten entgegenzutreten, hat die WHO darüber hinaus sogenannte Target-Produktprofile erstellt. In diesen werden Anforderungen zu Neuentwicklungen in besonders relevanten Anwendungsgebieten für die Bereiche Industrie, Regulatorik und Forschungsförderung genannt. Neben der Nennung des individuellen Forschungsbedarfs werden auch Modelle entwickelt, um die Kosten sowie Finanzierungsmodelle für die Antibiotika-Entwicklung zu simulieren. Vor dem Hintergrund der ökonomischen Auswirkungen der aktuellen Krise darf man hoffen, dass die Forderungen der WHO Gehör finden.


Apotheker Dr. Peter Meiser
redaktion@daz.online


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