Kommentar

Die Selbstzerstörung der FDP

Stuttgart - 10.01.2020, 09:00 Uhr

FDP-Chef Christian Lindner bevorzugt inzwischen die „politische Mitte“, wo bekanntlich auch schon die SPD und Union um Wählerstimmen ringen. Damit droht die FDP in Profil- und Bedeutungslosigkeit zu versinken, meint DAZ-Chefredakteur Dr. Armin Edalat. (c / Foto: imago images / M. van Offern)

FDP-Chef Christian Lindner bevorzugt inzwischen die „politische Mitte“, wo bekanntlich auch schon die SPD und Union um Wählerstimmen ringen. Damit droht die FDP in Profil- und Bedeutungslosigkeit zu versinken, meint DAZ-Chefredakteur Dr. Armin Edalat. (c / Foto: imago images / M. van Offern)


FDP-Chef Christian Lindner hat beim Dreikönigstreffen seiner Partei mal wieder klargestellt: Man sei keine Arbeiter- und Bauernpartei und erst recht keine Partei für Unternehmer und Apotheker. Lindner bevorzugt hingegen die „politische Mitte“, wo bekanntlich auch schon die SPD und Union um Wählerstimmen ringen. Damit droht die FDP in Profil- und Bedeutungslosigkeit zu versinken und sich am Ende selbst zu „zerstören“ – ganz ohne Zutun blauhaariger Youtube-Stars, meint DAZ-Chefredakteur Dr. Armin Edalat.

Eigentlich ist es ja etwas Schönes: Aufeinander zugehen, Gemeinsamkeiten finden und zusammen etwas bewegen. Aus dieser Motivation heraus sollen schon Kriege verhindert und die ein oder andere Ehe geschlossen worden sein. In einer Demokratie kann dieser Schuss schnell nach hinten losgehen, denn sie lebt und pulsiert bekanntlich vom Diskurs. Wenn Politiker ihre Parteienzugehörigkeit öfter wechseln als Wähler ihre Stimmen und das auch noch öffentlich stolz präsentieren, dann sorgt das landläufig für Irritationen. So geschehen beim Dreikönigstreffen der Liberalen Anfang der Woche. FDP-Chef Christian Lindner präsentierte ein neues, prominentes Parteimitglied: Ex-SPD-Bundestagsabgeordneter und Ex-Sozialminister von Rheinland-Pfalz Florian Gerster ist zu den Liberalen gewechselt.

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Und während Lindner seine Eroberung sieghaft vorführt, wird man als Beobachter das Gefühl nicht los, dass sich die FDP auch plötzlich dem linken Wählerspektrum geöffnet hat. Ohne Not hätte ein Parteichef der Liberalen niemals zuvor Begriffe wie „Hartz IV“, „Sozialstaat“ oder „Bedürftigkeit“ in den Mund genommen. Doch der neue Lindner scheint sich für nichts zu schade zu sein. Im Nebensatz lassen sich geschwind noch die in Bürokratie versinkenden Unternehmer ansprechen. Mitnehmen, was geht also. Die Welt ist bunt, während die eigenen Wahlplakate immer monochromatischer werden.

Es ist unbestritten, dass die FDP seit ihrer Gründung 1948 auch die politische Heimat vieler Apotheker ist und war – prominentes Beispiel: der amtierende ABDA-Präsident Friedemann Schmidt. Die Liberalen haben sich stets zur sozialen Marktwirtschaft und einer staatlichen Ordnungspolitik bekannt. Arbeitsplätze schaffen und Bürokratie abbauen, lautete das Motto, eine Vereinfachung des Steuerrechts inklusive. Doch rückblickend darf heute bezweifelt werden, was von diesen Zielen erreicht werden konnte. Die FDP – als Oppositionspartei oder in Regierungsverantwortung – hat gemessen daran keine tiefen Fußabdrücke in der Geschichte der Bundesrepublik hinterlassen können.

Fast alle etablierten Parteien streben derzeit danach, sich von einer Klientel zu lösen oder mit gar keiner konkreten Bevölkerungsgruppe erst in Verbindung gebracht zu werden. Man fischt aus Sorge vor populistischen Strömungen nach Wählern und Mitgliedern überall – etwas links, etwas rechts und in der großen Mitte. Als eine „Apotheker-Partei“ betitelt zu werden ist daher aus nachvollziehbaren Gründen so unattraktiv wie eine Autofahrer- oder Seniorenpartei zu sein. Damit gewinnt man keine Wahlen, erhält keine Verantwortung und wird auf internationaler Ebene nicht ernst genommen.

Doch dies öffentlich auf großer Bühne heraus zu posaunen, ist alles andere als ein kluger Schachzug – eher ein Armutszeugnis, das den eigenen (noch verbliebenen) Mitgliedern und Wählern gehörig vor den Kopf stößt. Was also tun, als Apothekerin oder Apotheker in der FDP? Grinsen, ducken und wegrennen oder bleiben und hoffen auf nachfolgende Parteivorsitzende mit weniger provinziellem Einschlag.


Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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Ein Kommentar von DAZ-Chefredakteur Dr. Armin Edalat

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9 Kommentare

parlamentarische Demokratie

von Holger am 13.01.2020 um 9:10 Uhr

Ich empfinde es als DAS Dilemma der parlamentarischen Demokratie, dass ich alle vier Jahre mein Kreuzchen nur bei einem Gesamtpaket machen kann. Und da komischerweise nie eines der angebotenen Gesamtpakete zu 100% meine Positionen abbildet, läuft es immer auf das Kreuz beim "kleinsten Übel" hinaus. Und nach der Wahl frage ich mich immer, warum dieses kleinste Übel eigentlich so groß sein muss.

Aus der Sicht der Parteien ist es doch nicht besser. Wird man als EINER Klientel nahestehend wahrgenommen, verdirbt man es sich damit automatisch mit vielen anderen Gruppen. Apothekerpartei? Es gibt nur wenige Apotheker, macht also keinen Sinn, denn damit würde man sich bei allen Nicht-Apothekern schlechter stellen. Autofahrerpartei? Davon gibt's schon deutlich mehr, aber seit das Klima-Gretel durch die Medien wütet ist die Gruppe der Autogegner politisch irgendwie relevanter als die der Autobauer und -fahrer.

Wen wundert da die Wolkigkeit, Beliebigkeit, Austauschbarkeit der Parteipositionen? Wenn man es sich mit niemandem verderben will, kommt sowas halt dabei heraus. Besonders ärgerlich ist dann, dass mit der AfD die Partei, die das auf die Spitze treibt und praktisch gänzlich auf inhaltliche Positionen verzichtet, noch am meisten profitiert.

Leider habe ich auch keinen guten Masterplan, wie wir aus dieser dunklen Ecke wieder rauskommen.

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FDP vs Fortunato Bergamotto

von Ch. Beck am 11.01.2020 um 16:16 Uhr

Ganz ehrlich Herr Bergamotto,

der einzige Grund bei den letzten Wahlen an ein Kreuzchen bei der FDP zu denken war:
- SPD, Grüne, CDU/CSU waren mit Ihren Positionen indiskutabel
- AfD geht es bekannten Gründen wirklich nicht

Finden Sie das ausreichend? Und jetzt möchte Herr Lindner oder die FDP auch noch den Kampf um die nach links erweiterte Mitte aufnehmen? Viel Spaß dabei ...

Einzig die Linken haben im Gesundheitsbereich einige gute Leute und Themen gebracht.
Aber was sollen liebrale oder (wert-)konservative Bürger Ihrer Meinung nach wählen? Durch wen werden sie wirklich noch vertreten?
FDP? Ich sag nur JuLi´s und Ch. Lindner
SPD? Thermopapier Olaf und Ulla Schmidt sowie die neue Parteispitze
CDU/CSU? Jens Spahn (ohne Worte!!!)
Grüne? Nein, die Rabatte haben nichts mit Drug Shortages zu tun - wir stellen gerne Dinge her die sich nicht bezahlt machen (macht jede Apotheke).

Und jetzt? Auswandern?

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AW: FDP vs Fortunato Bergamotto

von Fortunato A. Bergamotto am 13.01.2020 um 17:48 Uhr

Sehr geehrter Herr Beck,
es ist jedem überlassen, wo er sein Kreuz macht. Und mein Kommentar war in keiner Weise als FDP-Werbung gedacht. Wie Sie sehen können, war es nicht schwer herauszufinden, wer ich bin und woher ich komme. Wenn Kommentare, dann niemals Anonym.
Auch akzeptiere ich die Meinungen, die ich hier lese.

Auslöser für meinen Kommentar, war die Überschrift des Artikels und die nicht Sinngemäße Wiedergabe von Lindners Rede.
Aber ich freue mich, dass es einen kleinen, regen Diskurs hier gibt und freue mich das andere sich auch mit Inhalten außeinander setzen, auch wenn das Kreuz nicht dort landet wo ich es vielleicht mache.
Und ich glaube Auswandern ist nicht nötig.

@ Stefan Haydn

von Dr. Dietmar Roth, Rottenburg am 11.01.2020 um 11:30 Uhr

Sehr geehrter Herr Haydn,
Herr Fortunato A. Bergamotto ist Beisitzer im
Ortsverein der FDP Freiberg-Ingersheim-Pleidelsheim.
Mit freundlichen Grüßen
Dietmar Roth

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AW: @ Stefan Haydn

von Dr. Dietmar Roth, Rottenburg am 11.01.2020 um 11:35 Uhr

Die Information haben ich hier gefunden:
https://www.fdp-fip.de/personen/
Seitenabruf am 11012020 11.30Uhr

Die Selbstzerstörung der FDP

von Fortunato A. Bergamotto am 10.01.2020 um 16:05 Uhr

Sehr geehrter Herr Dr. Armin Edalat, Apotheker und Chefredakteur.

Man kommt bei der Lektüre Ihres Artikels nicht umhin an einen beleidigten, in diesem Fall, Apotheker zu denken. Ansonsten kann ich die unqualifizierten Bemerkungen und Schlussfolgerungen Ihrerseits nicht nachvollziehen oder Begründen.
Aussagen des Herrn Lindner zu Arbeitern, Unternehmern etc. beim Dreikönigstreffen in Stuttgart werden von Ihnen aus dem Zusammenhang gerissen und nicht Sinngemäß weitergegeben.
Auch das die FDP sowohl in der Opposition wie auch in Regierungsverantwortung "keine tiefen Fußabdrücke in der Geschichte der Bundesrepublik hinterlassen konnte" zeugt nur von mangelden Geschichtskenntnissen.
Oder einfach nur eine Aussage eines beleidigten Apothekert.
Ich stelle mir immer wieder die Frage warum Journalisten etablierter Medien so etwas nötig haben.

» Auf diesen Kommentar antworten | 3 Antworten

AW: Eine Meinung

von Stefan Haydn am 10.01.2020 um 19:38 Uhr

darf jeder haben, doch wie wäre es sich wie Herr Edalat klar dazu zu bekennen?
Solange Sie hier unter Pseudonym schreiben, muss ich davon ausgehen, dass Sie sich persönlich beleidigt fühlen.
Eine Aussage unter Pseudonym ist in einer Diskussion wertlos und zeugt auch von einer gewissen Feigheit.
Ich gehe mal davon aus Sie möchten ihre Identität nicht preisgeben, da sie entweder FDP-Mitglied sind oder zumindest sehr FDP nah.

Ich finde aktuell so gar nichts überzeugendes an dieser schon immer eher kleinen Partei.
Aber nur zu, es gilt die SPD im Abstieg zu schlagen. Der Kurs scheint zu stimmen.

AW: Punkt 2

von Stefan Haydn am 10.01.2020 um 19:45 Uhr

Sollten Sie allerdings tatsächlich Herr Fortunato Bergamotto sein, nehme ich die Kritik bzgl. Pseudonym gerne zurück.

Zumindest die Frage nach der Nähe zur FDP stellt sich dann auch nicht mehr.

AW: Die Selbstzerstörung der FDP - ohne Sinn

von ratatosk am 12.01.2020 um 17:05 Uhr

Nein, es handelt sich nicht einfach um einen beleidigten Apotheker, auch wenn das für FDP Angegörige wohl nicht mehr begreifbar ist. Man muß Apotheker nicht besonders mögen, aber kein noch so großer Ignorant würde z.B einfach sagen, daß er grundsätzlich keine Handwerker mag, warum sollte jemand diese auch tun. Man kann einzelne schätzen oder auch nicht. Bei den Bäckern verläßt die FDP schon wieder die Nichtklientelsichtweise und schreibt diesen Liebesbriefchen, wie albern ist das denn.? Wenn einer den Apotheken grundlos die Feindschaft ganz geziehlt erklärt, muß man dies annehmen, aber braucht das auch von einem Lindner nicht toll finden, hat nichts mit unbegründetem Beleidgtsein zu tun. Meine Konsequenz ist schon länger, aktiv gegen die FDP und ihre Umtriebe zu argumentieren, konnte schon einige von der Stimmabgabe abhalten, auch das ist politische Betätigung.
Das Beleidigtsein ist im übrigen ja wohl Lindners Eigenheit, warum ? man weiß es nicht so genau, hat evt. mal ein Gutti nicht wie derwartet bekommen.
Leider erkennt die FDP Führung auch nicht die einfache Faktenlage, daß jede Partei ! daher auch der Name, nie alle Gruppen gleichartig vertreten kann und will, daher ist im weiteren, durchaus auch neutralen Sinn, jeder Partei ein Klientelpartei, wobei die Größe der Zielgruppe unterschiedlich ist. Zum Verständniss auch für die FDP in einfachen Worten - Mann kann eine Bauernpartei sein wollen, oder auch nur für Bio - Bauern. Hat auch was mit Mengenlehre zu tun, wenn ein Funktionär mal bei Google schauen will, soziologische Werke sind da eher komplexer und für einige unverständlicher.

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