Klarstellung des GKV-SV

Preisanker: Keine Apotheken-Rücksprache mit dem Arzt nötig

Berlin - 24.10.2019, 10:15 Uhr

Wenn im Falle eines Lieferengpasses keine Produkte mit Preisen unterhalb des „Preisankers“ verfügbar sind, müssen die Apotheker vor dem Austausch keine Rücksprache mit dem Arzt halten. (m / Foto: imago images / Westend61)

Wenn im Falle eines Lieferengpasses keine Produkte mit Preisen unterhalb des „Preisankers“ verfügbar sind, müssen die Apotheker vor dem Austausch keine Rücksprache mit dem Arzt halten. (m / Foto: imago images / Westend61)


Seitdem der neue Rahmenvertrag in Kraft ist, macht der sogenannte Preisanker den Apothekern zunehmend Ärger. Bei Überschreitung dieses Preisankers hatte der Deutsche Apothekerverband den Pharmazeuten empfohlen, vor der Änderung des Rezeptes Rücksprache mit dem verordnenden Arzt zu halten. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sah hingegen keine Notwendigkeit für die vielen Anrufe aus der Apotheke. Nun setzt der GKV-Spitzenverband einen Schlusspunkt unter die Debatte und erklärt gegenüber Ärzten und Apothekern, dass keine Anrufe nötig sind, wenn keine Produkte mit Preisen unterhalb des „Preisankers“ verfügbar sind.

Immer mehr Arzneimittel sind derzeit nicht lieferbar. Apotheker müssen dann für Ersatz sorgen und schauen, welches wirkstoffgleiche Präparat sie abgeben können. Beachten müssen sie dabei allerdings zahlreiche Austauschregeln, die zuletzt durch den neuen Rahmenvertrag zwischen dem Deutschen Apothekerverband und dem GKV-Spitzenverband erneuert wurden. Neu bei diesen Austauschregeln ist seit Juli dieses Jahres unter anderem der Auswahlbereich. So kamen früher die drei preisgünstigsten Mittel infrage sowie das namentlich Verordnete. Seit Juli sind es die vier preisgünstigsten. Das namentlich verordnete Arzneimittel ist nur noch dabei, wenn es unter diese vier fällt. Nicht neu ist hingegen, dass der Preisanker, also die ärztlich gesetzte Preisobergrenze, nicht ohne Weiteres überschritten werden darf.

Die Frage war also: Was müssen die Apotheker tun, wenn ihnen zum Austausch nur ein Arzneimittel zur Verfügung steht, das oberhalb dieser Preisgrenze liegt? Sollen Sie den Arzt vorher anrufen oder den Austausch vornehmen? Der DAV hatte dazu eine klare Meinung und empfiehlt den Apothekern im Kommentar zum neuen Rahmenvertrag, den Arzt anzurufen. Wörtlich heißt es in dem Kommentar: „Hintergrund der zwingenden Rücksprache ist es, dass der Arzt die Wirtschaftlichkeit seiner Verordnung zu verantworten hat. Ohne entsprechende Arztrücksprache darf der Preisanker daher nicht überschritten werden.“

Die KBV sah das allerdings anders. Ihren Mitgliedern, also den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen), teilte sie zuletzt mit, dass es reiche, wenn der Apotheker das Rezept mit einem Sonderkennzeichen markiere. Die KBV verwies auf den GKV-Spitzenverband, der die Sache bald klarstellen werde. Diese Klarstellung liegt DAZ.online nun vor. Auch der DAV hofft schon lange auf eine solche Klarstellung. Gegenüber dem DAV und der KBV erklärt der Kassenverband, dass eine Rücksprache mit dem Arzt nicht notwendig sei, weil der Rahmenvertrag dies bereits so vorsehe. Die Apotheke müsse die Nicht-Verfügbarkeit allerdings weiterhin mit Defektbelegen dokumentieren und das vereinbarte Sonderkennzeichen auftragen. Im Falle der Akutversorgung und des Notdienstes müssen zusätzliche Informationen auf dem Arzneiverordnungsblatt handschriftlich vermerkt, mit Datum versehen und separat abgezeichnet werden. Die Klarstellung wörtlich:


Der aktuelle Rahmenvertrag sieht eine Neuerung bei der Abgabe von Arzneimitteln vor. Das namentlich verordnete Arzneimittel (nach § 12 Satz 4 Rahmenvertrag) gibt einen sogenannten Preisanker vor. Das abzugebende Arzneimittel darf nicht teurer sein, als das namentlich verordnete Arzneimittel. Sollte es z. B. aufgrund von Lieferengpässen nicht möglich sein, das verordnete Arzneimittel abzugeben, greifen die Regelungen im § 14 Absatz 1 Rahmenvertrag: das nächstpreisgünstigere Arzneimittel ist abgabefähig und der Apotheker ist verpflichtet dies zu dokumentieren. Die Regelungen im Rahmenvertrag sind so gefasst, dass dann keine Rücksprache mit dem verordnenden Arzt notwendig ist. Diese Regelungen zur Dokumentation gelten auch für den Sonderfall ‚Abgabenotwendigkeit in einem dringenden Fall‘ nach § 14 Absatz 2 des Rahmenvertrags sowie für den Fall den der § 14 Absatz 4 des Rahmenvertrags beschreibt (dringliche Abgabe und notwendige Abweichung von der Importabgabe).“

Klarstellung des GKV-SV


Dies dürfte die von den Apothekern lang erwartete Klärung sein. Eine Stellungnahme des DAV dazu steht noch aus. Doch es spricht alles dafür, dass das Sonderkennzeichen als Dokumentation ausreicht, wenn anders keine Versorgung möglich ist.


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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10 Kommentare

Dr. Klaus Michels et al. ....

von Gunnar Müller, Detmold am 27.10.2019 um 8:22 Uhr

Fragen wir ihn doch einmal zu seiner Verantwortung auf der kommenden Mitgliederversammlung am 20. November, die er netterweise auf einen Mittwoch-Nachmittag gelegt hat und bei der er sicherlich wiedergewählt werden möchte ...

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Die eigentliche Frage wurde aber noch nicht beantwortet

von Hummelmann am 24.10.2019 um 19:07 Uhr

Bevor jetzt alle Beteiligten (Politiker, Krankenkasse, Ärzte und Apotheker) in Glückseeligkeit schwelgen, möchte ich noch gerne eine Frage beantwortet haben:
Wozu gibt es den Preisanker überhaupt?
Ohne Preisanker müssen wir entweder Rabatt-Vertrag beachten oder ohne Rabatt-Vertrag eine der vier preisgünstigsten Alternativen abgeben. Ist das nicht möglich, so ist es der nächstgünstigste, verfügbare Artikel abzugeben.
Wenn wir den vom Arzt ausgewählten Preisanker OHNE Rücksprache überschreiten dürfen, brauchen wir diese Regelung gar nicht. Denn sie schafft nur unnötige Dokumentationsarbeit. An der Artikelauswahl und der Abgabe dagegen ändert sich gar nichts.
Also: Die Bürokratie muss weg = Der Preisanker ist überflüssig.
SO MUSS DIE NEUE REGEL LAUTEN !!!!
Apothekerkammer und Apothekervereine kümmert Euch darum. Ihr seid unsere Interessensvertreter!

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AW: Richtig - aber !

von ratatosk am 28.10.2019 um 9:21 Uhr

Die Ausführungen sind hervorragend und logisch, daher nichts für Poliitk und GKV. Der Sinn des Preisankers ist natürlich die Möglichlichkeit Retaxdrückerkolonnen zu beschäftigen, daher braucht man solch verrückte und unpraktikable Verordnungen, je schwachsinniger, desto mehr Retax, so einfach ist das.

Preisanker

von Conny am 24.10.2019 um 14:46 Uhr

So einen Schwachsinn konnten auch nur bestimmte Personen aushandeln. Aber Sie wurden ja wieder von den Lemmerlingen beklascht.

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Preisanker

von Nicola Sundermann am 24.10.2019 um 13:32 Uhr

Tag täglich fragen wir uns ,wo unsere Standesvertretung ist!
Die Abschaffung des Preisankers ist der Initiative der Ärzte zu verdanken, der Apotheker setzt ,wie immer alles brav um !
Unglaublich ist ,dass weder die Kammer in Hessen ,noch der Hav es für nötig hält uns offiziell über diese wichtige Änderung zu informieren!
Apotheker fängt endlich einmal an euch zu wehren!

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Seriöse Kassen

von ratatosk am 24.10.2019 um 12:01 Uhr

Der Satz " Doch es spricht alles dafür, dass das Sonderkennzeichen als Dokumentation ausreicht, wenn anders keine Versorgung möglich ist." zeigt, daß alles doch vage ist. Wenn dann noch die Drückerkolonnen der Ersatzkassen zuschlagen, sollte man sich nicht auf Goodwill der Kassen verlassen, die haben nämlich keinen. Hier gilt wie bie Lui de Funes " ich verspreche alles und halte nichts " nur durch den Arbeitsdruch durch die Anrufe haben wir über die Ärzte, traurig aber einzig realistisch, die Chance, daß dieser blödsinnige Rahmenvertrag etwas vernünftiger nachgestaltet wird. Für die Kassen ist er blos ein Retaxparadies.

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Rückruf

von Jan Kusterer am 24.10.2019 um 11:39 Uhr

Durch ständige Rückrufe aufgrund vom Preisanker haben wir uns in der Ärzteschaft wieder mehr vom kompetenten Heilberufler entfernt und uns mehr Richtung Schubladenzieher ohne Kompetenz im Auftrag der Ärzte und Krankenkassen entwickelt. Well Done!!

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immer das gleiche

von J.M.L. am 24.10.2019 um 11:37 Uhr

Wenn die Ärzte Druck machen, dann ändert sich zügig etwas, warum nicht bei unserer Standesvertretung? Apropos, der äußerst tragische Lidocain-Fall wäre eine Steilvorlage für unsere Standesvertretung gewesen, auf die ~ 2,00 € Vergütung für Glucose hinzuweisen und explizit die miserable, ja schon fast desaströse Vergütung anzuprangern!

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Preisanker

von Sven Larisch am 24.10.2019 um 11:19 Uhr

Na ich hoffe, das diese Regelung auch an die Softwarehäuser entsprechend kommuniziert wird. Mein Problem: bei Erreichung des Preisankers verweigert der PC weitere, teurere Möglichkeiten aufzulisten sowie den Aufdruck einer Sonder PZN. Es gibt nur ein Fenster: Rahmenvertrag ausgeschöpft- mit Arzt in Verbindung setzen. Und ehrlich- dieser neue Rahmenvertrag hat dies offensichtlich nicht bedacht- saßen da Leute drin, die in Ihren Apotheken noch täglich arbeiten? Und warum soll ich den Arzt nicht anrufen, wenn er durch seine Auswahl eines Medikaments (manchmal sogar AV) die Abgabe behindert, weil der Großteil der Ärzte unfähig ist, ihre Software aktuell zu halten und zu benutzen. Wieso werden für Ärzte immer und immer wieder Ausnahmen zugelassen? Jammern Sie lauter als Apotheker, das dadurch die Versorgung des Patienten gefährdet ist?.
Ich sehe die Versorgung auch durch solche unfähigen Verordnungen gefährdet. Also Stress für alle Parteien.
Patient, Arzt und Apothekenpersonal.

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AW: Preisanker

von Kuenen Michael am 24.10.2019 um 11:39 Uhr

Das kann ich nur bestätigen. Viele Ärzte arbeiten mit veralteter Sofrware. Oder die Arzthelferinnen bedienen sie falsch Da werden Arzneimittel aufgeschrieben , die schon solange AV sind, das wir in alten Roten Listen nachsehen müssen um die Zusammensetzung nachzuschlagen. Die sind schon lange nicht mehr im Artikelstamm enthalten.

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