Lieferengpässe in Liechtenstein

„So prekär war die Situation noch nie“

Remagen - 17.07.2019, 09:00 Uhr

Im Fürstentum Liechtenstein leiden die Patienten, Apotheker und Ärzte offenbar besonders heftig unter Arzneimittel-Lieferengpässen. Grund dafür könnte die Abhängigkeit vom Liefersystem der Schweiz sein. ( r / Foto: imago images / Becker & Bredel)

Im Fürstentum Liechtenstein leiden die Patienten, Apotheker und Ärzte offenbar besonders heftig unter Arzneimittel-Lieferengpässen. Grund dafür könnte die Abhängigkeit vom Liefersystem der Schweiz sein. ( r / Foto: imago images / Becker & Bredel)


Es vergeht mittlerweile kein Tag mehr ohne Hiobsbotschaften über Lieferengpässe bei Arzneimitteln. Sie betreffen die großen Länder ebenso wie die kleinen. Besonders hart trifft es aber diejenigen, die bei der Versorgung ohnehin am Tropf der anderen hängen, wie das Fürstentum Liechtenstein. 

Dass bestimmte Medikamente kurzzeitig nicht lieferbar seien, sei nichts Außergewöhnliches, berichtet das „Liechtensteiner Vaterland“, aber jetzt sei die Situation so prekär wie noch nie. Der Präsident des Apothekervereins des Fürstentums Nikolaus Frick berichtet in der Zeitung von 604 Arzneimitteln von etwa 70 Pharmaherstellern, die auf der Liste der in Liechtenstein und der Schweiz nicht lieferbaren Medikamente zu finden sind. Eine solch ausgeprägte Situation habe er noch nie erlebt. Im Gegensatz zu den wegen geringer Nachfrage abgesetzten Präparaten seien von diesen Engpässen viele Medikamente betroffen, die dringend gebraucht würden, sagt Frick, beispielsweise Blutdruck- und Cholesterinsenker, aber auch der allseits bekannte Arzneistoff Ibuprofen.  

Enormer Preisdruck im Lieferland Schweiz

Die Gründe für die Engpässe werden dem enormen Preisdruck in der Schweiz zugeschrieben. Seit mehr als zehn Jahren „kometenhaft“ sinkende Medikamentenpreise bei gleichzeitig hohen Personalkosten in den Pharmaunternehmen zwängen diese dazu, bestimmte Arzneistoffe nur noch an einzelnen Standorten, meist im „billigeren“ Ausland zu produzieren. Dies habe wiederum zur Folge, dass manche Rohstoffe der Qualitätskontrolle nicht mehr standhielten und dann zu Versorgungsengpässen führten, wie etwa im Fall von Valsartan.

Die Apotheken, Ärzte und das Landesspital müssten in solchen Fällen auf Alternativen ausweichen, gegebenenfalls das entsprechende Arzneimittel im benachbarten EU-Raum „organisieren“. Nur sei das nicht immer möglich, meint Frick.

Landesspital versucht es mit gezielter Steuerung

„Es gibt Medikamente, die schon seit mehreren Jahren nur knapp verfügbar sind“, erklärt Jana Meister, die die Apotheke des Landesspitals leitet, gegenüber dem Liechtensteiner Vaterland. Aktuell seien sechs Präparaten, darunter Impfstoffe und Präparate für das Herz-Kreislauf-System von Lieferschwierigkeiten betroffen. Noch wisse man sich aber ganz gut zu helfen, und zwar durch eine gezielte Steuerung der Versorgung. Hierdurch werde versucht, Engpässe durch frühzeitige Bestellungen, rechtzeitige Aufstockung der Lagermengen und durch den aktiven Austausch mit den Lieferanten zu vermeiden.

Fünf Apotheken versorgen 38.100 Einwohner

Liechtenstein ist mit 160 Quadratkilometern der viertkleinste Staat Europas. Die 38.100 Personen zählende Bevölkerung verteilt sich auf elf Gemeinden. 5500 Einwohner leben im Hauptort Vaduz. In Liechtenstein gibt es fünf Apotheken, was einer Versorgungsdichte von 7620 Einwohnern pro Apotheke entspricht. Neben dem klassischen Sortiment rezeptpflichtiger und rezeptfreier Arzneimittel wird dort eine Vielzahl an Produkten und Dienstleistungen angeboten.

Wie in einem Papier des Liechtensteiner Apothekervereins nachzulesen ist, sind die Apotheken des Fürstentums seit jeher eigentlich „Schweizer Apotheken“ auf Liechtensteinischem Territorium. Dort werden Schweizer Arzneimittel verkauft. Es gelten die Schweizer Abrechnungssysteme mit Krankenkassen, Schweizer Tarifverträge. Auch die Gesetzgebung basiert auf Schweizer Gesetzesgrundlage (zum Beispiel dem Heilmittelgesetz).


Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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