Zytostatika in der ambulanten Klinikversorgung

Privatversicherer können Umsatzsteuer teilweise zurückfordern

Berlin - 21.02.2019, 15:15 Uhr

Auf individuelle Zyto-Zubereitungen, die ambulant in Kliniken zur Anwendung kommen, fällt keine Umsatzsteuer an. Wo sie dennoch berechnet wurde, kann sie unter Umständen zurückgefordert werden. (c / Foto: RFBSIP/ stock.adobe.com)

Auf individuelle Zyto-Zubereitungen, die ambulant in Kliniken zur Anwendung kommen, fällt keine Umsatzsteuer an. Wo sie dennoch berechnet wurde, kann sie unter Umständen zurückgefordert werden. (c / Foto: RFBSIP/ stock.adobe.com)


Im Streit mit Kliniken um die Kosten für in der ambulanten Behandlung eingesetzte Zytostatika können private Krankenkassen grundsätzlich einen Teil des Geldes für ihre Versicherten zurückfordern. Es müssen allerdings bestimmte Voraussetzungen vorliegen, entschied am gestrigen Mittwoch der Bundesgerichtshof in einem Grundsatzurteil. Details sind nun erneut von den Berufungsgerichten zu klären.

Die Frage, ob für von Krankenhausapotheken individuell hergestellte Zyto-Zubereitungen, die Patienten bei ambulanten Krebsbehandlungen in Kliniken verabreicht werden, eine Umsatzsteuer von 19 Prozent fällig wird oder nicht, hat die Gerichte seit Jahren beschäftigt. Im September 2014 entschied der Bundesfinanzhof (BFH), dass solche Zytostatika umsatzsteuerfrei sind. Denn ihr Umsatz sei mit dem der ärztlichen Heilbehandlung eng verbunden im Sinne des § 4 Nr. 16 Buchstabe b UStG aF (= § 4 Nr. 14b UStG nF). Im Jahr 2016 folgte ein Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen an die obersten Finanzbehörden, mit dem dieses unter entsprechender Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses klarstellte, dass der Entscheidung des BFH in der Finanzverwaltung gefolgt werde.

Umsatzsteuerpflicht stand lange nicht infrage

Wem also die Umsatzsteuer für die Arzneimittel berechnet wurde, hat letztlich zu viel gezahlt. So kam es zu diversen Klagen, von denen vier – geführt von Privatversicherern – nun vom Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheiden waren. Es geht um Zytostatika, die in den Jahren 2012 und 2013 ambulant in den Krankenhäusern verabreicht wurden. Die beklagten Krankenhausträger stellten jeweils Rechnungen aus, die eine Umsatzsteuer in Höhe von 19 Prozent auf den Abgabepreis entweder gesondert auswiesen oder miteinschlossen – diese Umsatzsteuer führten sie dann auch an die zuständigen Finanzämter ab. Die Finanzbehörden und die maßgeblichen Verkehrskreise gingen zum damaligen Zeitpunkt von einer entsprechenden Umsatzsteuerpflicht aus, heißt es in einer Pressemitteilung des BGH. Die Krankenversicherer der Patienten erstatteten diesen die Rechnungsbeträge nach Maßgabe der jeweils geschlossenen Versicherungsverträge vollständig oder anteilig.

Die vier in Karlsruhe verhandelten Verfahren seien nur die Spitze des Eisbergs, sagte die Vorsitzende Richterin am BGH, Karin Milger. Bisher wurde in den unteren Instanzen sehr uneinheitlich geurteilt. Jetzt gibt der Bundesgerichtshof eine Linie vor. Demnach steht Rückforderungen privater Krankenversicherungen grundsätzlich nichts im Weg. Insbesondere können sich die Kliniken nicht darauf berufen, dass ihnen ein unzumutbarer Verwaltungsaufwand entstehe, um sich die Umsatzsteuer vom Finanzamt zurückzuholen. Dafür gebe es schließlich eigene Abteilungen, sagte Milger.

Vorsteuerabzug berücksichtigen

Allerdings haben die Versicherer keinen Anspruch auf die volle Umsatzsteuer. Das hat damit zu tun, dass den Kliniken bei der Rückabwicklung mit dem Finanzamt auch ein Vorsteuerabzug für die eingekauften Herstellerstoffe verloren geht. Man kann also nicht einfach den Nettopreis ohne Umsatzsteuer ansetzen. Die Verluste für die Krankenhäuser müssen bei der Rechnung mitberücksichtigt werden.

Noch komplizierter wird es bei bestimmten Kliniken, denen deshalb sogar hohe Nachzahlungszinsen drohen. Diese Konstellation wäre möglicherweise rechtlich anders zu bewerten. Das will der Bundesgerichtshof aber davon abhängig machen, ob die Finanzämter diese Zinsen tatsächlich mit harter Hand eintreiben oder gewisse Spielräume nutzen.

Deshalb konnte der Senat keines der Verfahren abschließend entscheiden. Die Urteile der Berufungsinstanzen wurden aufgehoben und die Sache an diese zurückgewiesen. Die Berufungsgerichte müssen noch klären, wie hoch die Vorsteuerabzüge waren und wie es mit den Zinsen aussieht.

Das Problem mit der Abrechnung betrifft übrigens auch die gesetzlichen Kassen. Sie streiten parallel vor den Sozialgerichten um Rückerstattung. Am Bundessozialgericht sind dazu bereits zwei Revisionen anhängig. Eines der Verfahren könnte noch im ersten Halbjahr 2019 entschieden werden.

Bundesgerichtshof, Urteile vom 20. Februar 2019 – VIII ZR 7/18, VIII ZR 66/18, VIII ZR 115/18 und VIII ZR 189/18


dpa-AFX / ks
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