Antibiotika bei Blinddarmentzündung

Muss der Blinddarm wirklich raus?

Stuttgart - 18.01.2019, 10:15 Uhr

Typische Krankheitszeichen einer Blinddarmentzündung sind Erbrechen und oftmals starke Bauchschmerzen. Der gesamte Bereich der Bauchdecke ist angespannt und extrem druckempfindlich. ( r / Foto: Yevhenii / stock.adobe.com)

Typische Krankheitszeichen einer Blinddarmentzündung sind Erbrechen und oftmals starke Bauchschmerzen. Der gesamte Bereich der Bauchdecke ist angespannt und extrem druckempfindlich. ( r / Foto: Yevhenii / stock.adobe.com)


Im vergangenen Jahr gab es in den Medien immer wieder Berichte darüber, dass eine Antibiotikagabe eine chirurgische Entfernung eines entzündeten Blinddarms überflüssig machen könnte. Gleichzeitig gab es kritische Stimmen, die dazu mahnten, einen etablierten Therapiestandard nicht vorschnell aufzugeben. Pharmakotherapie.blog hat sich die letzte umfassende Studie zum Thema im Januar noch einmal angeschaut und eine Meinung dazu gebildet.

Kann eine Antibiotikagabe eine chirurgische Entfernung eines entzündeten Blinddarms überflüssig machen? Eine Studie, die diese Vermutung stützt, ist im September 2018 im Journal JAMA erschienen: „Antibiotic treatment for uncomplicated Appendicitis really works“, hieß es dort im Editorial. Pharmakotherapie.blog hat sie kritisch gelesen. 

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In der Studie wurden 530 Patienten mit einer durch Computertomographie bestätigten akuten unkomplizierten Appendizitis in zwei Gruppen randomisiert und entweder operiert oder mit Antibiotika behandelt. Primärer Endpunkt war die Notwendigkeit einer Operation ein Jahr nach der Antibiotika-Gabe. Es zeigte sich, dass innerhalb von einem Jahr nach Klinikentlassung 70 von 257 Patienten (27 Prozent) aus der Antibiotika-Gruppe nach einem Jahr doch operiert werden mussten. Bis zum fünften Jahr kamen noch 30 weitere Patienten hinzu. Bemerkenswert an dieser Stelle: Bei sieben Patienten stellte sich dabei heraus, dass zum Zeitpunkt der OP gar keine Blinddarmentzündung vorlag.

Pharmakotherapie.blog kommt nun zu dem Schluss, dass die Ergebnisse der Studie eine Antibiotika-Therapie als Alternative zu einem chirurgischen Eingriff bei unkomplizierter Appendizitis bestätigen. Denn auch wenn nach einem Jahr dennoch eine OP anstand, war die Komplikationsrate in der Antibiotika-Gruppe doch deutlich geringer (6,5 vs. 24,4 Prozent), da potenzielle Folgekomplikationen der Operation vermieden wurden.

Dass 7 der 70 nach einem Jahr operierten Patienten in der Antibiotika-Gruppe gar keine Blinddarmentzündung hatten, unterstreicht dieses Fazit nach Ansicht von Pharmakotherapie.blog zusätzlich. Denn auch wenn sich eine chirurgische Intervention durch Antibiotika nicht grundsätzlich verhindern ließe, so sollte die chirurgische Intervention nicht als grundsätzliche Primärmaßnahme angesehen werden. Die Chance, dass man wieder eine Blinddarmentzündung innerhalb von fünf Jahren nach Antibiotika-Therapie entwickelt, scheint bei 39 Prozent zu liegen. In der Zukunft wird es somit weiterer Studien und Leitlinien bedürfen, die das klinische Vorgehen bei einer Blinddarmentzündung genau regeln. 



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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