Rezeptur und Defektur gegen Lieferengpässe

Schweizer Apotheker baut fehlendes Arzneimittel nach

Remagen - 08.01.2019, 17:50 Uhr

 „Ein guter Apotheker ist wie ein fähiger Maître Chocolatier“, meint  Michael Tscheulin, Inhaber der Neubad-Apotheke.(Foto: imago)

„Ein guter Apotheker ist wie ein fähiger Maître Chocolatier“, meint Michael Tscheulin, Inhaber der Neubad-Apotheke.(Foto: imago)


Eigentlich keine dumme Idee, vor allem angesichts der zunehmenden Lieferengpässe bei Arzneimitteln: Wenn ein Arzneimittel nicht mehr zu bekommen ist, macht man es einfach selbst. In dieses „Abenteuer“ hat sich ein Basler Apotheker gestürzt und damit eine große Nachfrage ausgelöst.  

Wie die Basellandschaftliche Zeitung (bz) berichtet, hat ein Mitarbeiter der Neubad-Apotheke in Basel für Stammkunden ein vergriffenes Medikament „nachgebaut“. Ein großer Pharmahersteller hatte dieses vor einigen Monaten aus dem Sortiment genommen, was zu großer Sorge und Hamsterkäufen geführt haben soll. Statt seine Kunden zu vertrösten, habe sich Alexander Steenhof, Mitarbeiter in der Apotheke, kurzum entschlossen, das Medikament selbst herzustellen, was laut bz in diesem Fall erlaubt sein soll. In monatelanger Arbeit habe er die Rezeptur analysiert und Hersteller von pharmazeutischen Rohstoffen gesucht.

Mutiges Versuchskaninchen

Die erste „Prototyp-Kapsel“, die er daraus „kreierte“, habe er zum Test gleich selbst geschluckt, laut eigener Aussage vor allem „aus psychologischen Gründen“, das heißt, zur Beruhigung der Patienten. Nachdem die Rezeptur Wirkung zeigte, habe er sich an die erste „Großproduktion“ gemacht, vor allem wegen der großen Nachfrage. „Schreiben Sie ja nicht, um welches Medikament es sich handelt, sonst rennen mir die Patienten die Bude ein“, bat Michael Tscheulin, Inhaber der Neubad-Apotheke, die Mitarbeiter der bz. Als diese die Apotheke besuchten, sollen Steenhof und sein Kollege Florian Schwyter in fast drei Stunden allerdings gerade einmal 49 „Pillen“ Stück für Stück von Hand hergestellt haben, ein mühseliges Unterfangen also.

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Arbeit im Labor ist eine Bereicherung

Dennoch scheint Steenhof´s Enthusiasmus ungebremst zu sein: „Die Arbeit im Labor ist für mich eine Bereicherung“, bekräftigt er. „Nebst dem Kontakt zum Kunden ist das Herstellen von Medikamenten im Labor ein wichtiger Teil unserer Arbeit, der auf keinen Fall verloren gehen darf.“ Die Neubad-Apotheke sei eine von wenigen, die diesen Aspekt des Apotheker-Berufs noch hochhalte. Dies liegt auch an Tscheulin, der seine Überzeugung teilt: „Das ist klassisches Apotheker-Handwerk, wie es jedem angehenden Apotheker im Rahmen seines Studiums beigebracht wird, aber leider lohnt sich der Aufwand kaum noch“, sagt der Apothekeninhaber. Die Tarife, die Apotheker für solche Arbeiten verrechnen können, seien seit 2005 nicht mehr angepasst worden: „Wir machen das aus reinem Goodwill dem Kunden gegenüber.“

„Wie ein fähiger Maître Chocolatier“

Mit anderen „Eigenkreationen“ konnten die Neubad-Apotheker aber offenbar bereits erfolgreich in Produktion geben. Laut Tscheulin werden heute insgesamt fünf Hausspezialitäten in größerem Maßstab produziert, ein Teil davon von einer externen Firma, darunter ein Hustensirup mit Thymian- und Efeuextrakt. Die Rezepturen seien ebenfalls im kleinen Labor der Neubad-Apotheke entwickelt worden. „Ein guter Apotheker ist wie ein fähiger Maître Chocolatier“, meint der „findige“ Apothekenchef. „Auch er stellt seine Pralinés nach eigenen Spezialrezepten selber her und verkauft nicht nur vorfabrizierte Ware.“ 


Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Arbeit im Labor

von Karl Friedrich Müller am 09.01.2019 um 14:40 Uhr

Ist eine Bereicherung.
Kann schon sein.
Nur reich wird man damit nicht.
Eher im Gegenteil.
Arm.
Zumindest in Deutschland. Da gönnt man Apotheken nur so eine Art „Aufwandsentschädigung“

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