ARGE PareZu zu Hilfstaxen-Vergleich

„Eine unsinnige Rückwirkung ersetzt die andere“

Berlin - 22.10.2018, 11:30 Uhr

Nicht alle Zyto-Apotheker sind vom Vergleich zur Anlage 3 der Hilfstaxe überzeugt. (m / Foto: Hermdorff / stock.adobe.com)

Nicht alle Zyto-Apotheker sind vom Vergleich zur Anlage 3 der Hilfstaxe überzeugt. (m / Foto: Hermdorff / stock.adobe.com)


Vergangene Woche einigten sich DAV und GKV-Spitzenverband auf einen Vergleich zur Anlage 3 der Hilfstaxe. Beide Seiten erklärten im Anschluss, der Kompromiss sei ein Erfolg, der für Rechtssicherheit sorge – ebenso äußerte sich der Verband Zytostatika herstellender Apothekerinnen und Apotheker. Die Arbeitsgemeinschaft parenterale Zubereitungen (ARGE PareZu) hat hingegen erhebliche Probleme mit dem Vergleich. Sie sieht die nächste unkalkulierbare Rückwirkung kommen.

Am 16. Oktober haben der GKV-Spitzenverband und der Deutsche Apothekerverband (DAV) vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg einen Vergleich geschlossen. Eigentlich hatte der DAV – mit finanzieller Unterstützung des Verbands Zytostatika herstellender Apothekerinnen und Apotheker (VZA) – gegen die Schiedsstelle geklagt, die im Januar dieses Jahres die Preise für parenterale Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie neu geregelt hatte. Doch nach dem nun erzielten Vergleich zwischen DAV und GKV-Spitzenverband nahm der DAV die Klage zurück.

Was besagt der Vergleich?
 

Wesentliche Regelung des Vergleichs ist, dass die Rückwirkung des Schiedsspruchs in seiner Fassung vom 30. Januar 2018 zum 1. November 2017 entfällt. Vielmehr gilt der Schiedsspruch nun erst seit dem 1. Februar 2018. Retaxationen wegen zwischen November 2017 und Januar 2018 noch zu höheren Preisen abgerechneten Zubereitungen müssen sie nun nicht mehr befürchten.

Zudem umfasst der Vergleich den Wegfall von „Auffangabschlägen“ in Höhe von 1,6 beziehungsweise 50 Prozent für erstmals ab dem 1. Februar 2018 neu in den Markt eingeführte sowie für ab dem 1. Februar 2018 generisch gewordene Arzneimittel und Wirkstoffe. Hierauf verhandeln stattdessen die Vertragspartner der Hilfstaxe – nach Durchführung von Preisabfragen durch den GKV-Spitzenverband – rückwirkend zum Tag der erstmaligen Markteinführung in der Hilfstaxe zu regelnde Abschläge. Insofern: Es wird also doch wieder eine Rückwirkung geben, jedenfalls für die Präparate, die nach dem 1. Februar 2018 auf den Markt kamen.

ARGE PareZu: Gut gemeint, aber ...
 

Während DAV, GKV-Spitzenverband und VZA den Vergleich begrüßten, gibt sich die von den Apothekern Dr. Franz Stadler (Erding) und Dr. Thomas Wellenhofer (Freilassing) gegründete „Arbeitsgemeinschaft parenterale Zubereitungen“ (ARGE PareZu) zurückhaltend: Vergleiche seien grundsätzlich gut, ersparten sie doch langwierige Auseinandersetzungen vor Gericht. Allerdings sei der nun geschlossene zwar „gut gemeint“, erweise sich in der Gesamtbetrachtung für die Zukunft aber als untragbares und unkalkulierbares Risiko. Denn er ersetze eine unsinnige Rückwirkung gegen eine andere.

Neue Rückwirkung nicht kalkulierbar

Es sei zwar zu begrüßen, dass die Rückwirkung zum 1. November 2017 entfällt. Anderenfalls hätte eine Neuberechnung aller in den drei Monaten betroffenen Fälle zu einem erheblichen Mehraufwand und in der Folge auch zu juristischen Auseinandersetzungen geführt, die sich womöglich jahrelang hingezogen hätten. Andererseits beinhalte der Vergleich im Hinblick auf die Neueinführungen nach dem 1. Februar 2018 eine neue rückwirkende Regelung, deren Konsequenzen jetzt noch nicht abgeschätzt und auch nicht vermieden werden könnten. Diese neuen Präparate könnten für die herstellenden Apotheken zu einem finanziellen Risiko ungeahnten Ausmaßes werden. „Denn weder sind zum Zeitpunkt der Markteinführung künftige Rabatte, die dann der GKV-Spitzenverband nach zwölf oder auch 24 Monaten ermittelt, vorhersehbar noch sind diese Rabatte für die betroffenen Apotheken rückwirkend erzielbar.“ 

Eine Unsicherheit gegen andere Unsicherheit getauscht

Gehe man davon aus, dass weiterhin innerhalb von zwölf Monaten durch die Krankenkassen retaxiert werden müsse – was laut ARGE PareZu bei der Formulierung der Vergleichsvereinbarung auch strittig sein könnte – bedeute der Vergleich für die zubereitenden Apotheken: „Man tauscht die finanzielle Unsicherheit von drei definierten Monaten rückwirkender Preissenkung bei einer definierten Menge an Wirkstoffen und in definierter Höhe gegen eine unbefristete, jeweils mindestens zwölfmonatige finanzielle Unsicherheit bei einer unbekannten Anzahl an künftigen Wirkstoffen und in unbekannter Höhe, die rückwirkend wahrscheinlich die erzielten Rabatte deutlich übersteigt. Es stellt sich die Frage, wer unter diesen Bedingungen künftig das Risiko der Zubereitung neuer Wirkstoffe überhaupt noch eingehen sollte?“

Zudem kritisiert die ARGE PareZu, dass die Unschärfe der Formulierungen im letzten Punkt Spielraum für Missverständnisse und Fehlinterpretationen lasse, die leicht die Finanzierung des spezialisierten Großhandels und der gesamten Distributionskette in Frage stellen könnten. Dies sei höchstwahrscheinlich von keiner Partei geplant, im Ergebnis jedoch hoch riskant und potenzieller Anlass weiterer existenzbedrohender Auseinandersetzungen.

Wellenhofers und Stadlers Hoffnung ist nun, dass möglichst bald eine komplett neue Hilfstaxe vereinbart wird. Ihre ARGE besteht mittlerweile aus rund 35 Apothekern mit Reinraumlabor.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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