Schwerin

Apothekenangestellte gibt Rezeptbetrug in großem Stil zu

Berlin - 16.10.2018, 11:35 Uhr

Vor dem Landgericht Schwerin läuft ein Prozess gegen eine Arzthelferin und eine Apothekenangestellte: Die beiden Frauen sollen die Kassen mit gefälschten Rezepten um 370.000 Euro betrogen haben. ( j/ Foto: Imago)

Vor dem Landgericht Schwerin läuft ein Prozess gegen eine Arzthelferin und eine Apothekenangestellte: Die beiden Frauen sollen die Kassen mit gefälschten Rezepten um 370.000 Euro betrogen haben. ( j/ Foto: Imago)


Wegen illegalen Handels mit Dopingmitteln, schweren Betrugs und schweren Diebstahls stehen seit dem heutigen Dienstag zwei Frauen vor dem Landgericht Schwerin. Die Staatsanwaltschaft wirft einer 31 Jahre alten Arzthelferin und einer 32-jährigen Mitarbeiterin einer Schweriner Apotheke vor, sich in den Jahren 2012 und 2013 in 130 Fällen mit gefälschten Rezepten Arzneimittel besorgt zu haben, die über die Kassen abgerechnet wurden. Den Kassen soll ein Schaden von 370.000 Euro entstanden sein.

Die mit ihren langen Haaren mädchenhaft wirkenden heute 30- und 32-Jährigen waren damals als Apothekenmitarbeiterin und Arzthelferin in Schwerin beschäftigt. Die eine soll in der Arztpraxis die Rezepte ausgefüllt, die andere in der Apotheke die Arzneimittel (vor allem Testosteron und das Wachstumshormon Genotropin) bestellt haben. Die Medikamente hätten sie dann an Bodybuilder verkauft. 66 Fälle sind angeklagt.

Richter Otmar Fandel sprach zum Auftakt von einem ungewöhnlichen Prozess, weil die Angeklagten ungewöhnlich seien. „Die beiden Damen hier gehören augenscheinlich nicht zu dem Klientel, das hier sitzen sollte“, sagte er. Es handele sich gleichwohl um schwerwiegende Vorwürfe. Für jede einzelne der angeklagten Taten sehe das Gesetz hohe Strafen vor, bei Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz Freiheitsstrafen von einem bis zehn Jahren, für Betrug zwischen sechs Monate und zehn Jahre.

Bewährungsstrafen sind möglich

Sollte es zu einem Schuldspruch kommen, hielte die Kammer dennoch Bewährungsstrafen für möglich, sofern sie echte Einsicht und Reue erkennen könne. Die Kammer sehe den besonderen Druck, der auf den Angeklagten laste. Zudem seien zivilrechtliche Ansprüche gegen die beiden angemeldet worden, die in die Hunderttausende gingen. Und es handele sich um junge Menschen, die eine Perspektive für ihr Leben behalten sollten.

Apothekenmitarbeiterin: Ich habe die Sachen besorgt

Beide Frauen äußerten sich selbst über das Geschehen vor sechs Jahren - wobei ihre Einlassungen unterschiedlich ausfielen. Die damalige Apothekenangestellte räumte die Taten ein. „Ich will nichts abstreiten“, sagte sie. Von der anderen Angeklagten habe sie die Rezepte bekommen. „Ich habe die Sachen besorgt.“ Das Testosteron habe sie verkauft, das Genotropin die andere. Auf die Frage, wie das illegale Geschäft zustande gekommen sei, sagte die junge Frau, sie sei von Bekannten angesprochen worden, die wussten, dass sie in einer Apotheke arbeitet. Und über ihre Motivation: „Ich wollte einfach ein bisschen mehr Geld haben.“

Die Arzthelferin, der nach Auffliegen des mutmaßlichen Betrugs im September 2013 fristlos gekündigt worden war, bestritt eine Beteiligung. „Ich habe mit den Fällen nichts zu tun“, sagte sie. „Ich kann nicht sagen, wie es zu den Rezeptmissbräuchen gekommen ist.“ Der Prozess soll am Mittwoch mit Zeugenvernehmungen fortgesetzt werden. Bis zum 26. Oktober sind sechs Termine geplant.

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Hinweis der Redaktion: Wir haben den Artikel um 16:45 Uhr mit aktuellen Informationen vom ersten Prozesstag angereichert und aktualisiert.


bro / dpa
brohrer@daz.online


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