Arzneimittel-Erstattungspreise

EU-Parlament schwächt europäische Nutzenbewertung ab

Berlin - 04.10.2018, 11:30 Uhr

Kooperation bei Arzneimittel-Nutzenbewertungen? Ja!; Gemeinsame Preise? Nein!. Das EU-Parlament hat einen Richtlinienentwurf der EU-Kommission abgeändert. (b / Foto: Imago)

Kooperation bei Arzneimittel-Nutzenbewertungen? Ja!; Gemeinsame Preise? Nein!. Das EU-Parlament hat einen Richtlinienentwurf der EU-Kommission abgeändert. (b / Foto: Imago)


Das EU-Parlament hat sich dafür ausgesprochen, dass die Arzneimittel-Preisbildung auch künftig in den Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten fällt. Die EU-Kommission hatte vor einigen Wochen vorgeschlagen, die Nutzenbewertungssysteme zu vereinheitlichen. Einige Mitgliedstaaten hatten befürchtet, dass die EU auch in die Preisbildung eingreifen will. Das Parlament hat nun Änderungsanträge zu dem Richtlinienentwurf beschlossen, mit denen genau das vermieden werden soll.

Im Januar 2018 hatte die EU-Kommission einen Vorschlag gemacht, der die Nutzenbewertungssysteme aller EU-Länder revolutionieren würde. Konkret geht es um das sogenannte Health Technology Assessment (HTA), bei dem auch der medizinische Nutzen von Arzneimitteln und Medizinprodukten evaluiert wird. Die Kommission hatte in ihrem Richtlinienentwurf vorgeschlagen, dass beim HTA-Verfahren eine engere Zusammenarbeit der Länder eingeführt wird. Die Patienten würden mehr Transparenz über die eingenommenen Arzneimittel erhalten, die nationalen Zulassungsbehörden und die Gesundheitspolitik würden bessere Daten über die Versorgung erhalten und die Hersteller müssten sich nicht länger an verschiedene nationale Zulassungsprozeduren halten, so die Kommission damals in einer Mitteilung.

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EU will Nutzenbewertungen vereinheitlichen

Nach den Vorstellungen der Kommission soll sich die Zusammenarbeit über die vier folgenden Gebiete erstrecken: Gemeinsame klinische Nutzenbewertungen, die gemeinsame wissenschaftliche Konsultation von EU-Behörden (beispielsweise durch Hersteller), gemeinsame Analysen über entstehende, neue Therapiefelder sowie die freiwillige Kooperation in weiteren Gebieten. Einige EU-Mitglieder, darunter auch Deutschland, hatten allerdings befürchtet, dass sich die EU auch stärker in die Preisbildung einmischen will und Einfluss auf die Erstattungspreise nehmen will, die hierzulande nach der frühen Nutzenbewertung von Herstellern und dem GKV-Spitzenverband ausgehandelt werden. Konkret hatte die Richtlinie vorgesehen, dass die Ergebnisse der EU-Nutzenbewertung für die Preisfindung in den Mitgliedstaaten genutzt werden müssen. Der Bundestag hatte eine Subsidiaritätsrüge beschlossen und diese an die EU geschickt.

EU-Parlament beschließt mehrere Änderungen

Zumindest im EU-Parlament ist dieser Ruf nach Souveränität bei der Preisgestaltung auch angekommen. Denn das Straßburger Parlament winkte den Entwurf zwar grundsätzlich durch, beschloss aber mehrere Änderungsanträge, die die Kompetenz der Mitgliedstaaten bei der Erstattung und Preisbildung klar betonen. In einer Passage der Richtlinie hatte die EU-Kommission beispielsweise festgehalten, dass die Richtlinie nicht die Souveränität der EU-Mitglieder einschränken soll, wenn es um die Organisation der Gesundheitssysteme und die medizinische Versorgung geht. Das EU-Parlament hat nun mehrheitlich die folgende Ergänzung beschlossen: „Außerdem soll diese Regelung nicht in die exklusive nationale Kompetenz der EU-Mitgliedstaaten eingreifen, nationale Preis- und Erstattungsentscheidungen zu treffen.“

Das Parlament stellte außerdem in weiteren Änderungsanträgen klar, dass auf Ebene der Mitgliedstaaten ergänzende Studien eingebracht werden können, um den Preis beziehungsweise den Erstattungsbetrag zu ermitteln. Dies könnte etwa der Fall sein, wenn der entsprechende medizinische Standard in dem jeweiligen Land durch die Prüfung der Vergleichstherapie auf europäischer Eben nicht ausreichend abgedeckt wurde.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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