Inkompetent, Unterbesetzt, Unorganisiert

Lunapharm-Taskforce attestiert Ministerium und Arzneimittelbehörde Versagen

Berlin/Stuttgart - 28.08.2018, 13:45 Uhr

Die Lunapharm-Taskforce fällt in ihrem Bericht zum Brandenburger Arzneimittelskandal ein vernichtendes Urteil gegen das Brandenburger Gesundheitsministerium und die untergeordnete Arzneimittelbehörde. ( j/ Foto: PhotoSG / stock.adobe.com)

Die Lunapharm-Taskforce fällt in ihrem Bericht zum Brandenburger Arzneimittelskandal ein vernichtendes Urteil gegen das Brandenburger Gesundheitsministerium und die untergeordnete Arzneimittelbehörde. ( j/ Foto: PhotoSG / stock.adobe.com)


Die sogenannte Lunapharm-Taskforce erhebt in ihrem Bericht schwere Vorwürfe gegen das Brandenburger Gesundheitsministerium und die Arzneimittelaufsicht des Landes. Laut Expertengruppe sollen die Behörden schon 2016 Hinweise auf Arzneimittelfälschungen gehabt haben, sie griffen aber erst später ein. Außerdem ist die Rede von Inkompetenz bei den Behördenmitarbeitern. Auch das Bundesgesundheitsministerium soll schon 2017 eingeweiht worden sein. Das Ausmaß der Gesundheitsgefahr lässt sich nachträglich nicht mehr ermitteln. Die Forderungen der Experten: Die Importquote abschaffen und den Parallelvertrieb verbieten.

Anfang August hatte die Taskforce im sogenannten Lunapharm-Skandal mit der Aufklärung begonnen. Geleitet wurde sie vom Pharmazeuten Dr. Ulrich Hagemann, früherer Abteilungsleiter im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Außerdem gehörten dazu: Die Vorsitzenden der Arzneimittelkommissionen der Ärzte- und Apothekerschaft, Prof. Dr. Wolf-Dieter Ludwig und Prof. Dr. Martin Schulz, Almuth Hartwig-Tiedt, Staatssekretärin im Brandenburger Gesundheitsministerium (MASGF), Liane Klocek, Präsidentin des Landesamtes für Soziales und Versorgung des Landes Brandenburg (LASV), Susanne Köhler, Leiterin des Justiziariats des MASGF, und Ernst-Friedrich Pernack, Leiter des Referats Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit, Produktsicherheit im MASGF. Neben der Frage, ob es bei den Kontrollen der Brandenburger Aufsichtsbehörde Defizite gab, wollten die Experten Empfehlungen zum künftigen Patientenschutz erarbeiten und der Frage nachgehen, ob es einen gesetzlichen Reformbedarf gibt.

Was ist 2016 und 2017 passiert?

Seit Wochen stand der Vorwurf im Raum, dass das Gesundheitsministerium und die Behörden schon 2016 Hinweise auf Unregelmäßigkeiten bei Lunapharm hatten, dann aber wenig unternahmen. In ihrem Bericht zeichnet die Taskforce die Geschehnisse der vergangenen Jahre nach und kommt zu dem Schluss, dass die Behörden viel früher hätten eingreifen müssen. Erstmals wurde die Aufsichtsbehörde demnach im Dezember 2016 von der polnischen Gesundheitsbehörde kontaktiert, damals ging es um eine „ungewöhnlich große Anzahl Packungen eines importierten und von Lunapharm gelieferten Arzneimittels (Neulasta®)“. Daraufhin inspizierte die Aufsichtsbehörde das in Mahlow ansässige Unternehmen sogar, im Anschluss passierte jedoch nicht viel. Die Experten kommen daher zu dem Schluss: „Obwohl der Aufsichtsbehörde LAVG tatsächlich eine Reihe von Informationen zum Sachverhalt der Arzneimittelfälschung nicht vorlag, hätten zu diesem Zeitpunkt behördliche Maßnahmen ergriffen werden müssen.“

Noch deutlicher werden die Defizite in der Behördenarbeit mit Blick auf das Jahr 2017: Denn im Januar 2017 ging bei der Staatsanwaltschaft Potsdam ein Rechtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft in Athen ein. Die Brandenburger Behörde erhielt im März 2017 Kenntnis davon. In dem Ersuchen ging es um die Bitte, die Lunapharm-Geschäftsräume zu durchsuchen und Unterlagen zum Arzneimitteleinkauf aus Griechenland (Jahre 2015 und 2016) sicherzustellen. Der Vorwurf: Medikamente sollen „in großem Umfang aus staatlichen Krankenhäusern in Griechenland entwendet und an Pharmagroßhandelsunternehmen in anderen EU-Ländern, unter anderem auch an Lunapharm verkauft worden sein“.

Februar 2017: BMG wird eingeweiht

In der von der Taskforce aufgezeichneten Zeitleiste folgen im Frühjahr zahlreiche Schriftwechsel zwischen der griechischen Behörde, der Brandenburger Aufsicht und Lunapharm. Teilweise war die Kommunikation wegen der Sprachbarriere erschwert, teilweise wies Lunapharm Vorwürfe schlicht zurück. Im April 2017 stand dann fest, dass Griechenlands Apotheken überhaupt keinen Großhandel betreiben dürfen und der Handel zwischen der griechischen Apotheke und Lunapharm allein deswegen schon illegal war. In diesem Zusammenhang soll dann auch erstmals das Bundesgesundheitsministerium eingeweiht worden sein: Der Zeitleiste zufolge soll das Ministerium vom Brandenburger Gesundheitsministerium und der Arzneimittelaufsicht gebeten worden sein, die griechischen Behörden zu fragen, ob die betroffene griechische Apotheke eine Großhandelserlaubnis habe.

Mai 2017: BfArM und EMA schalten sich ein

Ende Mai 2017 sollen sich dann auch das BfArM und die EU-Arzneimittelbehörde EMA eingeschaltet haben: Die EMA forderte die deutschen Behörden auf, Lunapharm unverzüglich den Handel mit der griechischen Apotheke zu verbieten. Anfang Juni vergangenen Jahres sprach die Brandenburger Behörde mehrere Bescheide aus, die es Lunapharm verboten, weiterhin aus Griechenland Arzneimittel zu beziehen. Lunapharm legte Widerspruch ein.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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9 Kommentare

Unsachlich zum Patientennachteil

von Dr, Andreas van de Valk am 29.08.2018 um 17:44 Uhr

Von Reportern steht zu erwarten, dass sie aufrichtig sind. Von Behörden des eigenen Landes wie auch denen verbundener Länder sollte dies auch angenommen werden können. Aber so naiv ist niemand mehr:

04.05.2018:
Die Polizei in Athen informiert die Presse von der Festsetzung einer 21-köpfigen Bande von Arzneimitteldieben. Die Nachrichtenagentur Thomas Reuter berichtet weltweit davon.

Ärzte und Krankenschwestern sowie EIN deutsch-ägyptischer Apotheker sollen sich über gefälschte Rezepte die Arzneimittel in griechischen Krankenhausapotheken ergaunert und in BULGARIEN in ein Lager gebracht haben.

10.05.2018:
Die 12 tatsächlich verhafteten Personen werden mit Photo (unter Nennung der Eltern) in einer zweiten Pressemitteilung gezeigt. Es wird eingeräumt, dass es wohl keine Bande sei, da eine Reihe der Festgenommenen "einen eigenen Export" gemacht hätten. Und der Apotheker habe für 24,8 Mio Arzneimittel aus Ägypten nach Griechenland eingeführt und für 25,1 Mio weiterverkauft. Also sind nur für 300.000 Arzneimittel tatsächlich in Griechenland .... Dies müsse überprüft werden. Aber ganz sicher seien die Rechnungen gefälscht worden ...

16.06.2018:
Der griechische Journalist Tasos Telloglou bezichtet sich als der anonyme Briefeschreiber aus 2016, der damals im Oktober den ehemaligen Chef der Wirtschaftspolizei, Manolis Plumis informiert habe.

Auch sei die von der griechischen Apotheke vorgelegte Großhandelserlaubnis nicht gültig, da sie der stellvertretende Gesundheitsminister Marios Salma mit der Apotheke verkauft habe.

Und am 20.07.2018 veröffentlicht der gute Mann dann in der Süddeutschen Zeitung mit Christiane Schlötzer und Klaus Ott den Beitrag "Medikamentenschmuggel Bittere Medizin"

Und deshalb: WWW.PRESSERAT.DE und es werden weitere Kandidaten das Vergnügen haben.

PS: Quellennachweis ist gegeben.

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Sind die nicht immer alle unterbesetzt - außer bei Kleinkontrollen ?

von Ratatosk am 29.08.2018 um 10:03 Uhr

Alle diese Behörden sind nach eigenen Angaben immer unterbesetzt ! sind sie das wirklich ? - natürlich nicht !!
Für die lückenlosen Kontrollen jeder Kleinstapotheke oder für jedes falsch geschmückte Schaufenster haben die immer Personal, ebenso wie die Lebensmittelüberwachung. Nur wenns an wichtige Kontrollen in sensiblen Bereichen geht, kommt diese abgedroschene Unterbesetzungsleiher.
Finanzamt das selbe, Verjährung für Große Banker , lückenlose Kontrolle für jede Würstchenbude. mit den Summen an Bargeld in den Apotheken soll ja fast der Staatshaushalt saniert werden hat man das Gefühl - hat denen noch keiner erklärt, daß 85% über die GKV Rezepte läuft und bei teueren Privatrezepten fast jeder mit Karte zahlt, sicher auch die Politiker, wie kommen die also auf so einen Blödsinn?

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AW: Sind die nicht immer alle unterbesetzt

von Heiko Barz am 29.08.2018 um 10:37 Uhr

Richtig, „Ratatosk“?, so hat es funktioniert, funktioniert auch heute und wird auch in Zukunft nicht anders funktionieren. Eigentlich sollten all die kleinen Unternehmer, die diesen Staat am Leben halten, auswandern. Wohin aber???
Gerechtigkeit im Sinne des M. Schulz werden wir nur durch eine gute Fee erhalten und wer von uns glaubt schon „grimmisch“. ....wir werden uns um das RXVV „kümmern“...LOL!

wenns billig ist , ist es auch für die GKV gut

von Ratatosk am 29.08.2018 um 9:33 Uhr

Betreff passt fast immer.
Hatten wir alles schon vom BKA der Ulla vorgetragen. Die Möglichkeiten für schäbige Retaxationen und die Möglichkeiten für die organisierten Banden sollen offensichtlich nicht angetastet werden , warum auch immer unsere Politker/innen/x zu solchen Entscheidungen kommen mögen.

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wenns billig ist , ist es auch für die GKV gut

von Ratatosk am 29.08.2018 um 9:30 Uhr

Warum sollte jetzt was geschehen. Die Kassen haben ihr Spielzeug für Retaxationen, genügend involvierte Firmen sind Politikern sehr genehm - und alle Argumente hatte auch das BKA der Ulla schon vor Jahren vorgehalten. Die jetzt mit fettem Pöstchen im Bundestag sitzt.

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Arzneimittel made in Germany???

von Birgit Möllenkamp am 28.08.2018 um 21:03 Uhr

Die Lücken in der Kontrolle und Überwachung müssen ausgeräumt werden. Verbot von Importen ist doch keine Maßnahme gegen inkompetente, fett alimentierte Behördenmitarbeiter und Gesundheitspolitiker, die wie üblich dem Ansehen eines ganzen Berufsstands schaden und in diesem Fall auch ein Risiko für die Gesundheit der Bevölkerung darstellen. Pauschal alle Importe zu verbieten und vor allem alle Importeure hier gleichermaßen in die kriminelle Ecke zu stellen halte ich für sehr bedenklich und viel zu kurz gedacht. Dann müsste man sich fragen, was wir in Deutschland überhaupt noch in unseren Apotheken anbieten möchten. Immerhin produzieren viele forschende Hersteller bestimmte Produkte immer nur an einem Standort in Europa, der selten in Deutschland liegt, so dass die meisten dieser Arzneimittel zwangsläufig aus dem EU-Ausland importiert werden. Und das ist noch der Glücksfall, denn der Generikamarkt tummelt sich ja bekanntlich in Indien und China; das ist ein riesiges Import-Geschäft und müsste (wohl mit Recht) damit auch verboten werden. Dann muss ich für die Krankenkassen nichts mehr aus der Pharmaschnäppchenecke anbieten, keine geklauten Zytos aus Griechenland und kein verseuchtes Valsartan aus China. Da gibt's nur noch die kleinen Zuckerkügelchen exklusiv aus Deutschland, paradiesisch!
Wer also laut ein Verbot von Importarzneimitteln fordert, soll bitte erst nachdenken und mir erklären, wie dann die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln funktionieren wird.
Wann gibt es endlich wieder alle Arzneimittel made in Germany?

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Lunapharm

von Bernd Küsgens am 28.08.2018 um 18:32 Uhr

Wenn man den gesamten Vorgang werten möchte, kann man nur den Rücktritt der gesamten Regierung unter Woike verlangen. Hier wird von Politikern die Gesundheit von vielen
Menschen billigend in Kauf genommen. Ob das die Wähler gewollt haben, bezweifle ich.Aber der Ministerpräsident wird wieder eine Ausrede finden. Es zeigt sich wieder dass bestimmte Parteien unfähig sind ihrem gesetzlichen Auftrag nachzukommen.

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AW: Lunapharm

von Birgit Möllenkamp am 28.08.2018 um 21:07 Uhr

Sie meinen wohl eher, dass der Verlust der Gesundheit billigend in Kauf genommen wird!

Bescheinigung der Unfähigkeit

von Conny am 28.08.2018 um 16:32 Uhr

Das Übliche eben !

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