Michael Hennrich (CDU) zu den Arzneimittelskandalen

„Warum können die Kassen nicht für die Arzneimittelversorgung haften?“

Berlin - 15.08.2018, 09:00 Uhr

Es sei zwar nicht einfach zu regeln, aber vorstellbar: CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich meint, dass die Versorgungssicherheit verbessert werden könnte, wenn die Krankenkassen für die Qualität der Arzneimittelversorgung haften würden. (s / Foto: Külker)

Es sei zwar nicht einfach zu regeln, aber vorstellbar: CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich meint, dass die Versorgungssicherheit verbessert werden könnte, wenn die Krankenkassen für die Qualität der Arzneimittelversorgung haften würden. (s / Foto: Külker)


In den vergangenen Jahren gab es wohl keine politische Sommerpause, die so viel arzneimittelpolitische Brisanz zu bieten hatte: Innerhalb weniger Wochen wurden mit der Valsartan-Krise, der Lunapharm-Affäre und dem chinesischen Impfstoff-Skandal drei Arzneimittelskandale publik. In der Unionsfraktion im Bundestag ist Michael Hennrich (CDU) für Arzneimittel zuständig. Im Interview mit DAZ.online erklärt er, an welcher Stelle er die Rabattverträge korrigieren würde, wie er die Situation betroffener Patienten verbessern möchte und warum er einer Abschaffung der Importquote aus dem Weg gehen möchte.

DAZ.online: Aus China kommen teils krebserregende Generika, zeitgleich kursieren illegale Zytostatika. Sie sind in der Unionsfraktion für Arzneimittelthemen zuständig. Können wir uns auf größere Gesetzesvorhaben einstellen, um diese Missstände zu beheben?

Hennrich: Nur bedingt. Ich meine, dass man nur einen Teil der zugrunde liegenden Probleme gesetzlich lösen kann. Wir haben einen guten gesetzlichen Rahmen auf europäischer und nationaler Ebene. Beim Vollzug dagegen hakt es meines Erachtens. Was die Valsartan-Krise betrifft, müssen wir uns aber noch einmal genauer anschauen, ob wir bei den Rabattverträgen gesetzlich nachjustieren müssen.

DAZ.online: Wo denn genau?

Hennrich: Wir müssen in die Verträge einen obligatorischen Qualitätsmechanismus einbauen. Konkret sollten die herstellenden Unternehmen – übrigens auch die in Fernost – regelmäßig und vor Ort, also in den Werken bei der Arbeit kontrolliert werden. Entweder durch den abnehmenden Hersteller oder die Zulassungsbehörden, da bin ich mir noch nicht ganz sicher. Die Vorlage von Zertifikaten oder Bescheinigungen allein reicht da nicht aus. Um einen Rabattvertrag zu bekommen, müssen die Hersteller die Nachweise der Kontrollen bei der Kasse vorlegen.

Hennrich: Initiative der EU ist gefordert

DAZ.online: Könnte man die Hersteller nicht auch verpflichten, einen Teil der Arzneimittel, die sie über Rabattverträge anbieten wollen, in Europa herzustellen – und dies auch auf den Packungen sichtbar aufzudrucken?

Hennrich: Ich muss zugeben, dieses Thema treibt mich seit Jahren um. Ich finde es sehr schade, dass man in der EU bislang noch keine Initiative zu der Frage gestartet hat. Denn ich bin der Meinung, dass wir uns in Europa – bei Beibehaltung des freien Warenverkehrs in der Welt – wieder unabhängiger machen müssen in der Arzneimittelversorgung. Die Qualität unserer Gesundheitsversorgung kann nicht von den Vorgängen in einem einzigen chinesischen Werk abhängen. Nationalstaatlich können wir das Thema nicht lösen, wir brauchen hier eine europäische, von allen Mitgliedstaaten getragene Lösung.  Es wäre aus meiner Sicht europarechtlich wahrscheinlich schwierig, die Hersteller zu verpflichten, Teile ihrer Produktion in bestimmte Länder zu verlagern.

DAZ.online: Die ABDA sieht ein Teil des Problems in den niedrigen Generika-Preisen. Ist die Preisuntergrenze nicht langsam erreicht bei den Rabattverträgen? Muss die Politik da nicht mal den Riegel vorschieben und Preisuntergrenzen oder Ähnliches festlegen?

Hennrich: Zunächst möchte ich festhalten, dass ich mich absolut zum System der Rabattverträge bekenne. Es gibt kein effizienteres Sparinstrument bei den Arzneimitteln. Hinzu kommt, dass ich auch nicht daran glaube, dass die Hersteller ihre Produktion bei höheren Preisen nach Europa verlagern würden. Diese Preise entstehen nun einmal, so ist das Wesen einer Ausschreibung. Und ich glaube, dass die Preise hierzulande trotz der Rabattverträge noch okay sind.

DAZ.online: Sie meinen im internationalen Vergleich?

Hennrich: Ja, die Rabatte sind geheim. Allerdings höre ich, dass für Generika in anderen Ländern vergleichbare Preise gezahlt werden.  



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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7 Kommentare

Heinrich

von Alexander Zeitler am 17.08.2018 um 2:27 Uhr

Schauen Sie sich nur mal die Körpersprache dieses Herrn an.
Wie will der was erreichen?????

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Kontrolle

von Ratatosk am 16.08.2018 um 9:46 Uhr

Billigstpreise führen immer !! zu abnehmender Qualität, hier zählt nur das Wohl der GKV und die ist personell mit der Politik extrem verfilzt.
Personal für Kontrollen gäbe es genug, jede Landapotheke wir auch regelmäßig kontrolliert und ausländische Kontrolleuere ( England oder Frankreich etc. ) finden auch immer wieder Probleme, nur seltsamerweise hört man von deutscher Seite nichts. Kontrollen wo es wichtig wäre, würden aber das schäbige Politik-GKV-Verwaltungs Kartell behindern, an strategische Planungen ist in Deutschland ja schon lange nicht mehr zu denken. Die Presse ist bei Pharma schnell mit sog. kritischen Reportagen zur Stelle, aber nicht bei der Politik oder Behörden, denn dann gibt es keine Einladungen zu Treffen mehr, oder die irrre teuren Selbstdarstellungen von Ministerien werden eben anderswo geschaltet. Erst ein paar tausend Tote könnten dies evt. ändern - und dann wäre sowieso irgendjemand anderes schuld.
Wo sind eigentlich unsere Tausendsassa - Experten mit Lösungen ? außer der Leier mit den ungeheueren noch zu hebenden Einsparungen.

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Qualitätsverlust

von Reinhard Rodiger am 15.08.2018 um 22:29 Uhr

"Es gibt kein effizienteres Sparinstrument bei den Arzneimitteln" zitiert nach Herrn Hennrich.

Das ist ohne Zweifel richtig.Nur der Preis ist zu hoch.
Diese Effizienz ist nur Ergebnis einer Marktdominanz eines Oligopols (zT Monopol), das die Marktbeteiligten zum Mitmachen zwingt. Offen bleibt: wie lange.Nicht verfolgte Erpressung zählt in der Tat zu den effizientesten Erwerbsmöglichkeiten.Die daraus folgende Dynamik ist politisch gewollt, aber in ihrer Konsequenz nicht verarbeitet.Ist der Initiator nicht genauso verantwortlich wie der Umsetzer?

Diese Konsequenz ist stetige Qualitätsminderung bis hin zu Schadensetzung- durch Schadstoffe , Engpasserzeugung und Complianceminderung. Es ist Sophisterei, die Haftungsfähigkeit des politisch gewollten Verursachers zu verneinen.Sie gilt zumindest im moralischen Sinn und deshalb ist die Frage politisch relevant.Aber sie bleibt verdrängt.

Nach dieser Logik, die Haftungsfähigkeit des Auftraggebers(zB eines Berufskillers) zu verneinen, bleibt er nach Durchführung des Auftrags ein freier Mann.

Dies gilt besonders,da sich der Verursacher(Krankenkasse) nach amtlicher Feststellung(BVA) nicht an die eigentlichen Aufgaben als Körperschaft des öffentlichen Rechts hält, sondern wie ein ethisch nicht fassbares Unternehmen.Dann ist zumindest die Geschäftsführung haftbar.

Ohne Begrenzung des Machtmissbrauchs der Krankenkassen ist der Ruf nach Behörden eher Ablenkung als Hilfe.Klar, die Kontrollen sind löchrig, aber auch das war politischer Wille.
Denn die Ausstattung fehlt.Deren Aufrüstung entlässt die Krankenkassen und deren Unterstützer nicht aus ihrer Verantwortung.


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Realistische Betrachtung:

von Kritiker am 15.08.2018 um 13:42 Uhr

Die Bundesregierung wird nicht viel unternehmen, es sei denn, es kommt zu einem fetten, Contergan weit in den Schatten stellenden Skandal.

Für die GKV scheinen ihre Versicherten Nutzvieh zu sein, das gefälligst zu fressen hat, was ihm die GKV vorsetzt.

Qualitäts- und Transparenzoffensiven einzelner Generikahersteller sind möglich. Ob sie in der Praxis etwas nützen, das ist offen.

Als Patient sollte man baw Generika meiden und hoffen, dass wenigstens die Originalhersteller einigermaßen ordentliche pharmazeutische Qualität liefern.

Die Apotheken müssen mit den Patienten ausbaden, was ihnen Politik und GKV einbrockten.

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Hennrich

von Conny am 15.08.2018 um 12:54 Uhr

Darf man Schwätzer schreiben ? Ansonsten bitte Dummquatscher oder Versall von Spahn.

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verbindlich unverbindlich

von Ulrich Ströh am 15.08.2018 um 11:06 Uhr

Sprache ist verräterisch:
Wäre, möchte könnte, nicht unbedingt ,etc...

Aus Patientensicht bleibt Herr Hennrich in diesem Interview verbindlich unverbindlich.

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klare Antwort auf die Frage in der Überschrift

von Jan-Uwe Kreuschner am 15.08.2018 um 10:04 Uhr

klare Antwort auf die Frage in der Überschrift:
Meiner Ansicht nach müssen schon aufgrund der derzeitigen Gesetzgebung die Kassen haften. Die "gesetzlichen" Krankenkassen sind doch jetzt schon lt. Gesetzgebung für eine "ordnungsgemäße gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung" verantwortlich.D.h. es fehlt hier nur an geeigneten Ahndungsmaßnahmen durch den Gesetzgeber, wenn die Krankenkassen dies nicht ordnungsgemäß tun. Im übrigen müssen auch nicht die Gemeinden investieren, um auf dem Land Ärzte o. Apotheken anzusiedeln, sondern nur die Krankenkassen schriftlich (mit Fristsetzung) dazu auffordern eine "flächendeckende Versorgung" herzustellen. Erfolgt dies nicht, fehlt es wieder nur an geeigneten Strafmaßnahmen. Hier hat Herr Spahn eine Aufgabe die es dringlich anzugehen gilt. Es kann nicht sein, dass im Gesundheitswesen alle Leistungserbringer immer mehr an die Kandarre genommen werden, während die Krankenkassen unter "Artenschutz" gestellt werden und damit ungestraft Aufgaben für die sie durchaus auch bezahlt werden einfach unterlassen.

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