Nasenspray mit Spezialeffekten

Esketamin: Von der Partydroge zum Antidepressivum?

Berlin - 19.07.2018, 09:00 Uhr

Mit einem Sprühstoß ins normale Leben - für schwer Depressive, die alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben, eine Rettung. Ob das Esketamin-Nasenspray demnächst als Arzneimittel zur Verfügung steht, ist noch offen. (b / Foto: Imago images / teutopress)

Mit einem Sprühstoß ins normale Leben - für schwer Depressive, die alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben, eine Rettung. Ob das Esketamin-Nasenspray demnächst als Arzneimittel zur Verfügung steht, ist noch offen. (b / Foto: Imago images / teutopress)


Ein Narkotikum macht Karriere: Esketamin, in der Drogenszene auch als „Special K“ bekannt, scheint neueren Daten zufolge in Form eines Nasensprays bei therapieresistenter Depression zu wirken. Aufgrund der psychotropen Wirkung ist das Nasenspray vermutlich nicht zur Heimbehandlung geeignet.

Etwa ein Drittel aller Patienten mit Depressionen sprechen nicht auf ihre medikamentöse Erstbehandlung an. Bei etwa einem Fünftel sind mindestens zwei adäquat dosierte und korrekt angewendete Antidepressiva in Folge wirkungslos. Diese Fälle werden gemäß der „S3-Nationale Versorgungsleitlinie unipolare Depression“ als pharmakotherapieresistent definiert.

Narkotikum statt Elektroschock?

Der Leidensdruck für die Betroffenen ist erheblich. Behandler sind zuweilen ratlos. In schweren Fällen rät die Leitlinie zu elektrokonvulsiven Therapie, hochfrequenter repetitiver transkranieller Magnetstimulation oder Nervus-Vagus-Stimulation.

Vergleichsweise harmlos klingt es, sich ein Narkotikum in die Nase zu sprühen. Und dieses Prinzip erprobt derzeit das Pharmaunternehmen Janssen mit enantiomerenreinem  Esketamin (S-(+)-Ketamin) in Form eines Nasensprays. Mutterkonzern Johnson & Johnson strebt nach eigenen Angaben eine Zulassung bei therapieresistenten Depressionen sowie bei schweren Depressionen mit erhöhtem Suizidrisiko an.   

Auf dem 31. Internationalen Kongress für Neuropsychopharmakologie hat das Unternehmen laut einer Pressemeldung vom vergangenen Montag vier doppelblind-kontrollierte Studien vorgestellt, darunter zwei Phase-III-Studien mit jeweils 705 beziehungsweise 802 Erwachsenen mit therapieresistenter Depression.

Zusätzlich zu oralem Antidepressivum

In den Studien wurde das Nasenspray jeweils zusätzlich zu einem der vier oralen Antidepressiva Duloxetin, Escitalopram, Sertalin oder Venlafaxin erprobt. Teilnehmer der Kontrollgruppen erhielten zusätzlich zu dem oralen Antidepressivum ein Placebo-Nasenspray. Die Behandlung erfolgte in unterschiedlich langen Intervallen, in denen das Nasenspray zweimal wöchentlich angewendet wurde. Dabei wurde das Nasenspray in Dosierungen von entweder 28, 56 oder 84 Milligramm Ketamin eingesetzt. 

Die Forscher beurteilten die Symptomatik anhand des MADRS-Scores (Montgomery–Åsberg Depression Rating Scale). Die vollständigen Ergebnisse sind derzeit weder in Form von Originalpublikationen noch als Eintrag in dem öffentlichen Studienregister Clinical Trials verfügbar. Aus einer gemeinsamen Unternehmensmeldung geht allerdings hervor, dass offenbar nicht alle Endpunkte erreicht wurden.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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