Freie Apothekenwahl, Fernverordnungen, Werbung

Online-Arztpraxen fordern weitere Deregulierungen

Berlin - 09.05.2018, 16:30 Uhr

Die Aufhebung des Fernbehandlungsverbotes reicht nicht: Online-Arztpraxen wie DrEd fordern weitere Deregulierungen. (Foto: Imago)

Die Aufhebung des Fernbehandlungsverbotes reicht nicht: Online-Arztpraxen wie DrEd fordern weitere Deregulierungen. (Foto: Imago)


In den kommenden Tagen könnte der Deutsche Ärztetag die Aufhebung des Fernbehandlungsverbotes beschließen. Den Betreibern von Fernarzt-Portalen reicht diese Deregulierung aber nicht: Gegenüber DAZ.online erklären die Betreiber von „Fernarzt.com“ und „DrEd“, dass die Aufhebung des Fernbehandlungsverbotes wenig bringe, solange es gerade bei der Arzneimittel-Verordnung noch viele Regulierungen gibt. Konkret geht es um die freie Apothekenwahl und das Verbot von Online-Rezepten.

Bislang sind im bundesweit gültigen Berufsrecht der Mediziner „ausschließliche“ Behandlungen von Patienten über Telefon und Internet untersagt. Dies könnte sich aber nun ändern: Laut einem Antrag des Vorstands der Bundesärztekammer soll dies künftig „im Einzelfall“ erlaubt sein, aber nur, wenn es ärztlich vertretbar und die Sorgfalt gewahrt ist. In Baden-Württemberg sind solche Fernbehandlungen im Rahmen von Modellprojekten bereits ermöglicht worden – die ersten Projekte sind auch schon gestartet. In Schleswig-Holstein hat die Ärztekammer das Verbot erst kürzlich komplett gekippt.

Insbesondere die Betreiber von Fernarzt-Portalen müsste dies eigentlich erfreuen, müsste man meinen. Schließlich musste sich die wohl bekannteste Online-Praxis, DrEd, aufgrund der Regulierungen hierzulande in Großbritannien niederlassen und von dort aus beraten. Erst vor wenigen Monaten eröffnete die Online-Praxis „Fernarzt.com“ – ebenfalls in Großbritannien. Und auch die dritte nennenswerte Konkurrenz von DrEd, „doktoronline.de“, sitzt im Ausland, nämlich in den Niederlanden.

Doch die Portalbetreiber sind keineswegs zufrieden mit der bloßen Aufhebung des Fernbehandlungsverbotes. Gegenüber DAZ.online fordern sie weitergehende Deregulierungen in der Telemedizin, die sich insbesondere auf die Verordnung von Arzneimitteln beziehen. Die Betreiber von „Fernarzt.com“ haben sogar eine ganze Liste an Regulierungen und Gesetzen vorgelegt, die aus ihrer Sicht noch aufgehoben oder geändert werden sollten. Dazu gehören:

  • Der Paragraf 9 des Heilmittelwerbegesetzes verbietet den Betreibern derzeit die Werbung für die Fernbehandlung: „Unzulässig ist eine Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder Tier beruht (Fernbehandlung).”
  • Paragraf 48 des Arzneimittelgesetzes wurde erst vor einigen Jahren geändert, die Rede ist hier vom sogenannten Fernverordnungsverbot: „Eine Abgabe von Arzneimitteln, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, darf nicht erfolgen, wenn vor der ärztlichen oder zahnärztlichen Verschreibung offenkundig kein direkter Kontakt zwischen dem Arzt oder Zahnarzt und der Person, für die das Arzneimittel verschrieben wird, stattgefunden hat. Hiervon darf nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden, insbesondere, wenn die Person dem Arzt oder Zahnarzt aus einem vorangegangenen direkten Kontakt hinreichend bekannt ist und es sich lediglich um die Wiederholung oder die Fortsetzung der Behandlung handelt.”
  • „Fernarzt.com“ stört sich auch daran, dass die Online-Portale wegen des Apothekengesetzes keine bestimmte Apotheke von sich aus beauftragen dürfen. Paragraf 11 des Apothekengesetzes verbietet es deutschen Ärzten bestimmten Apothekern ein Rezept zuzuweisen. Danach dürfen Apotheken und Ärzte keine Rechtsgeschäfte vornehmen oder Absprachen treffen, die die Zuweisung von Verordnungen zum Gegenstand haben. Diese Vorschrift soll das freie Apothekenwahlrecht der Patienten schützen. Eine ähnliche Vorschrift befindet sich in der Berufsordnung der Ärzte (Empfehlungsverbot). Zumindest bei „Fernarzt.com“ ist das aber gelebte Realität: Die Online-Ärzte verschicken ihre Rezepte direkt an eine EU-Versandapotheke. Diese Praxis müssten die Betreiber einstellen, wenn sie sich in Deutschland niederlassen wollten.
  • Die Betreiber des Portals befürchten auch, dass sie rechtliche Probleme bekommen könnten, wenn sie Patienten krankschreiben. Denn die Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie des G-BA enthält die Passage: „Bei der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sind körperlicher, geistiger und seelischer Gesundheitszustand der oder des Versicherten gleichermaßen zu berücksichtigen. Deshalb dürfen die Feststellung von Arbeitsunfähigkeit und die Empfehlung zur stufenweisen Wiedereingliederung nur auf Grund ärztlicher Untersuchungen erfolgen.”



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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2 Kommentare

Scheinheilige Mischpoke

von Gunnar Müller, Detmold am 10.05.2018 um 14:58 Uhr

„Wir würden es sehr begrüßen, wenn Patienten zukünftig wieder entscheiden könnten, ob sie Rezepte direkt in Apotheken vor Ort einlösen möchten.“....
Insofern kann ich mich nur der Einschätzung des Vor-Kommentator (Klarname!?!) anschließen.

Was tut die ABDAAVOXA, um das legitimes Recht der deutschen Apotheken vor Ort zu schützen?! Die alles tun sollen/müssen (Notdienst/Rezepturen/Btm/Beratung und so weiter…) – aber dem freien Spiel der Kräfte eines ungeregelten (!) Marktes ausgesetzt werden.
Gibt es bereits Gespräche mit der Ärzteschaft?!?
Welche Gespräche gibt es mit dem federführenden BMG?!?

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Fernbehandlung - nee is klar

von ratatosk am 09.05.2018 um 22:16 Uhr

Hier hat man es endlich mal schriftlich, das ganze Theater um die Fernbehandlung macht nur wirklich Sinn - Kohle, wenn man gleich die Medikamente mit verkloppen kann.
Sildenafil, und Schlaf und Aufputschmittlel lassen grüßen. Werden unsere Politiker aber mal wieder nicht überreißen oder wollen

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