Apotheke Adhoc-Herausgeber Bellartz

Mehr als 1000 neue E-Mails im Datenklau-Verfahren

Berlin - 05.05.2018, 09:00 Uhr

Anwalt Carsten Wegner und Thomas Bellartz halten Polizei und Staatsanwaltschaft Durchstechereien an die Presse vor. (Foto: Külker)

Anwalt Carsten Wegner und Thomas Bellartz halten Polizei und Staatsanwaltschaft Durchstechereien an die Presse vor. (Foto: Külker)


Im Strafverfahren gegen Apotheke Adhoc-Herausgeber Thomas Bellartz und den Systemadministrator Christoph H. haben die Verteidiger am gestrigen Freitag beantragt, das Verfahren auszusetzen. Der Grund: Mehr als 1000 neue E-Mails inklusive Anhängen wurden mittlerweile seitens der Polizei nachgereicht. Diese zu sichten, brauche Zeit. Das Gericht hat noch nicht über den Antrag entschieden.

Der Prozess vor dem Berliner Landgericht um mutmaßlich im Bundesgesundheitsministerium (BMG) ausgespähte Daten ging am gestrigen Freitagnachmittag ohne Zeugenvernehmungen weiter. Die Verteidiger der beiden Angeklagten hatten allerdings einige Schriftsätze und Anträge vorbereitet, die sie verlasen. Im Mittelpunkt ihrer Kritik: Die Art und Weise der polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungen. Schon an den vergangenen beiden Verhandlungstagen hatte sich gezeigt, dass offenbar nicht jeder E-Mail-Verkehr des leitenden Ermittlers zu diesem Verfahren den Weg in die Gerichtsakten gefunden hatte. Mittlerweile hat der Kriminaloberkommissar, der bereits zwei Mal als Zeuge geladen war, zahlreiche Daten nachgereicht.

Rechtsanwalt Nikolai Venn, Verteidiger des Systemadministrators Christoph H., sprach von 1034 Mails, zumeist mit einem oder auch mehreren Anhängen. Es sei der Verteidigung nicht zuzumuten, sich in so kurzer Zeit durch all diese Mails durchzuklicken. Dabei gebe es hier Kommunikationen, die schon in der Betreffzeile Interesse wecken – etwa: „Grüße von der dunklen Seite der Macht“. Dahinter soll ein Mailverkehr zwischen BMG und dem Kriminaloberkommissar stecken. Ohnehin werde das „häppchenweise Zurverfügungstellen“ von relevanten Daten dem Recht auf rechtliches Gehör nicht gerecht und laufe dem Gebot der Verfahrensfairness zuwider, so Verteidiger Venn. Auch sei nicht klar, ob nun wirklich alle Daten, die für das Verfahren geschaffen wurden, vorhanden sind, oder ob nach wie vor etwas fehlt.

Der Polizeibeamte hatte bei seiner Zeugenaussage am Dienstag vergangener Woche erklärt, er habe nach seiner ersten Zeugenvernehmung nochmals E-Mails gelöscht, als er die E-Mails rausgesucht habe, die er dem Gericht nachreichen wollte. Aber diese gelöschten Mails seien nicht relevant gewesen. Es habe sich zum einen um Weiterleitungen von seinem privaten E-Mail-Account gehandelt, die Links auf Presseartikel enthielten, die dann in einen Presseordner gesammelt wurden. Andere Mails hätten Angaben zur Polizeitaktik enthalten, seien also intern und deshalb nicht in den Prozess einzubringen. Den Verteidigern reicht diese Erklärung allerdings nicht, sie würden gerne selbst die Bedeutung der Mails beurteilen und sind nun skeptisch, ob ihnen wirklich alle relevanten Informationen vorliegen.

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Auch Prof. Carsten Wegner, Verteidiger von Bellartz, zeigte sich über das Verhalten des Kriminalbeamten irritiert. Er ist überzeugt: Angesichts dieser Ermittlungen werde das Gericht nicht an einer Aussetzung des Verfahrens vorbeikommen. Er zitierte bereits aus einigen der nun nachgereichten Mails. Es habe eine „eigenwillige Kommunikation“ zwischen dem leitenden Ermittler und der Staatsanwaltschaft und auch dem BMG gegeben. Dabei sei es unter anderem um Ermittlungen in Richtung ABDA gegangen, um Hintergrundinformationen, die laut Wegner offenbar „zielgerichtet“ aus der Verfahrensakte rausgehalten wurden. Wegner hält hier eine genauere Analyse für notwendig. Wegner befürchtet, dass die Verteidigung auch aus Zeugenbefragungen während des Zwischenverfahrens bewusst herausgehalten wurde. Er beantragte zudem, den Computer des leitenden Ermittlers sicherzustellen, um etwaige weitere zurückgehaltene Daten zu sichern. Letzteres lehnt das Gericht allerdings ab. Es verspreche sich davon keinen Erkenntnisgewinn.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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