Westfalen-Lippe

AOK-Chef beklagt steigende Arzneimittelpreise

Berlin - 18.04.2018, 17:45 Uhr

570 Euro gaben die Kassen im Schnitt in Westfalen-Lippe für jeden Versicherten für Arzneimittel aus. (Foto: weyo / stock.adobe.com)

570 Euro gaben die Kassen im Schnitt in Westfalen-Lippe für jeden Versicherten für Arzneimittel aus. (Foto: weyo / stock.adobe.com)


In Westfalen-Lippe sind die Ausgaben für Arzneimittel im vergangenen Jahr um 2,2 Prozent auf über 4,1 Milliarden Euro gestiegen. Der Vorstandsvorsitzende der AOK Nordwest Tom Ackermann kritisierte, dass es für die „Hochpreispolitik der Pharmaindustrie“ noch immer keine Lösung gebe.

Die AOK Nordwest teilt mit, dass die niedergelassenen Ärzte im Jahr 2017 für die rund 7,3 Millionen gesetzlich Versicherten in Westfalen-Lippe Arzneimittel im Wert von über 4,1 Milliarden Euro verordnet haben. Dabei handelt es sich um Bruttoumsätze, die zwar den gesetzlichen Apotheken- und Herstellerabschlag berücksichtigen, nicht aber die Einsparungen durch Rabattverträge. Die AOK verweist darauf, dass die Umsätze gegenüber dem Vorjahr um fast 90 Millionen Euro beziehungsweise 2,2 Prozent gestiegen sind. Diese Zahlen gehen aus aktuellen Statistiken des GKV-Spitzenverbandes hervor. Demnach liegt der absolute Anstieg in Westfalen-Lippe allerdings noch unter dem Bundesdurchschnitt von 3,5 Prozent. Auch der Umsatzzuwachs je Versicherten ist angesichts der gestiegenen Versichertenzahlen geringer: In Westfalen-Lippe lag er bei plus 1,6 Prozent, bundesweit waren es 2,5 Prozent mehr. Im Durchschnitt bekam 2017 jeder gesetzlich Versicherte in Westfalen-Lippe Arzneimittel für rund 570 Euro verordnet – der bundesweite Wert lag bei 621 Euro.

Der AOK-Vorstandsvorsitzende Tom Ackermann ist dennoch alarmiert: „Der Trend bei den neuen patentgeschützten Arzneimitteln geht zu verkürzten Zulassungsverfahren und immer höheren Preisen“. Er kritisiert, dass es für die Hochpreispolitik der Pharmaindustrie trotz der gesetzgeberischen Maßnahmen noch immer keine Lösung gebe. „Die große Koalition ist gefordert, endlich verbindliche gesetzliche Regelungen zu treffen, um die ungebremste Preisentwicklung einzudämmen“, so Ackermann.

Ein Jahr im Markt und dann wieder weg?

Er erneuerte die alte Kassenforderung, Erstattungsbeträge für neue Arzneimittel rückwirkend ab dem ersten Tag des Marktzugangs wirken zu lassen. Bislang haben die Hersteller neuer Präparate im ersten Jahr noch Preisfreiheit. Die ausgehandelten Erstattungspreise müssten sich zudem stärker am Zusatznutzen eines Wirkstoffs orientieren. Ackermann sieht es zudem als Strategie, dass Hersteller neuer Präparate diese nach einem Jahr im Markt – und zwar zu Höchstpreisen – wieder vom Markt nehmen und neue Arzneimittel einführen. „Diese Vorgehensweise führt zu erheblichen finanziellen Belastungen des Solidarsystems und zwingt die Patienten, sich immer wieder auf andere Wirkstoffe einzustellen“, so Ackermann.

Der AOK-Chef kritisiert weiterhin, dass durch den Trend zu beschleunigten Zulassungsverfahren immer mehr Produkte ohne eine ausreichende Datenbasis zu Nutzen und Risiken für die Patienten auf den Markt kämen. „Nach der Zulassung werden zwar weitere klinische Studien und die kontinuierliche Überwachung der Arzneimittelsicherheit gefordert, doch ist der Marktzugang erst einmal erfolgt, kommen viele Pharmaunternehmen ihrer Verpflichtung nach weiteren Daten nicht ausreichend nach“, sagt Ackermann. Auch diese Kritik der Kassen ist nicht neu. Ob die AOK mit ihren Bedenken bei Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf offene Ohren stößt, bleibt abzuwarten. Dieser sieht seine vordringlichen Aufgaben als Minister derzeit vor allem bei der Wiederherstellung der Parität, in der Pflege sowie der ambulanten ärztlichen Versorgung.


Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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