Tatort-Fakten-Check

Interaktion von ASS und Antidepressiva: Kann man ersticken?

Stuttgart - 16.04.2018, 11:05 Uhr

Das Ermittlerteam im Franken-Tatort vom gestrigen Sonntag hatte es unter anderem mit einer angeblich tödlichen Wechselwirkung zu tun. (Foto: imago / Futute image)

Das Ermittlerteam im Franken-Tatort vom gestrigen Sonntag hatte es unter anderem mit einer angeblich tödlichen Wechselwirkung zu tun. (Foto: imago / Futute image)


Im Tatort vom gestrigen Sonntag kommt ein Mann von der Straße ab und verunglückt tödlich. Vorher wird er von heftigen Hustenanfällen geschüttelt. In seinem Blut werden Antidepressiva und ASS gefunden, eine schwere Wechselwirkung wird als Todesursache vermutet. Später heißt es, er sei erstickt – bedingt durch die Wechselwirkung. Kann das stimmen?

Verursacht die gleichzeitige Einnahme von Antidepressiva und ASS tatsächlich eine schwere Wechselwirkung? Und falls ja, kann diese zum Tod durch Ersticken führen? Diese Fragen stellte sich vermutlich der eine oder andere, der am gestrigen Sonntagabend den Tatort aus Franken gesehen hat. Was war passiert? Ein Mann kommt nachts mit dem Auto von der Straße ab. Als Todesursache wird eine zunächst nicht genauer spezifizierte Wechselwirkung zwischen Antidepressiva und ASS vermutet – diese Substanzen wurden in seinem Blut gefunden. Später heißt es dann, er sei aufgrund dieser Wechselwirkung erstickt. Das würde zumindest seine heftigen Hustenanfälle und die Atemnot erklären, die er während der Fahrt hatte.

Aus pharmakologischer Sicht ist das Ganze aber nicht plausibel. Zwar sind die Antidepressiva nicht genauer spezifiziert, aber von keinem der üblichen Substanzen, also SSRI, SNRI, Trizyklika und MAO-Hemmer, ist eine Wechselwirkung mit ASS bekannt, die zum Tod durch Ersticken führt. So kann zwar die Kombination aus serotonergen Antidepressiva und MAO-Hemmern tödlich sein. Hintergrund ist das gefürchtete Serotonin-Syndrom, das zu Verwirrtheit, Erregung, Angst, Schwitzen, Hyperthermie, Diarrhoe, Übelkeit, Blutdruckschwankungen sowie neuromuskulären Störungen (Hyperreflexie, Myoklonie, Tremor) führen kann – und in schweren Fällen auch zu Blutdruckabfall, Koma, Schock und Exitus.

Zudem gibt es eine bekannte Wechselwirkung zwischen nicht-steroidalen Antirheumatika, zu denen ASS gehört, und Serotonin-Reuptake-Inhibitoren. Bei gleichzeitiger Einnahme ist die Gefahr gastro-intestinaler Blutungen und möglichweiser auch anderer Blutungen erhöht. Hintergrund ist, dass sowohl nicht-steroidale Antiphlogistika als auch Serotonin-Reuptake-Hemmer ulzerogen wirken und die Thrombozytenaggregation hemmen. Eine einmalige Einnahme von ASS ruft diese Wechselwirkung allerdings in der Regel nicht hervor. Erst die längerfristige, gleichzeitige Behandlung mit den Antidepressiva und NSAR bereitet Probleme. Aber ersticken tut man daran auch nicht.

Zu Atemnot führen könnte eine extreme Überdosierung der Antidepressiva mit Atemdepression als Folge einer Unverträglichkeit eines der Arzneimittel. Diese kann im Extremfall zu Bronchokonstriktion führen und auch tödlich enden. Aber dann war es eben auch nicht die Wechselwirkung zwischen ASS und den Antidepressiva.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Risiko für ein Serotonin-Syndrom scheint kaum erhöht zu sein

Linezolid plus Antidepressivum ist möglich

Wirkstoff-Lexikon

SSRI

Mehr postpartale Blutungen unter Antidepressiva in der Schwangerschaft

Erhöhtes Blutungsrisiko

Bei welchen Arzneistoffen tatsächlich Beratungsbedarf besteht

(Fehl-)Alarm Serotonin-Syndrom

Antidepressiva plus NSAR können das Risiko für Gehirnblutungen erhöhen

Eine brisante Kombination

1 Kommentar

Der Apotheker kann und weiß mehr

von Hummelmann am 17.04.2018 um 13:15 Uhr

Schade, dass in den meisten Fernseh-Drehbüchern der Apotheker - wenn überhaupt - allenfalls die Rolle des Täters bekommt. Aber schön, dass die Ungenauigkeit bei der AM-Interaktion nicht nur mir aufgefallen ist. Dabei gibt es gar keinen Grund solche Sachverhalte im Krimi falsch darzustellen. Ich fürchte nur, die Autoren nehmen es beim Tatort grundsätzlich nicht so genau. Jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, dass im realen Polizeileben die Untersuchung eines ungeklärten Todesfalls von der Geliebten des Opfers geleitet werden darf. Dieser persönliche Bezug war für die gesamte Entwicklung der Story völlig unnötig.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.